Es klingt unglaublich: Auf deutschen Bankkonten schlummern bis zu 4,2 Milliarden Euro, die niemandem gehören. Klar, dass ein solcher Schatz Begehrlichkeiten weckt. Auch die Bundesregierung mischt mit.
Milliarden, die auf sogenannten nachrichtenlosen oder vergessenen Konten einfach so rumliegen - und das hier, bei uns in Deutschland. Wie kann das sein? "In den meisten Fällen ist der Eigentümer des Kontos wohl verstorben und es gibt keine Erben, oder das Konto ist in keinen Unterlagen erfasst", sagt Wirtschaftsprofessor Christian Klein von der Universität Kassel.
Auch ihn hat überrascht, dass das Gutachten, das im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt worden ist, von bis zu 4,2 Milliarden vergessenen Euro ausgeht. "Es kann auch sein, dass es sich um illegale Mittel handelt, Schwarzgeld, Drogengeld, wo vielleicht die Eigentümer ganz froh sind, dass man dieses Geld vergessen hat."
Nach 30 Jahren wird das Konto geschlossen
Als vergessen gilt ein Konto, wenn es den Geldinstituten über Jahre nicht gelingt, Kontakt zu dem Besitzer aufzubauen. Die Sparda-Bank Hessen sagt dazu: "Dauerhaft inaktive Konten durchlaufen einen umfangreichen und mehrstufigen Prüf- und Informationsprozess. Es ist uns wichtig, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den Kontoinhabenden beziehungsweise eine berechtigte Person zu ermitteln."
Kommt es trotzdem zu keinem Kontakt, schließen die meisten Banken nach 30 Jahren das Konto. Wenn sich aber zum Beispiel nach 45 Jahren jemand meldet und sein Geld zurückhaben will, ist die Bank zur Rückgabe verpflichtet.
Das Schweigen der Banken
Gerne hätten wir auch mit anderen Banken über das Thema gesprochen, auf unsere Interviewanfragen hagelt es ansonsten aber Absagen. Kein Wunder, sagt, Wirtschaftsprofessor Klein: "Ich habe das Gefühl, dass es für die meisten Banken irgendwie unangenehm ist. Da ist Geld vergessen worden, das liegt jetzt rum, und es fühlt sich nicht gut an, dass die Bank es - in Anführungszeichen - einfach einsackt."
Thorsten Höche ist Chefjustiziar des Deutschen Bankenverbands, der die Privatbanken vertritt. Er weiß, warum sich die Geldinstitute bei dem Thema lieber bedeckt halten: "Das ist aus unserer Sicht einfach keins. Es liegt halt in der Natur der Sache, dass man manchmal den Kontakt zum Kunden verliert, und was dann passieren soll, ist klar geregelt. Von daher ist aus unserer Sicht kein besonders großer Diskussionsbedarf gegeben."
Kann der Staat das Geld für sich nutzen?
Milliarden, die einfach so rumliegen, wecken natürlich Begehrlichkeiten - auch bei der Bundesregierung. Die hat im Koalitionsvertrag auf Seite 79 angekündigt: "Wir fördern soziale Innovationen und nutzen dafür Gelder aus nachrichtenlosen Konten in einem revolvierenden Fonds." Damit die Bundesregierung einen solchen Fonds aufbauen kann, müssten die Banken das Geld natürlich rausrücken.
Ein Problem, wie der Bankenverband findet: "Wir sind eine vertragliche Bindung mit dem Kunden eingegangen, von uns kann man glaube ich nicht erwarten, dass wir sagen, wir geben diese Gelder jetzt in andere Hände. Außerdem hat es natürlich auch immer so ein Geschmäckle, wenn der Staat auf private Vermögensrechte zugreift", sagt Thorsten Höche.
Klar, es gibt Probleme - aber keine, die man mit ein bisschen gutem Willen nicht lösen könnte, findet dagegen Wirtschaftsprofessor Klein. "Wir haben in Europa sogar schon Beispiele, wo das funktioniert. In Großbritannien gibt es so einen Ansatz, dass ein sozialer Fonds damit finanziert wird, und das ist ziemlich erfolgreich."
Tipps gegen das Vergessen
Die meisten Menschen wollen natürlich viel früher ansetzen und unbedingt vermeiden, dass ihre Konten in Vergessenheit geraten. Fragt sich nur, wie man das am besten verhindern kann? "Wir raten unseren Kunden immer, analog eine Liste anzulegen. Auf der sollte stehen, mit welcher Bank Verträge bestehen - und bitte unbedingt auch immer eine Kontonummer dazuschreiben", sagt Katharina Lawrence von der Verbraucherzentrale Hessen.
Allerdings glaubt sie, dass das Problem in Zukunft noch größer wird. "Es gibt immer mehr Onlinekonten. Von denen findet man nicht zufällig noch ein Sparbuch im Tresor oder im Schreibtisch. Dann werden Passwörter vergessen, dann werden Apps nicht mehr aktualisiert. Vieles ist auch auf dem Handy, in das vielleicht keiner mehr reinkommt." Von den rund 110 Millionen Girokonten in Deutschland werden schon jetzt mehr als 70 Prozent online geführt.
Wie kann ich vergessene Konten finden?
Für Erben, die vermuten, dass irgendwo noch unentdeckte Guthaben schlummern, bietet der Bankenverband einen kostenlosen Kontensuch-Service an. "Wenn sich jemand an uns wendet, erwarten wir natürlich so ein bisschen, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass noch unbekannte Vermögenswerte da sind", sagt Chefjustiziar Höche.
"Wer einen begründeten Verdacht hat, dass noch unentdecktes Vermögen da ist, der kann sich an uns wenden und wir leiten die Suchanfrage dann an unsere Mitgliedsbanken weiter." Rund 1000 solcher Suchanfragen bekommt der Bankenverband pro Jahr, Tendenz steigend.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke