Friedrich Merz war noch kein Bundeskanzler, nicht einmal CDU-Vorsitzender, als er das Anforderungsprofil an die Mitglieder seiner künftigen Regierung formulierte: Deutschland habe einen Anspruch darauf, „von einer wirklich gut ausgebildeten und so oft wie möglich auch beruflich erfahrenen politischen Klasse geführt zu werden“, sagte er vor vier Jahren der „Augsburger Allgemeinen“. Es gebe zu viele Berufspolitiker ohne jegliche Erfahrung in der Arbeitswelt, monierte er damals. 

Von der Seitenlinie lässt sich das leicht fordern, doch was wird daraus, wenn man selbst wieder auf dem politischen Spielfeld steht? Die Managementberatung Horváth hat sich genau dies angeschaut. Sie wertete die Lebensläufe aller 86 Minister und Staatssekretäre in der schwarz-roten Bundesregierung aus.

Die kurze Antwort: Mit Unterstützung seines Vizes Lars Klingbeil (SPD) hat Merz geliefert, wie die Zahlen zeigen, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegen. Es gibt unter seiner Führung sehr viel mehr Spitzenpersonal, das bereits berufliche Stationen außerhalb der Politik hinter sich hat als unter Olaf Scholz (SPD).

Vier von fünf Ministern der aktuellen Regierung – genau sind es 79,2 Prozent – arbeiteten bereits in der Wirtschaft. In der Zeit von SPD, Grünen und FDP traf dies nicht einmal auf jeden Zweiten am Kabinettstisch zu, es waren nur 45,8 Prozent.

Zu den bekanntesten Fällen in dem Merz-Bündnis gehören die Ex-Eon-Managerin und jetzige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), der ehemalige Ceconomy-Vorstandschef und heutige Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) sowie die Bauministerin Verena Hubertz (SPD), die als Gründerin und Geschäftsführerin der Koch-App Kitchen Stories früh Unternehmerluft atmete.

Über alle Minister und Staatssekretäre hinweg erhöhte sich die Wirtschaftsquote von 45,5 Prozent auf 59,3 Prozent. Dabei reichte es nicht, dass im Lebenslauf ein Unternehmenspraktikum steht. Es muss eine feste Stelle gewesen sein – bei einem privaten Arbeitgeber oder im öffentlichen Dienst, etwa bei Krankenkassen oder in Schulen.

Und was wurde studiert? In der Merz-Regierung dominieren die Juristen. Ihr Anteil stieg von 28,1 Prozent auf 41,9 Prozent. Zudem finden sich etwas mehr Geisteswissenschaftler – von 6,1 Prozent auf 9,3 Prozent ging es hier nach oben.

Dafür gibt es deutlich weniger Politikwissenschaftler (von 30,5 Prozent auf 19,8 Prozent) und Wirtschaftswissenschaftler (von 20,7 Prozent auf 14 Prozent) unter den Top-Kräften in den Ministerien.

Bemerkenswert ist die Ost-West-Verschiebung bei den Studienorten. In der Scholz-Regierung rangierten unter den Top-3-Hochschulen mit Potsdam und Berlin zwei Städte aus dem Osten – wenn auch die Freie Universität für West-Berlin steht. Sie stellten genauso wie Bonn fünf Absolventen.

In der Regierung von Merz hat Bonn die alleinige Spitzenposition inne, und zwar mit Abstand: Acht der 86 Minister und Staatssekretäre haben in der einstigen Bundeshauptstadt, unweit von Merz’ Geburtsort im Sauerland, studiert. Es folgen Osnabrück und die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität mit jeweils fünf Absolventen.

Dazu passt, dass die Ostdeutschen in der Merz-Regierung weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind. Sie kommen auf einen Anteil von sieben Prozent, in der Vorgängerregierung waren es acht. Der Anteil der Ostdeutschen an der Bevölkerung liegt doppelt so hoch. Bleibt ein letzter wunder Punkt für Friedrich Merz: die Geschlechterverteilung. Von den Ministern und Staatssekretären sind nur 34,9 Prozent weiblich. Vor dem Regierungswechsel waren es 46,6 Prozent.

Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.

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