Die Krise im Gastgewerbe in Deutschland hat sich erneut verschärft. Im ersten Halbjahr 2025 sanken die Umsätze von Hotels, Restaurants und Kneipen preisbereinigt um fast vier Prozent, meldet das Statistische Bundesamt. Und der Juli war ebenfalls schwach: Laut einer aktuellen Mitgliederbefragung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) sanken die Nettoumsätze um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Und für August und September ist keine Besserung zu erwarten. Nur knapp 24 Prozent der fast 4000 Umfrageteilnehmer bezeichnen die Buchungslage in diesen beiden Monaten als gut oder sehr gut.
Damit droht dem Gastgewerbe hierzulande das sechste Minusjahr in Serie. Rund 40 Prozent der Betriebe befürchten dabei ein Abrutschen in die Verlustzone, weitere gut 28 Prozent schließen das nicht aus. Dehoga-Präsident Guido Zöllick zieht daher eine negative Zwischenbilanz für 2025: „Die Lage im deutschen Gastgewerbe bleibt angespannt, die Aussichten sind trüb.“
Die Gastronomie verliert dabei deutlich stärker als Hotels und Cateringunternehmen, zeigt die Statistik. Innerhalb des Gaststättengewerbes wiederum sind die Einbußen in der getränkegeprägten Gastronomie größer als bei den Restaurants. Über weniger Gäste klagen derweil alle Betriebsformen, laut Umfrage betrifft die Zurückhaltung mehr als die Hälfte der Betriebe. Hauptgründe sind laut Verbandschef Zöllick die anhaltende Konsumzurückhaltung und das deutlich gestiegene Preisniveau. „Viele Gäste gehen seltener essen, wählen günstigere Gerichte und verzichten auf Extras wie Vorspeisen oder das zweite Getränk.“
Die Preissprünge der vergangenen Monate begründet die Branche zum einen mit Kostensteigerungen beim Personal, bei Lebensmitteln und Getränken sowie für Energie. Zum anderen habe der seit Jahresbeginn wieder gültige volle Mehrwertsteuersatz von 19 statt sieben Prozent die Preise nach oben getrieben. In der Corona-Zeit hatte die Politik die Steuer als Krisenhilfe abgesenkt. Die neue Bundesregierung plant nun eine Rückkehr ab Januar 2026 eine Rückkehr zum alten Niveau – und steht dafür bei Ökonomen massiv in der Kritik.
Denn diese Subvention verursache in Zeiten knapper Kassen Steuerausfälle in Höhe von rund drei Milliarden Euro, die dann an anderer Stelle durch Kürzungen ausgeglichen werden müssen und damit zu sozialen Ungerechtigkeiten führen könnten, heißt es etwa vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Zumal diese Mehrwertsteuersenkung vor allem Wohlhabenden zugutekomme, die häufiger essen gehen als Normalverdiener. Und dass die Preise mit der Reduzierung sinken werden, sei auch fraglich.
Keine flächendeckend sinkenden Preise
Tatsächlich deutet sich bereits an, dass flächendeckend sinkende Preise nicht zu erwarten sind. So geben in der Mitgliederbefragung lediglich 44 Prozent der Betriebe an, dass die ab 2026 geplante Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes eine Verbesserung des Preis-Leistungs-Verhältnisses zur Folge haben könnte.
Die große Mehrheit indes nennt als wichtigste Auswirkung die Stabilisierung der eigenen wirtschaftlichen Situation und dahinter die Sicherung von Arbeitsplätzen. Verbandschef Zöllick spricht in diesem Zusammenhang von der „notwendigen Luft zum Atmen“. Andernfalls drohe ein Sterben gastronomischer Vielfalt und damit ein spürbarer Verlust an Lebensqualität und Aufenthaltskultur in den Innenstädten.
Deutlich unverblümter ist Guido Noll, der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für Darmstadt und Mainz. „Wer hofft, dass damit auch Schnitzel, Gulaschsuppe, Kaiserschmarrn & Co. billiger werden, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gastronomen werden viele fadenscheinige Gründe finden, warum sie die zwölf Prozent dringend brauchen – und zwar für den Betrieb, für sich selbst.“ Den Kunden empfiehlt der Gewerkschafter, ab dem kommenden Jahr beim Bezahlen der Rechnung genau nachzufragen, wo denn die zwölf Prozent Ersparnis geblieben sind und ob die Beschäftigten davon höhere Gehälter bekämen. Nur mit diesem „moralischen Gastro-Druck“ lasse sich ein „100-Prozent-Mitnahmeeffekt“ der Wirte verhindern.
Von Dirk Ellinger, dem Chef des Dehoga-Landesverbandes Thüringen, kommt dabei kein grundsätzlicher Widerspruch. Zwar stört er sich am Vorwurf, dass die Gastronomen fadenscheinige Gründe finden würden. Dass es bei den höheren Preisen bleiben wird, glaubt aber auch er. Die Steuersenkung verschaffe den Betrieben Luft, sagt Ellinger mit Verweis auf die Kostensteigerungen der vergangenen Monate.
„Unternehmer, die ihre Mehrkosten nicht über den Preis erwirtschaften konnten, könnten dann wieder auskömmlich arbeiten.“ Und sie hätten endlich Geld für Investitionen. Die nämlich bleiben vielerorts schon seit Jahren aus, wie die Dehoga-Mitgliederbefragung zeigt. Danach konnten in den vergangenen Jahren gut 72 Prozent der Unternehmen nicht mal die notwendigen Investitionen stemmen. Zöllick fordert daher in seiner Zwischenbilanz noch weitere Anstrengungen seitens der Politik, um die Betriebe zu entlasten, etwa beim Bürokratieabbau oder auch bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten.
Konsumklima hat sich wieder eingetrübt
Zumal die anhaltend schwache Gastro-Bilanz ein ganz grundsätzliches Alarmzeichen ist, wie Experten betonen. Die Rede ist von einem „schlechten Omen“ für den privaten Konsum. Und tatsächlich hat sich die Verbraucherstimmung nach zwischenzeitlich kurzen Hoffnungsschimmer zuletzt wieder eingetrübt. Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) zum Beispiel meldet für den August einen Rückgang des Konsumklima-Barometers um 1,2 Punkte und für den September um 1,9 Punkte auf jetzt minus 23,6 Punkte. Gründe seien wachsende Sorgen vor Jobverlusten, was wiederum die Einkommenserwartungen der Verbraucher drastisch gesenkt habe.
Ebenfalls deutlich gesunken ist das Konsumbarometer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Nach der Sommerpause seien die Erwartungen der Verbraucher für das restliche Jahr gedämpft. „Die Stimmung hat sich spürbar abgekühlt“, heißt es dazu vom HDE, der „ausbleibende wirtschaftspolitische Impulse“ moniert. „Noch ist es der Bundesregierung nicht gelungen, ihren Worten Taten folgen zu lassen und das Vertrauen der Verbraucher in eine Rückkehr des gesamtwirtschaftlichen Wachstums zu stärken.“
In einem Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert der HDE die Bundesregierung nun zu raschen Maßnahmen zur Stützung der Binnenwirtschaft auf. „Die internationalen Krisen sind gewaltig. Zollkonflikte und Kriege schlagen auf Handelsbeziehungen und den Export von Gütern voll durch. Es herrscht große Unsicherheit“, sagt HDE-Präsident Alexander von Preen. Daher sei es wichtig, dass sich die Bundesregierung für gute Rahmenbedingungen der heimischen Wirtschaft einsetzt.
„Starke Industrien werden auch weiterhin das Rückgrat unseres Landes bilden. Doch dabei darf die Binnenwirtschaft nicht aus dem Fokus geraten. Die Politik muss in diesen Zeiten vor allem ihre Hausaufgaben vor der eigenen Haustür erledigen und dafür sorgen, dass die Binnenwirtschaft ein Stabilitätsanker ist und zum gesamtwirtschaftlichen Wachstumstreiber wird.“ Der HDE fordert dafür eine gezielte Entlastung von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen, aber auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen durch zum Beispiel Bürokratieabbau, niedrigere Energiekosten und Investitionsanreize.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
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