Mehrere geplante Börsengänge in Deutschland sind zuletzt gescheitert. Der Medizintechnikhersteller Ottobock will es einem Bericht zufolge im kommenden Monat wohl dennoch versuchen. Demnach wird eine Milliardenbewertung angestrebt.
Der Medizintechnikhersteller Ottobock strebt offenbar tatsächlich an die Börse. "Capital" hatte bereits über Überlegungen des Unternehmens berichtet. Das Debüt am deutschen Aktienmarkt sei für Ende September bis Mitte Oktober geplant, berichtet das "Handelsblatt" und beruft sich auf Finanzkreise und das Umfeld des Unternehmens.
"Management und Shareholder von Ottobock prüfen fortlaufend alle möglichen Optionen, um das Unternehmen bestmöglich weiterzuentwickeln. Diese Optionen beinhalten auch einen möglichen Börsengang", erklärte eine Firmensprecherin auf "Capital"-Anfrage. "Bislang ist keinerlei Entscheidung in diese Richtung gefallen."
Erst kürzlich hatte Finanzchef Arne Kreitz im Interview mit Capital erklärt: "Wir wollen börsenfähig sein". Er fügte hinzu: "Den Anforderungen des Kapitalmarktes zu entsprechen, ist ein guter Zustand für ein Unternehmen." Das Management schaue immer nach Optionen, "wie wir das Unternehmen sinnvoll weiterentwickeln können". Dazu gehöre prinzipiell auch eine Notierung der Aktien an der Börse. "Das ist eine der Optionen, die wir uns anschauen, aber da ist noch keine Entscheidung gefallen."
Dem "Handelsblatt"-Bericht zufolge strebt das Unternehmen eine Bewertung von sechs Milliarden Euro an. Die Eigentümerfamilie Näder, die Ottobock über eine Holding hält, könnte 25 bis 30 Prozent der Unternehmensanteile an die Börse bringen - möglicherweise aber nicht auf einmal.
Börsengang des Weltmarktführers für Prothesen
Bei dem deutschen Weltmarktführer für Prothesen und Hightech-Medizinprodukte aus Duderstadt stand vor einigen Jahren bereits ein Börsengang im Raum, nachdem Firmenpatriarch Hans Georg Näder einen Anteil von 20 Prozent an den schwedischen Finanzinvestor EQT verkauft hatte. Nach einem IPO hätte der Investor seinen Anteil an der Börse platzieren können. Stattdessen kaufte Näder die Anteile 2023 aber wieder zurück. Der Deal wurde seinerzeit mit 1,1 Milliarden Euro beziffert. Aktuell befindet sich das Unternehmen vollständig im Besitz einer Holding der Familie Näder.
In diesem Jahr hatten bereits mehrere Unternehmen in Deutschland ihre Börsenpläne aufgeschoben, darunter Autodoc und Brainlab. Begründet wurde dies offiziell meist mit einem schlechten Börsenumfeld, obwohl der Dax in den ersten sieben Monaten des Jahres fast 20 Prozent an Wert gewonnen hat. Es wurde vermutet, dass vielfach die Alteigentümer die gewünschten Bewertungen am Markt nicht durchsetzen konnten. Als weitere Börsenkandidaten in Frankfurt gelten der Pharmakonzern Stada, der Netzbetreiber Tennet Deutschland sowie die Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx. Sie betreibt unter anderem das Indexgeschäft, womit der Dax selbst an die Börse gehen würde.
Ottobock wuchs Kreitz zufolge in den vergangenen drei Jahren um jeweils elf Prozent und erreichte 2024 einen Umsatz von 1,6 Mrd. Euro. Die Gewinnmarge (Underlying EBITDA) betrug zuletzt 20 Prozent. "Der Konzern ist finanziell kerngesund", betonte Kreitz. "Das dynamische, innovationsgetriebene Wachstum der vergangenen Jahre sehen wir auch in diesem Jahr."
Als nach eigenen Angaben größter Anbieter der Branche will das Unternehmen den Markt durch Übernahmen weiter konsolidieren. "Das werden wir auch künftig machen, und dafür haben wir alle benötigten Mittel in der Hand", kündigte der Finanzchef an.
Gelassener Blick auf US-Zölle
Ottobock investiert stark in neue Technologien zur Unterstützung menschlicher Mobilität. "Unser Unternehmen steht dafür, die Mobilität von Menschen wieder herzustellen", betont Kreitz. "Wir wachsen vor allem durch Innovation und auch die alternde Gesellschaft hat einen Einfluss auf unser Wachstum."
Zu den innovativen Produkten des 1919 in Berlin von Otto Bock gegründeten Unternehmens zählen etwa mikroprozessorgesteuerte Prothesen, Neuroorthesen oder digitale Versorgungslösungen. Besonders weitreichend sind Pläne zur neuronalen Steuerung von Prothesen, bei der Muskelbewegungen und Nervenimpulse über eine Kombination aus Sensoren und minimalinvasiver Implantat-Technologie erfasst und interpretiert werden sollen. Erste Anwendungen erwartet das Unternehmen bis Mitte der 2030er-Jahre.
Die Einfuhrzölle der USA für Waren aus der Europäischen Union betrachtet Kreitz mit einer gewissen Gelassenheit. "Die USA sind für uns ein wichtiger Markt, aber mit Blick auf den Gesamtumsatz besitzt Westeuropa ein Übergewicht", betont er. Außerdem habe sein Unternehmen in den USA eigene Fertigungsstätten. "Wir haben uns die Lieferketten noch einmal genau angeschaut und optimiert."
Dieser Text erschien zuerst auf capital.de.
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