Auch gut eine Woche nach dem vorzeitigen Rauswurf von Bahnchef Richard Lutz ist der Spitzenposten beim Staatskonzern weiter unbesetzt. An Bewerbern mangelt es laut Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) angeblich trotz der Probleme der Deutschen Bahn (DB) nicht. „Ich habe den Eindruck, es gibt ausreichend Interessenten dafür, und unsere Aufgabe ist es, unter denen, die zur Verfügung stehen, die Beste, den Besten aus unserer Sicht auszuwählen“, sagt der CDU-Politiker. Doch längst nicht jeder erfolgreiche Manager eines Mobilitätskonzerns steht zur Verfügung.
Flix-Chef und -Mitgründer André Schwämmlein ist jedenfalls nicht interessiert. Ist er schon angefragt worden? „Nein – und ich würde es auch nicht machen“, sagt Schwämmlein WELT AM SONNTAG. Kein Wunder, denn die Aufgabe als neuer Bahnchef dürfte trotz der zusätzlichen Milliarden für die Sanierung der Infrastruktur ein Schleudersitz werden. Schwämmlein arbeitet zudem lieber daran, Flix weiter zum ernsthaften Wettbewerber für die Deutsche Bahn auszubauen. Bislang hält sich die Konkurrenz im Personenfernverkehr auf der Schiene in Grenzen. Die DB hat einen Marktanteil von etwa 95 Prozent.
Doch Flixtrain, die Zugtochter des Münchner Mobilitätsunternehmens, das vor allem mit Fernbussen bekannt geworden ist, beabsichtigt, die Monopolstellung der DB aufzubrechen. Im Mai kündigte das Unternehmen an, bis zu 65 neue Hochgeschwindigkeitszüge für 2,4 Milliarden Euro zu ordern. Flixtrain würde damit zum Betreiber von Europas größter privater Zugflotte heranwachsen, sagt Schwämmlein.
Markthürden sind in Deutschland hoch
Mit den neuen Zügen geht Flixtrain ein Risiko ein. „Im Schienenfernverkehr sind die Markteintrittshürden generell sehr hoch“, sagt Mobilitätsforscher Andreas Knie. Durch die hohen Trassenpreise, die als Nutzungsgebühr für die Schieneninfrastruktur anfallen, und die Übermacht der DB sei es besonders schwer, als Wettbewerber Fuß zu fassen.
Schwämmlein will trotzdem versuchen, eine echte Alternative zur Deutschen Bahn anzubieten und kein Nischenangebot bleiben. Die Nachfrage sei da, sagt der Flix-Chef. Über die Jahre habe sich Flixtrain bessere Plätze in den Fahrplänen erarbeiten können. Doch: „Wir werden nicht in jeder Hinsicht völlig fair behandelt“, kritisiert Schwämmlein.
So bekämen auf einigen Strecken DB-Züge etwas kürzere Fahrzeiten zugewiesen als die von Flix, behauptet er. Die Trassen werden durch die Bahntochter DB InfraGo vergeben. Man begrüße „den Wettbewerb mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen ganz im Sinne der notwendigen Verkehrsverlagerung auf die Schiene“ und stelle sich diesem, sagte ein DB-Sprecher.
„Wir werden immer günstiger sein als die Staatsbahn“
In Deutschland will Flixtrain den Takt erhöhen und neue Städte anfahren. Zwar ist das Netz aufgrund der vielen Baustellen jetzt schon überlastet, doch für die Konkurrenz müsse trotzdem Platz sein, sagt Schwämmlein: „Wir reden über 65 Züge. Zum Vergleich: Die DB fährt allein im Fernverkehr rund 400.“
Geschäftszahlen für die Zugsparte veröffentlicht Flix nicht, laut dem jüngsten vorliegenden Geschäftsbericht für 2023 verbuchte das Gesamtunternehmen noch einen Verlust von gut 66 Millionen Euro. Ziel sei in Zukunft ein profitables Zuggeschäft, so Schwämmlein.
Geht das bei Ticketpreisen ab fünf Euro überhaupt? Zuletzt hat das Unternehmen bereits eine Gebühr für weitere Gepäckstücke eingeführt. Schwämmlein verspricht: „Wir werden immer signifikant günstiger sein als die Staatsbahn, egal in welchem Land.“ Bei steigender Nachfrage werde man aber wohl auch im Durchschnitt höhere Preise verlangen.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Klemens Handke ist Wirtschaftsredakteur. Er berichtet über Verkehrspolitik und die Deutsche Bahn.
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