Der Wirtschaftswissenschaftler Fratzscher spricht sich für ein "verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner" aus. Der Vorschlag stieß sofort auf Widerspruch: Der Sozialverband Deutschland bezeichnete ihn als "respektlos".

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fordert einen "neuen Generationenvertrag". Der Ökonom regte gegenüber dem "Spiegel" an, dass künftig alle Rentnerinnen und Rentner zu einem sozialen Jahr verpflichtet werden.

"Wehrpflichtdiskussion verengt auf junge Generation"

Die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich "stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung", sagte Fratzscher dem Magazin. Die Bundeswehr könne von den technischen Fähigkeiten vieler Rentner profitieren, sagte Fratzscher. "Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?"

Die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht verenge sich häufig auf die jungen Generationen, beklagte Fratzscher. Diese seien aber bereits stark durch steigende Sozialabgaben und die Folgen des Klimawandels belastet. "Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen", sagte Fratzscher.

"Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität" der Älteren?

Nötig sei die Verhandlung eines "neuen Generationenvertrags" für Deutschland, sagte der Ökonom. Fratzscher vertritt die Ansicht, dass junge Leute derzeit mancher ihrer Rechte beraubt würden. Der Generation der Älteren wirft er "zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität" vor.

Die "Babyboomer" hätten zudem viel zu wenige Kinder bekommen. "In den Sechzigerjahren versorgten sechs Beitragszahler eine Rentnerin oder einen Rentner", so Fratzscher. "Bald sind es nur noch zwei. Wieso sollten ausschließlich die Jungen für diese Lebensentscheidungen der Babyboomer geradestehen? Die Boomer selbst verweigern sich seit 20 Jahren dieser Verantwortung." Die Last für die junge Generation müsse tragfähig bleiben. 

Kritik - Vorstoß laut Verband "respektlos"

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisierte den Vorstoß scharf. "Die 'Lebensentscheidung', keine vier Kinder zu bekommen, erfolgte bei Millionen Menschen auch aus finanziellen Gründen", sagte SoVD-Chefin Michaela Engelmeier der Nachrichtenagentur dpa und verwies auf eine gestiegene Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit für beide Partner wegen steigender Kosten. "Ihnen nun daraus einen Strick zu drehen, dass man sich zur Strafe gefälligst im Rentenalter engagieren müsse, empfinden wir als respektlos", fügte Engelmeier hinzu.

Kritik kommt auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): "Ein Pflichtjahr für Rentner lehnen wir ab", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. "Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, hat seinen Ruhestand unbedingt verdient. Wir warnen davor, mit solchen Vorschlägen Generationen gegeneinander auszuspielen."

Vor einigen Wochen hatte bereits der Soziologe und Generationenforscher Klaus Hurrelmann einen sozialen Pflichtdienst für Senioren "am Ende ihres Arbeitslebens" gefordert. Gesellschaftliche Aufgaben wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit sollten von allen Generationen getragen werden.

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