Das Marinerüstungsunternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL) will in großem Stil in die Fertigung unbemannter Seeefahrzeuge einsteigen. Dazu gründet NVL ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Hersteller Kraken Technology Group. NVL ist bereits an Kraken Technology beteiligt und will seinen Anteil im vierten Quartal dieses Jahres erhöhen.

„Der Zusammenschluss der beiden hochspezialisierten maritimen Unternehmen zielt darauf ab, die weltweit gestiegene Nachfrage nach marktverfügbaren autonomen Plattformen unterschiedlicher Größe für den militärischen und zivilen Anwendungsbereich – wie etwa die Überwachung und den Schutz kritischer Infrastruktur – schnellstmöglich zu bedienen“, teilte NVL am Freitag mit. „Das deutsch-britische Joint Venture plant den schnellen Aufbau von Produktionskapazitäten für autonome Überwasserdrohnen am NVL-Standort Blohm+Voss in Hamburg. Als Ergänzung zu den bereits bestehenden Kapazitäten in England können somit sowohl der deutsche als auch der europäische Markt schneller ausgerüstet werden.“

Die beiden Unternehmen wollen „erheblich in den Aufbau des Joint-Ventures investieren“. Das gemeinsame Unternehmen starte zunächst „mit der Produktion kleinerer Einheiten, kann aber auch um größere unbemannte Boote erweitert werden. Die Produktion wird voraussichtlich im vierten Quartal 2025 starten.“

NVL, Teil der Bremer Lürssen-Gruppe, ist das wichtigste deutsche Unternehmen der Marinerüstung, neben TKMS, das bislang noch zu ThyssenKrupp gehört. NVL baut – meist in Kooperation mit TKMS – Fregatten und Korvetten und fertigt auch Tanker sowie kleinere Marineschiffe, etwa Flottendienstboote mit Aufklärungstechnologie, Minensuch- oder Patrouillenboote. NVL betreibt mehrere Werften an den deutschen Küsten. Die Hamburger Werft Blohm+Voss ist das Endmontagezentrum von NVL für den Bau von Korvetten und Fregatten.

„Das Joint Venture mit Kraken bietet uns die Möglichkeit, kurzfristig auf die aktuellen Anforderungen unserer Kunden zu reagieren und marktverfügbare autonome Systeme schnell und in hoher Stückzahl bereitzustellen“, sagt Tim Wagner, Geschäftsführer von NVL. „Gleichzeitig bauen wir mit diesem Schritt unsere Vorreiterrolle in der Entwicklung vom Manned/Unmanned-Teaming (MUM-T)-Konzepten aus und schaffen eine wesentliche Voraussetzung dafür, weitere innovative Lösungen auf diesem Gebiet auf den Weg zu bringen. Hierzu gehört zum Beispiel auch unser Designentwurf für das Drohnenmutterschiff NTV130 als Nachfolger der sechs Tender der ,Elbe‘-Klasse der Deutschen Marine.“

Die Kraken Technology Group war 2020 gegründet worden, um unbemannte Systeme für den Einsatz über und unter Wasser herzustellen. „Die Zusammenarbeit mit NVL ermöglicht eine exponentielle Skalierung von Produktion und Lieferkette. So können wir den wachsenden Bedrohungen auf unseren Meeren durch den Einsatz zahlreicher leistungsstarker und multifunktionaler Plattformen begegnen“, sagt Mal Crease, CEO der Kraken Technology Group. „Die Möglichkeit, das Know-how von NVL nutzen zu dürfen, gemeinsam weiterzuentwickeln und es für den Einsatz auf kleineren, unbemannten Plattformen umzufunktionieren, wird zum entscheidenden und dringend benötigten Wandel in der europäischen maritimen Verteidigungsindustrie beitragen.“

Mit dem Einstieg in die Herstellung unbemannter Wasserfahrzeuge folgt NVL einem Trend, der durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in den vergangenen Jahren noch deutlich verstärkt wurde. Die Deutsche Marine etwa setzt in ihrem „Zielbild“ für die Entwicklung der Flotte bis zum Jahr 2035 dezidiert auch auf Drohnensysteme zum Einsatz auf dem und unter Wasser sowie in der Luft. Im Krieg zwischen der Ukraine und Russland auf dem Schwarzen Meer spielen Seedrohnen – vor allem auf ukrainischer Seite – bereits eine wichtige Rolle. Hersteller unbemannter Waffensysteme wie etwa das Unternehmen Helsing in München steigen neuerdings auch in die Fertigung von Marinedrohnen ein.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als 30 Jahren auch über die Marinerüstung.

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