Wer als Berufseinsteiger auf Jobsuche geht, hat es zunehmend schwer. Eine Studie sieht vor allem KI als Grund. Zu welchen Qualifikationen Experten jetzt raten.

Immer mehr Menschen und Unternehmen nutzen KI-Tools wie ChatGPT – mit spürbaren Folgen für den Arbeitsmarkt: Berufsanfänger haben es bei der Jobsuche im Tech-Sektor inzwischen erheblich schwerer als erfahrene Fachkräfte, wie eine neue Analyse der Jobplattform Indeed zeigt.

Demnach sank die Zahl der Junior-Stellen im US-Tech-Sektor zwischen 2020 und 2025 um 34 Prozent, während Positionen für Fachkräfte mit mehr als fünf Jahren Erfahrung nur um 19 Prozent zurückgingen. In Deutschland ist der Unterschied noch deutlicher: In der Softwareentwicklung liegt das Minus bei den Einstiegsjobs bei 54 Prozent, bei Senior-Positionen nur bei 15 Prozent. 

Im Bereich IT-Infrastruktur und -Support sind Junior-Stellen sogar um mehr als 40 Prozent geschrumpft – während die Zahl der Senior-Positionen dort um 27 Prozent zunahm. Die Jobplattform sieht darin einen Zusammenhang mit dem Einsatz generativer KI-Tools wie ChatGPT und Perplexity. Diese übernehmen zunehmend einfache Aufgaben, die bislang vor allem von Berufseinsteigern erledigt wurden. 

KI im Beruf: IT-Studenten häufiger arbeitslos

Vor allem im Tech-Sektor zeigt sich damit eine Entwicklung, die der KI-Experte Georg Zöller, Leiter des Centre for AI Leadership in Singapur, bereits im Juli im Gespräch mit Capital skizzierte: Schon heute könne eine KI einen großen Teil des Softwarecodes schreiben. Programmierer würden dadurch nicht überflüssig, ihre Arbeit verschiebe sich jedoch stärker auf Architektur und das Verstehen komplexer Zusammenhänge.

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"Für Berufsanfänger sehe ich schwarz", sagte Zöller. Einfache Schreibarbeiten, die bislang oft Junior-Entwickler übernommen hätten, fielen zunehmend weg. "Genau dort sammeln junge Leute die Erfahrung, um später gute Senior-Entwickler zu werden. Wenn man ihnen diese Chance nimmt, sägt man langfristig den Ast ab, auf dem die Branche sitzt."

Daten aus den USA unterstreichen seine Sorge: Unter Hochschulabsolventen im Alter von 22 bis 27 Jahren haben Informatik- und Computertechnik-Absolventen derzeit mit 6,1 beziehungsweise 7,5 Prozent eine der höchsten Arbeitslosenquoten, so ein Bericht der Federal Reserve Bank of New York. Das ist mehr als doppelt so hoch wie bei Absolventen der Biologie oder Kunstgeschichte, wo die Quote nur bei drei Prozent liegt.

"Klassische Schul- und Uniabschlüsse sind künftig weniger wert"

Auch Annika von Mutius, Gründerin des Berliner KI-Start-ups Empion, sieht den Mehrwert von Einsteigerjobs in der Wirtschaft künftig als gering an. Zwar laufe der Einsatz von KI in vielen Branchen noch langsamer an als erwartet, sagte die promovierte Mathematikerin Capital. In Deutschland nutzen laut von Mutius im Schnitt nur 20 Prozent der Unternehmen KI-Anwendungen, in den USA dagegen 60 bis 70 Prozent.

KI-Expertin "Klassische Schul- und Uniabschlüsse sind künftig weniger wert"

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Doch langfristig würden Jobs, die vor allem auf reiner Wissensarbeit beruhen, zunehmend obsolet. "Damit werden auch klassische Schul- und Uniabschlüsse künftig weniger wert", glaubt von Mutius. Im Gegenzug werde der Austausch zwischen Theorie und Praxis wichtiger, etwa durch duale Studiengänge. Das Bildungssystem müsse sich darauf einstellen, Menschen gezielt für Tätigkeiten in einer KI-gesteuerten Arbeitswelt zu qualifizieren.

Besonders sogenannte Soft-Skills dürften in den kommenden Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen, wie Harald Fortmann, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen, dem Handelsblatt sagte. Neben KI-Kompetenz seien heute vor allem Neugier, Kommunikationsstärke, kontinuierliche Lernbereitschaft und emotionale Intelligenz gefragt. "Genau das unterscheidet Menschen vom Algorithmus."

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