Die bereits stark geschwächte Hisbollah-Miliz im Libanon soll ihre Waffen bis Ende dieses Jahres abgeben. Zu diesem Entschluss kam das Kabinett von Ministerpräsident Nauaf Salam am Dienstagabend. Es scheint aber ausgeschlossen, dass die schiitische Organisation den Beschluss und den Zeitplan akzeptieren wird. Meret Michel ist freie Reporterin, lebt in Beirut und schätzt die Situation ein.
SRF News: Warum will Libanons Regierung die Hisbollah gerade jetzt entwaffnen?
Meret Michel: Die Entwaffnung der Hisbollah war eine der Bedingungen des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und dem Libanon. Die USA, die bislang die Vermittlerrolle zwischen den Ländern spielte, hat offenbar den Druck auf die libanesische Regierung erhöht, diese Entwaffnung voranzutreiben. Ansonsten würde sie sich aus ihrer Vermittlerrolle zurückziehen und könnte damit Israel auch nicht mehr zurückhalten, den Krieg abermals eskalieren zu lassen.
Die aktuelle Regierung ist die erste seit jener Zeit, die keine Mitglieder der Hisbollah mehr in ihren Reihen zählt.
Wie bemerkenswert ist es, dass die Regierung sich jetzt so klar gegen die Hisbollah stellt?
Das ist historisch. Das gab es in dieser Form seit Ende des Bürgerkriegs (1975–1990) noch nie. Damals war die Hisbollah die einzige Miliz, die ihre Waffen behalten durfte. Das machte sie schon damals zu einem der einflussreichsten Player in der libanesischen Politik. Ab 2008 hatte die Hisbollah zusammen mit ihren Verbündeten auch garantiert immer einen Drittel der Sitze der Regierung, was ihnen faktisch ein Vetorecht gab.
Die aktuelle Regierung, die Anfang dieses Jahres ins Amt gekommen ist, ist die erste seit jener Zeit, die keine Mitglieder der Hisbollah mehr in ihren Reihen zählt. Die Hisbollah ist diesem Krieg so geschwächt wie noch nie zuvor.
Die Regierung will die Entwaffnung der Hisbollah bis Ende Jahr durchsetzen, einen Plan dafür gibt es aber noch nicht. Gibt es einen realistischen Weg, dass die Hisbollah tatsächlich ihre Waffen abgibt?
Der Anführer der Hisbollah, Naim Kassem, hat in seiner Rede am selben Tag des Regierungsentscheides klargemacht, dass die Miliz ihre Waffen nicht einfach abgeben wird. Die Hisbollah hat nun nochmal in einer Mitteilung heute Mittwoch bestätigt, dass sie diesen Entscheid der Regierung für falsch hält und ihn schlicht ignorieren wird. Wahrscheinlich wird es nicht darauf hinauslaufen, dass die Hisbollah also einfach ihre Waffen abgibt.
Es ist völlig klar, dass eine Entwaffnung dieser Miliz nicht ohne bewaffnete Kämpfe zwischen der Armee und der Hisbollah geschehen wird. Wie das dann aussehen könnte und wohin das führen würde, das ist im Moment schwierig zu sagen.
Wie stark ist die Hisbollah noch?
Der Pager-Angriff wie auch die ersten zwei Wochen des Krieges, als eine Führungsfigur der Hisbollah nach der anderen von Israel umgebracht wurde, haben gezeigt, dass die vermeintliche Schlagkraft der Hisbollah in sich zusammengefallen ist und vielleicht auch schon zuvor eine Illusion war.
Die Hisbollah ist auch innerhalb des Libanons so schwach, wie sie es noch nie war in ihrer Geschichte. Wie es nun militärisch weitergeht, wird sich zeigen.
Erwarten Sie Gewalt?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Entwaffnung nicht friedlich verlaufen wird, weil die Hisbollah schon angekündigt hat, dass sie ihre Waffen nicht abgeben wird. Auf der anderen Seite ist der Druck auf die libanesische Regierung, genau diesen Schritt zu tun, sehr gross. Das wird fast zwangsläufig mit Gewalt geschehen müssen.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.
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