Es ist das ehrgeizigste Infrastruktur- und Strategieprojekt des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, einige sagen auch, es sei eines der ambitioniertesten Bauprojekte weltweit: der «Kanal Istanbul».
Es handelt sich um einen künstlichen Kanal, der sich mitten durch die 16-Millionen-Metropole Istanbul schlängeln und das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbinden soll. Die Grundidee ist, den Schiffsverkehr am nur wenige Kilometer entfernten Bosporus zu entlasten. Jährlich passieren mehr als 40'000 Schiffe diese Meerenge. Erdogans Ziel ist es unter anderem, durch den Bau des künstlichen Kanals die Rolle der Türkei auf den regionalen und internationalen Seerouten zu stärken.
Kritische Stimmen am «Kanal Istanbul» (mit deutschen Untertiteln)
Die Gegner, an deren Spitze der seit März inhaftierte Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu steht, kritisieren das Projekt scharf. Dabei gibt es vier Hauptkritikpunkte:
- Wirtschaftsabsichten: Es gehe mit dem «Kanal Istanbul» und den geschätzten Investitionen zwischen 15 und 25 Milliarden Dollar nur darum, ausschliesslich ausländisches Kapital anzuziehen, um die finanziellen Schwierigkeiten der Türkei zu lindern, sagt Tuba Eldem, Professorin und Dozentin für Politikwissenschaften an der Fenerbahçe Universität gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). In der Türkei sehe man beispielsweise keinerlei Werbung für den Kanal, sehr wohl aber in arabischen Ländern und den Golfstaaten.
- Umweltrisiken: Aus ökologischer Sicht würde der Kanal die Wasserversorgung der Stadt gefährden. Er würde wichtige Süsswasserbecken durchqueren, insbesondere das Sazlidere-Becken, das, wenn es in Brack- oder Meerwasser umgewandelt würde, als Trinkwasserquelle unbrauchbar würde. Auch die Biodiversität der Region würde leiden.
- Erdbebenrisiko: Das Projekt ist in einem Gebiet geplant, das von zahlreichen Verwerfungen durchzogen ist. Über die Folgen für geplante Siedlungen entlang des Kanals ist man sich uneinig. So kommt eine Umweltverträglichkeitsprüfung (CED) des türkischen Ministeriums für Umwelt und Städtebau laut einem Bericht der «Deutschen Welle» zum Schluss, dass keine Erdbebengefahr bestehe. Haluk Eyidogan, Professor für Geophysik an der Technischen Universität in Istanbul, widerspricht dieser Behauptung gemäss der «Deutschen Welle» entschlossen. Die zentrale Marmaraverwerfung sei nur rund zwölf Kilometer vom geplanten Kanal entfernt. Das Erdbebenrisiko für die Menschen in den geplanten Siedlungen werde sich erheblich erhöhen.
- Geopolitik: Der Bau eines künstlichen Kanals könnte das geopolitische Gleichgewicht gefährden, das durch den Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936 geregelt wird, der den Schiffsverkehr durch die sogenannten «türkischen Meerengen», also den Bosporus und die Dardanellen, regelt.
Laut der Analyse von Professorin Tuba Eldem machen all diese Punkte eine kurzfristige Umsetzung des Projekts unwahrscheinlich.
Die mit dem Kanal verbundenen Arbeiten laufen jedoch bereits seit 2021, und einige spüren bereits die Folgen. Es handelt sich um kleine, lokale Gemeinschaften von Landwirten und Viehzüchtern. Sie sagen, dass die Viehzucht zerstört worden und die Landwirtschaft im Gebiet am Ende sei. Junge Menschen müssten sich woanders Arbeit suchen. Viele haben Angst, enteignet zu werden auf Kosten von Menschen, die sich in den neuen Siedlungen Wohnungen leisten könnten.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke