Das BIP ist in den vergangenen beiden Jahren stärker geschrumpft als gedacht. Im Zuge der Schätzung für das zweite Quartal hat das Statistische Bundesamt seine Daten seit 2021 revidiert - mit Folgen.
Die Rezession in Deutschland ist in den vergangenen beiden Jahren deutlich stärker ausgefallen als bislang angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2023 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent gesunken, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zu seinen revidierten Daten mitteilte. Bislang war nur von einem Minus von 0,3 Prozent die Rede. 2024 schrumpfte Europas größte Volkswirtschaft ebenfalls stärker als bislang angenommen, und zwar um 0,5 und nicht um 0,2 Prozent.
"Das Statistische Bundesamt hat, wie zu diesem Termin üblich, die bisher veröffentlichten Ergebnisse ab 2021 überarbeitet und neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen der Ergebnisse einbezogen", erläuterte die Behörde. Dabei hätten sich für das preisbereinigte BIP in den jeweiligen Quartalen Änderungen der bisherigen Ergebnisse von minus 0,7 bis plus 0,6 Prozentpunkten ergeben.
Folgen für die Konjunkturprognosen
In den Jahren 2021 und 2022 wuchs das BIP indes kräftiger als bislang angenommen, hieß es von Destatis weiter. Für das stark von Aufholeffekten durch die Corona-Krise geprägte Jahr 2021 wurde das Ergebnis von 3,7 auf 3,9 Prozent angehoben, für 2022 von 1,4 auf 1,8 Prozent. "Die Statistiker haben die zurückliegenden Daten deutlich revidiert", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
"Erstaunlich sind weiterhin die massiven Revisionen der Vorquartale", fügte Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hinzu. Die deutliche Revision hat auch Folgen für die Konjunkturprognosen für das laufende Jahr. So weisen die revidierten Daten für das vierte Quartal 2024 nicht mehr ein Minus von 0,2 Prozent aus, sondern ein Plus von 0,2 Prozent. Für das erste Quartal 2025 wurde das bisherige Wachstum von 0,4 auf 0,3 Prozent nach unten revidiert.
"In der Summe verbessert sich die Ausgangsbasis für die 2025er-Prognose leicht, und zwar um 0,1 Prozentpunkte", sagte Krämer zu dem von Fachleuten sogenannten statistischen Überhang. "Nach den umfangreichen Revisionen zeigt das Bruttoinlandsprodukt seit dem letzten Herbst in der Grundtendenz nach oben." Nach einem leichten Wachstum zu Jahresbeginn von 0,3 Prozent sank das BIP im zweiten Quartal um 0,1 Prozent.
Deutschland droht dritte Rezession in Folge
Auch deshalb rechnen die meisten Experten für 2025 bestenfalls mit einem leichten Wachstum. Einige Fachleute prognostizieren im Zuge des Zollabkommens zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA sogar ein drittes Rezessionsjahr in Folge. "Ein Deal mag die Unsicherheit für Unternehmen leicht senken - doch US-Zölle von 15 Prozent schaden der deutschen Wirtschaft", mahnte etwa die Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, Lisandra Flach.
"Die deutsche Wirtschaft hat nach starkem Jahresauftakt leicht an Tempo verloren, der Aufschwung ist damit aber nicht abgeblasen", zeigte sich dagegen die Konjunkturchefin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Geraldine Dany-Knedlik, optimistisch. Produktion und Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe entwickelten sich positiv. Die Einigung im Zollstreit sorge für mehr Planungssicherheit. Einen "entscheidenden Beitrag" zu einem stärkeren Aufschwung würden die geplanten staatlichen Investitionen leisten.
Auch der Chefvolkswirt der Förderbank KfW, Dirk Schumacher, verwies auf das "stetige Aufhellen der Unternehmensstimmung". Das spreche für ein moderates Wachstum in der zweiten Jahreshälfte. Das Ergebnis der jüngsten Zollverhandlungen werde die Konjunkturerholung in Deutschland nicht abwürgen, meinte auch der Konjunkturexperte des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Thomas Theobald.
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