Die Lücke in der mittelfristigen Finanzplanung der schwarz-roten Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) wird immer größer: Innerhalb von fünf Wochen ist der sogenannte Handlungsbedarf für die Jahre 2027 bis 2029 um weitere 28 Milliarden Euro auf nun 172 Milliarden Euro gestiegen. Um diesen Betrag übersteigen die geplanten Ausgaben die Einnahmen durch Steuern und zusätzliche Schulden. Allein im Jahr 2027 vergrößerte sich die Lücke von 22 Milliarden Euro auf 34,3 Milliarden Euro, wie aktualisierte Zahlen des Bundesfinanzministeriums zeigen.

Die Lücke hat sich vergrößert, obwohl auch die geplante Neuverschuldung bis 2029 noch einmal leicht von 846,9 Milliarden Euro auf 851 Milliarden Euro gestiegen ist. In der Planung gibt es also eine größere Lücke trotz einer noch einmal höheren Neuverschuldung. Die Bundesregierung will die Hälfte jener Schulden noch einmal draufpacken, die alle Vorgängerregierungen zusammen bislang gemacht haben.

Als Gründe für die Ausweitung der Lücke, die es in den kommenden Jahren zu schließen gilt, verweist man im Bundesfinanzministerium zum einen auf Mindereinnahmen des Bundes, weil er die erwarteten Steuerausfälle von Ländern und Kommunen im Rahmen der Wachstumsinitiative ausgleichen wird. Zudem wird die Aufstockung der Mütterrente um ein Jahr von 2028 auf 2027 nach vorn gezogen.

Ausgaben für Schuldendienst verdoppeln sich bis 2029

Der dritte wichtige Zusatzposten, der vom Ministerium von Lars Klingbeil (SPD) genannt wird, sind noch einmal deutlich höhere Zinsausgaben. Die Finanzagentur, der Schuldenmanager des Bundes, hat ihre Erwartungen für die Kosten des Schuldendienstes für die Jahre 2026 bis 2029 um weitere neun Milliarden Euro nach oben gesetzt – von 30,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr geht es schrittweise bis auf 66,5 Milliarden Euro im Jahr 2029 nach oben. Das ist also mehr als eine Verdoppelung.

Gleichzeitig gibt es über geringe Kürzungen beim Personal und der Entwicklungshilfe hinaus noch keine konkrete Sparankündigung – etwa bei Subventionen oder den sozialen Sicherungssystemen. Die bisherigen Ansätze reichen nicht einmal dafür aus, um den Anstieg bei den Zinsausgaben in den kommenden Jahren auszugleichen.

Klingbeil und seine Beamten sind sich durchaus darüber im Klaren, dass angesichts der Lücke schon die Haushaltsaufstellung für das Jahr 2027 zu einem Kraftakt wird. „Wir müssen zu einem Kulturwechsel in allen Ressorts kommen“, lautet der Appell aus dem Ministerium. In den kommenden Monaten werde es zu einer „umfassenden Ausgabenkritik“ kommen müssen. Dabei würden auch die Ergebnisse verschiedener Kommissionen und Arbeitsgruppen – insbesondere zu Sozialversicherungen – eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts spielen.

„Zur Auflösung der Handlungsbedarfe benötigt es Wachstum, aber auch vielfältige Einzelmaßnahmen“, heißt es vage. Alle Ressorts müssten konkrete Potenziale in „eigener Zuständigkeit identifizieren und Prioritäten setzen“. Der Auftrag ist ergangen, erste Sparergebnisse zeigen sich in den aktualisierten Zahlen zur Finanzplanung nicht – im Gegenteil. Es müsse zudem verstärkt darauf geachtet werden, dass die Mittel effizienter eingesetzt werden. Wie genau dies umgesetzt werden soll, ist ebenfalls unsicher.

Die größte Hoffnung der Regierung ist denn auch das angesprochene stärkere Wachstum. Nach der Einigung im Zoll-Streit mit den Vereinigten Staaten setzt man hier auf eine Verbesserung der Stimmung in der Wirtschaft und damit nachhaltig bessere Prognosen in den kommenden Wochen – um möglichst nach der Steuerschätzung im Oktober bereits für den Bundeshaushalt 2026 mit höheren Einnahmen kalkulieren zu können.

Finanzminister Klingbeil wird am Mittwoch Details zum Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2026 vorstellen. Dabei wird er um Antworten auf die Frage nach Sparpotenzialen mit Blick auf die 34-Milliarden-Euro-Lücke in den Planungen für 2027 nicht umhinkommen.

2027 klingt noch weit weg. Doch angesichts der erwarteten politischen Widerstände, sobald diese Regierung tatsächlich sparen muss, müsste die Diskussion darüber im Herbst beginnen. Der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Christian Haase, hat von Klingbeil bereits eine umfassende Sparliste bis nach der Sommerpause gefordert.

Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.

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