Die EU und die USA haben sich nach harten Verhandlungen auf einen Deal zur Entschärfung des Zollkonflikts geeinigt. Statt 30 Prozent auf alles, wie zwischenzeitlich angedroht, haben sich die beiden Parteien auf ein vorläufiges Handelsabkommen verständigt, das Importzölle in Höhe von 15 Prozent auf die meisten EU-Waren vorsieht. Einschließlich Autos.
Gegenüber den zwischenzeitlich angedrohten 30 Prozent wirkt der Deal wie ein Verhandlungserfolg. Zuvor lag der durchschnittliche Zollsatz für europäische Waren in den USA bei rund zwei Prozent. Die höheren Zölle dürften viele Unternehmen daher schwer belasten. Die Reaktionen aus der Wirtschaft auf die vorläufige Einigung fallen unterschiedlich aus.
Autoindustrie: „Wichtige Erleichterung im Vergleich zum Status quo“
Der Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie, Wolfgang Niedermark, bezeichnete das Übereinkommen als „unzureichenden Kompromiss“. Es sende „ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks.“
Verhaltener, wenn auch nicht sonderlich glücklich, äußerte sich der Verband der Automobilindustrie. Die Branche war im Zollstreit besonders unter Druck geraten. Schon seit April war sie von Zollsätzen in Höhe von insgesamt 27,5 Prozent auf Importe aus der EU in die USA betroffen. Für einige der Unternehmen spürten das bereits jetzt: VW etwa kosteten die Einfuhrzölle im zweiten Quartal 1,2 Milliarden Euro.
Eine Absenkung auf 15 Prozent klingt also wie ein Sieg, doch die Reaktionen sind verhalten. Es sei „grundsätzlich gut“, dass man eine Rahmenvereinbarung verkündet und „damit eine weitere Eskalation des Handelsstreits abwenden konnte“, erklärte die Chefin des deutschen Autoverbands VDA, Hildegard Müller. Es sei nun entscheidend, wie die Vereinbarung ausgestaltet werde und wie verlässlich sie sei. Müller warnt aber auch: „Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation.“
Etwas versöhnlicher sind die Töne von Mercedes-Benz. Der Hersteller, der eigene Werke in den USA betreibt und auch von dort in die EU-liefert, hatte auf eine Kontingent-Lösung gehofft, bei der Importe aus und Exporte nach Europa verrechnet werden. Mercedes betreibt bereits eine große Produktion in den USA – wird von Zöllen aufgrund des höheren Fahrzeugwerts als bei Volumenherstellern aber überproportional getroffen.
Nun begrüßt Mercedes den reduzierten Importzoll auf WELT-Anfrage als eine „wichtige Erleichterung“ für die deutsche Automobilindustrie „im Vergleich zum Status Quo.“ Es sei „ein erster bedeutender Schritt, dem weitere folgen müssen“ – und mahnt eine zügige Umsetzung der Einigung an. Leichte Kritik klingt allerdings auch durch. Die Politik müsse weiter daran arbeiten, Handelsbarrieren abzubauen und wirbt für freien und fairen Handel, bei dem „alle Beteiligten die gleichen Bedingungen vorfinden“. Importe von US-Waren in die EU werden nach dem vorläufigen Abkommen nicht besteuert.
„Die US-Kunden zahlen die Zölle“
Aus anderen Branchen ist mehr Erleichterung zu hören. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), ist die Erleichterung über die Zolleinigung deutlich anzuhören. So teilte Große Entrup mit, dass der VCI es begrüße, dass durch den Deal „die Gefahr eines Handelskriegs vorerst abgewendet“ sei. „Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar. Eine weitere Eskalation konnte vermieden werden“, so Große Entrup.
Doch der Deal birgt laut dem Hauptgeschäftsführer auch Schattenseiten für die chemische Industrie. „Die vereinbarten Zölle sind aus Sicht der Chemie zu hoch. Zugleich ist aber gut, dass noch höhere Zölle vermieden wurden.“, so Große Entrup. Europas Exporte würden durch die vereinbarten Zölle an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. „Die US-Kunden zahlen die Zölle“, so Große Entrup. Zugleich appellierte er an Brüssel, die Verhandlungen weiterzuführen.
Ähnlich äußert sich der weltgrößte Chemiekonzern BASF mit Sitz in Ludwigshafen: „Die jetzt als Zwischenschritt zu einer Verhandlungslösung vereinbarten Zölle zwischen der EU und den USA reduzieren die aktuelle Unsicherheit und geben Raum für Detailverhandlungen“, heißt es von BASF. Allerdings betont der Konzern, dass sich die Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks negativ auswirken würden.
Pharmabranche spricht von Rückschritt
In der Pharmabranche ist die Reaktion auf die neuen US-Strafzölle zurückhaltender als in der Chemie. So bezeichnet der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) den Zollsatz von 15 Prozent, der auch für Pharmaprodukte gilt, als einen „folgenreichen Rückschritt für die globale Gesundheitsversorgung und den Innovationsstandort Europa“. So rechnet der vfa damit, dass der neue Zollsatz zu erheblichen Mehrkosten für Hersteller führen dürfte. Zudem würden die Zölle die internationale Patientenversorgung gefährden.
„Dieser Deal bricht mit den Grundlagen des transatlantischen Handels. Er untergräbt die Regeln der Welthandelsorganisation und er beendet die Errungenschaft des freien Handels mit Medikamenten“, sagte vfa-Präsident Han Steutel. Zudem sieht der Branchenverband aufgrund der Zölle gravierende Probleme für den Standort. „Dieser Abschluss besiegelt nun Milliardenbelastungen für den Pharmastandort Deutschland. Das sind keine guten Nachrichten für Jobs und für Investitionen“, so Steutel.
Branchenriese Bayer wollte den Zoll-Deal zunächst nicht kommentieren. Der Pharmakonzern Merck teilte mit, dass es notwendig war, ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA zu schließen. „Unternehmen benötigen verlässliche Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie tätig sein können“, heißt es von Merck. Der Konzern würde nun die Auswirkungen des Abkommens auf sein Geschäft „sorgfältig“ prüfen.
Maschinenbauer: Deal dürfte US-Unternehmen schaden
Die mittelständisch geprägten Maschinenbauer hatten sich bereits vor der Einigung geäußert und darauf hingewiesen, dass viele Unternehmen der Branche bei einem Zollsatz von 30 Prozent nicht überlebensfähig seien. Nun ist der Ton grundsätzlich gemäßigter. Verbandspräsident Bertram Kawlath erklärte, dass es „gut und wichtig“ sei, dass man eine Einigung erzielt habe. Das gebe kurzfristige Planungssicherheit und wende einen „unkalkulierbaren Handelskrieg“ ab. Gerade die Unvorhersehbarkeit habe zuletzt zu Zurückhaltung geführt.
„Dennoch ist ein pauschaler Zollsatz von 15 Prozent für Maschinenimporte in die Vereinigten Staaten eine bedauerliche Entwicklung“, so Kawlath weiter, „die insbesondere die amerikanischen Hersteller belasten wird – also genau jene Akteure, die die Trump-Regierung eigentlich fördern möchte.“ Schließlich sei quasi jeder amerikanische Fertigungssektor auf europäische Maschinenimporte angewiesen – „und dies wird auch so bleiben, selbst wenn Maschinenbaufirmen aus Europa weiterhin in den USA investieren.“
Im Fokus stehen nach dem Zoll-Deal weiterhin die Stahl- und Aluminiumindustrie. Diese beiden Branchen sind bislang von der Grundsatzeinigung ausgeschlossen. Deutschland sieht daher wie auch andere EU-Länder weiteren Verhandlungsbedarf. „Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass zum Beispiel im Bereich Stahl und Aluminium, wo derzeit ja noch der Zollsatz auf 50 Prozent weiter bestehen bleiben soll, dass wir da Bedarf sehen, da weiterzuverhandeln“, sagt der deutsche Vize-Regierungssprecher Sebastian Hille. Die EU-Kommission habe sich da schon optimistisch geäußert. Dieser Bereich werde bei der anstehenden detaillierten Ausarbeitung der Vereinbarung besonderes Augenmerk erhalten.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit dem Schwerpunkt Gesundheit.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
Steffen Bosse ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie und der Beratungsbranche.
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