Die in den deutschen Meeresgebieten installierte Leistung der Offshore-Windenergie wächst weiter. Zum Stichtag 30. Juni waren 1639 Windturbinen mit insgesamt 9200 Megawatt – 9,2 Gigawatt – Leistung am Netz. Das hat das Beratungsunternehmen Deutsche WindGuard im Auftrag der Branchenverbände und -organisationen der deutschen Offshore-Windenergie ermittelt.
Das politische Ziel – formuliert noch von der Ampelkoalition – sieht einen Ausbau der Offshore-Windkraft auf 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030 vor, auf 40 Gigawatt bis 2035 und auf 70 Gigawatt bis 2045. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist wegen vieler bestehender Engpässe völlig offen, aber auch wegen des veralteten Regelwerks bei den Ausschreibungen für neue Offshore-Windparks.
Der derzeit größte deutsche Offshore-Windpark, das Meereskraftwerk Borkum Riffgrund 3 des dänischen Betreibers Ørsted mit 959 Megawatt Leistung, kann wegen der verspäteten Lieferung des Konverters erst 2026 ans Netz gehen und Strom liefern. Ørsted hatte den Windpark bereits Anfang 2025 fertiggestellt. Der Konverter wurde in Singapur gebaut und in Norwegen endausgerüstet. Politik und Unternehmen ringen derzeit darum, bei der Meyer Werft in Papenburg und bei deren Tochterunternehmen Neptun in Rostock eine eigene Koverterfertigung aufzubauen.
Aktuell werden in den deutschen Seegebieten weitere Offshore-Windparks mit 1,9 Gigawatt Leistung gebaut, Anlagen mit insgesamt 3,6 Gigawatt Leistung haben eine finale Investitionsentscheidung erhalten, und Windparks mit 17,5 Gigawatt wurden in öffentlichen Ausschreibungen bezuschlagt.
Von der neuen Bundesregierung aus Union und SPD fordert die Offshore-Windkraft-Branche vor allem auch ein vereinfachtes Ausschreibungssystem. „Bis zu 30 Prozent Kostensenkungspotenzial sind durch eine Reform des Ausschreibungsdesigns möglich. Offshore-Wind kann so einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Stromkosten in Deutschland spürbar zu senken – für Haushalte ebenso wie für die Industrie“, sagt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore (BWO). „Die aktuellen Ausschreibungsregeln stammen großteils aus dem Jahr 2021. Seither haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert, ohne dass es die notwendigen Anpassungen gab. Die Auktionen in diesem Jahr belegen: Das Investoreninteresse nimmt ab, und die Gebotssummen sind im Vergleich zu den Vorjahren um über 90 Prozent eingebrochen. Grund dafür sind Vorgaben wie pauschales Overplanting, starre Realisierungsfristen und fehlende Absicherungsmechanismen.“
Im zurückliegenden Jahrzehnt hatte Deutschland die weltweit am stärksten ausgebaute Offshore-Windkraft-Industrie an den Küsten von Nord- und Ostsee. Die meisten dieser Unternehmen wanderten nach dem von der damaligen Regierung aus Union und SPD beschlossenen Verlangsamung des Offshore-Ausbaus wieder ab, vor allem auch die Produktion von Konvertern. Heutzutage werden diese Großanlagen für die Landanschlüsse der deutschen Offshore-Windparks in der Nordsee vor allem auf der Dragados-Werft in Spanien gebaut. Die Meyer Werft arbeitet derzeit bereits als Subunternehmer für Dragados.
Zwar wurde der Ausbaupfad der Vorgängerregierung im aktuellen Koalitionsvertrag bekräftigt. Dennoch bleibt bislang unklar, welche Strategie und welches Tempo beim Ausbau der Offshore-Windkraft die neue Bundesregierung verfolgt – vor allem auch mit Blick auf die verschiedenen Engpässe wie Ausrüstungen, Flächen und Fachkräfte. „Die Offshore-Windenergie spielt für das Gelingen der Energiewende eine zentrale Rolle“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Branchenverbände. „Die Branche muss sich auf den Erhalt des Ausbauziels von 70 Gigawatt bis 2045 verlassen können. Dass dieses im Koalitionsvertrag bekräftigt wurde, ist ein wichtiges Zeichen.“
Zu den Engpässen beim Ausbau der Offshore-Windkraft zählt neben der Fertigung von Konvertern auch der Mangel an Schwerlastflächen. Deutschland besitzt bislang keinen eigenen Offshore-Basishafen für den Aufbau von Offshore-Windparks, der Transport der Komponenten wird in der Regel von den Häfen Eemshaven in den Niederlanden und Esbjerg in Dänemark aus organisiert. Lediglich in Cuxhaven werden nun – neben dem Offshore-Turbinenwerk von Siemens Gamesa – zusätzliche Schwerlastflächen in nennenswertem Umfang geschaffen. Für einen Ausbau der Offshore-Windkraft auf 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus fehlt es aus Sicht des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) aber weiterhin an geeigneten Hafenflächen in Deutschland selbst.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als 25 Jahren über die europäische Offshore-Windkraft-Branche.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke