Der Druck auf Israel, den Krieg im Gaza-Streifen zu beenden, wächst. In einer gemeinsamen Erklärung fordern 25 Staaten ein sofortiges Kriegsende. Ausserdem wird Israel für das System der Verteilung von Hilfsgütern kritisiert. Israel weist die Erklärung zurück. Sie habe keinen Bezug zur Realität und sende das falsche Signal an die Hamas.

Unterzeichnet wurde der Brief auch von Aussenminister Ignazio Cassis. Was für einen Nutzen diese Erklärung hat, erklärt Völkerrechtsprofessorin Janina Dill.

SRF News: Was ist der Nutzen dieser Erklärung?

Janina Dill: Politisch hat sie Symbolkraft, vor allem, wenn sich Staaten, die sich als Alliierte und Freunde Israels begreifen, zusammenschliessen, um sich öffentlich zu äussern. Rechtlich hat dieses Schreiben zwei ganz klare Schwächen: Zum einen diagnostiziert es nicht klar, dass Israel jetzt schon das Völkerrecht bricht. Es zeichnet vor, dass erst wenn Israel zum Beispiel die Vertreibungspläne umsetzt, Völkerrecht brechen würde. Das ist etwas anderes, als zu sagen, wie die Faktenlage jetzt ist. Es liegt schon ein Völkerrechtsbruch vor.

Als Reaktion auf die gravierenden und systematischen Völkerrechtsverstösse Israels in Gaza ist es aus rechtlicher Sicht nicht genügend.

Die zweite Schwäche ist, dass nicht mit konkreten Konsequenzen gedroht wird, wenn Israel Völkerrecht bricht. Hier könnte man sich vorstellen, dass die Ankündigung eines Rüstungsgüter-Exportstopps oder auch Sanktionen gegen Entscheidungsträger angebracht wären.

Diese Erklärung hat also in erster Linie symbolischen Charakter?

Es ist erstmal politisch – und auch politisch wichtig. Aber als Reaktion auf die gravierenden und systematischen Völkerrechtsverstösse Israels in Gaza ist es aus rechtlicher Sicht nicht genügend.

Die meisten europäischen Staaten bleiben weit hinter dem zurück, was sie machen könnten, um auf Israel Druck auszuüben.

Was müsste geschehen, damit in diesem Konflikt tatsächlich etwas passiert? Sie haben zum Beispiel ein Rüstungsgüter-Embargo angesprochen.

Israel verletzt seit Monaten das humanitäre Völkerrecht in Gaza. Es sind inzwischen erdrückende Beweise, auch dafür, dass Kriegsverbrechen begangen werden, eventuell sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Was ein Staat an Einflussmöglichkeiten hat, hängt von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu Israel ab. Verschiedene Staaten haben verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten zur Einflussnahme. Das hängt von den bilateralen Beziehungen ab. Aber die meisten europäischen Staaten bleiben weit hinter dem zurück, was sie machen könnten, um auf Israel Druck auszuüben.

Legende: Die israelische Armee kündigte jüngst eine neue Offensive im Zentrum des Gazastreifens an. (Bild von Deir al-Balah, 21.07.25) IMAGO / Anadolu Agency

Sie sagten, die Unterzeichnerstaaten, hätten eine Rechtsverletzung festgestellt. Was heisst das konkret?

Ich würde es abschwächen. Das Statement ist sehr vorsichtig formuliert. Es vermeidet zu diagnostizieren, dass Israels momentane Handlungen systematisch das Völkerrecht verletzen. Trotzdem müssten Drittstaaten davon inzwischen Kenntnis haben. Zu diesem Kenntnisstand tragen zum Beispiel auch die einstweiligen Verfügungen des Internationalen Gerichtshofs und die erlassenen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs bei. Es gibt inzwischen eine erdrückende Beweislast, dass systematisch Völkerrecht gebrochen wird. Wenn ein Staat von einem Völkerrechtsbruch Kenntnis hat und ihn weiter materiell positiv begünstigt, kann er sich mitschuldig machen – nach dem Recht der Staaten­ver­antwortlich­keit. Es ist relativ weit gefasst. Es gibt auch Vorschriften, die Staaten bezüglich des Kriegsrechts und des Völkermord-Präventionsgebots haben, die noch enger und konkreter gefasst sind; dass Staaten, wenn sie von schweren Völkerrechtsverstössen wissen, handeln müssen.

Das Gespräch führte Silvan Zemp.

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