Kanzler Merz verbreitet mit Blick auf die Wirtschaft viel Optimismus. Die Zahlen hinken der Stimmung aber hinterher. Bei einem Treffen mit Konzernlenkern im Kanzleramt soll es heute um konkrete Investitionen gehen.
Beim Tag der Industrie in Berlin trafen Politik und Wirtschaft im Juni schon einmal aufeinander. Mit dabei: Vanessa Bachofer, Geschäftsführerin des schwäbischen Automobilzulieferers Mack und Schneider. "Alle waren völlig optimistisch", erinnert sie sich. "Die neue Regierung hat sich als wirtschaftsfreundlich positioniert, und das hat einen kleinen Hoffnungsschimmer ausgelöst - auch bei uns im Unternehmen."
Psychologie und Hoffnung
Ein Hoffnungsschimmer, der nicht unbedeutend ist. Wirtschaft, heißt es, sei zu 50 Prozent Psychologie. Ob Unternehmen investieren oder nicht, hängt auch von ihren Erwartungen an die Zukunft ab. Das weiß auch Kanzler Friedrich Merz (CDU). Seine Botschaft seit Amtsantritt: Jetzt geht's bergauf. "Schauen Sie sich doch die Stimmung im Land einmal an, Frau Maischberger", so der Kanzler in der gleichnamigen ARD-Sendung. Er sei überrascht, wie schnell sich die Stimmung zum Besseren gewendet habe. "Es ist viel Optimismus da", so Merz.
Aber auch Skepsis. Bei den Zahlen zeichne sich nämlich noch keine Trendwende ab, sagt die Mittelstandsunternehmerin Bachofer. Wenn überhaupt, werde sich das erst mittelfristig zeigen. "Ich sehe die Gefahr, dass wir uns da alle ein bisschen zu früh freuen und sich konkret gar nicht so viel tut."
Gefahr eines Strohfeuers
Konkret getan hat sich zumindest so viel: Die Bundesregierung hat das 500-Milliarden-Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur auf den Weg gebracht. Klares Signal: Ab jetzt fließt das Geld. Doch damit sei der Aufschwung noch nicht garantiert, sagt der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. "Es besteht wirklich die Gefahr, dass man sich darauf jetzt ausruht. Dass man in der Konjunktur einen Strohfeuereffekt erzielt. Dass wir aber nicht zu dauerhaft höherem Wachstum kommen, weil die Reformen fehlen, die das unterfüttern."
Reformen, die die Wirtschaft dringend braucht. Die Chemieindustrie versteht sich als Seismograf für die Wirtschaft. Vergangene Woche, bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz des Branchenverbands VCI, spricht Präsident Markus Steilemann von Insolvenzen, von Verlagerungen ins Ausland und einem Produktionsrückgang: "Energie, Arbeit, Rohstoffe, Bürokratie. Alles zu kostspielig. Die Steuerlast ist nicht konkurrenzfähig. Die Folge: Investitionen bleiben auf Eis."
Ifo-Chef Fuest spricht gar von einer Investitionskrise: "Wir sind derzeit etwa sieben, acht Prozent unter dem Niveau von 2019. Wir müssen eigentlich weit drüber liegen."
Treffen mit Symbolcharakter
Die Bundesregierung will das ändern, auch mit dem sogenannten Investitionsbooster. Unternehmen, die investieren, also etwa neue Produktionsanlagen kaufen, werden jetzt steuerlich entlastet. Große DAX-Konzerne wagen die Offensive, wollen in den kommenden Jahren Milliarden ausgeben - im Rahmen der Kampagne "Made for Germany". Mit dabei: Deutsche Bank und Siemens. Heute ist dazu ein Treffen im Kanzleramt geplant - ein Treffen mit Symbolcharakter.
Der Chef des Verbands "Der Mittelstand", Christoph Ahlhaus, mahnt, dabei die mittelständischen Unternehmen nicht aus den Augen zu verlieren: "Aber ich gehe davon aus, wenn hier die richtigen Investitionsentscheidungen getroffen werden können, mit Unterstützung der Politik, dass das dann auch Auswirkungen auf den Mittelstand haben wird."
"Dreht sich gerade die Stimmung?"
Auch aus dem Ausland will die Bundesregierung Investoren anlocken. Merz hatte dazu bereits vergangene Woche ins Kanzleramt geladen - Vertreter von Banken, Investmentfirmen und Vermögensverwaltern. Im Ausland ändere sich der Blick auf Deutschland, sagt VCI-Präsident Steilemann: "Die Investoren, mit denen ich spreche, blicken jetzt mit viel mehr Neugier auf Europa und fragen sich: Wäre jetzt nicht die Zeit, wieder in Europa zu investieren? Sind jetzt die Wachstumsimpulse gesetzt? Dreht sich jetzt gerade die Stimmung?"
Den Stimmungswechsel bei ausländischen Investoren hat auch Merz vernommen. In Deutschland selbst sieht er aber noch Potenzial - und machte bei seiner Sommer-Pressekonferenz deshalb selbst nochmal Stimmung: "Für uns ist das Glas so oft halb leer statt mal zu sagen, es ist halb voll. Ich würde sogar sagen, es ist dreiviertel voll, wir müssen nur jetzt den letzten Rest leisten, und ich bin ziemlich sicher, dass wir das auch packen mit der Koalition."
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