Vor wenigen Wochen gab das Vereinigte Königreich seine letzte Kolonie zurück: Die Chagos Inseln im Indischen Ozean. Ausgenommen ist die Hauptinsel Diego Garcia.
Dort errichteten Briten und Amerikaner in den 1970er-Jahren einen Stützpunkt für Bomber und Atom-U-Boote. Von dort wurden 2009 Angriffe auf den Irak und Afghanistan geflogen. Schlagzeilen machte die Insel kürzlich als möglicher Ausgangspunkt amerikanischer Bomber zur Zerstörung der iranischen Atomanlagen.
Bereits während des Zweiten Weltkriegs begannen die Amerikaner, das militärische Potenzial der Chagos-Inseln zu studieren. Sie erkannten schnell, dass dies der ideale Stützpunkt war, um den Indischen Ozean zu kontrollieren.
«Diego Garcia ist eine strategische Perle, wer sie hat, sitzt wie eine Spinne im Netz», sagt der mauritische Historiker und Journalist Henri Marimootoo.

Weniger ideal war aus Sicht der Militärstrategen, dass Chagos bewohnt war. Von Menschen, die einst als Sklaven aus Afrika dorthin gebracht wurden und während Jahrzehnten als billige Arbeitskräfte auf den Kokosplantagen eingesetzt wurden. Als Nachbarn einer geheimen Militärbasis waren sie jedoch eher lästig.
Briten machten kurzen Prozess
Die «Tarzane mit zweifelhafter Herkunft müssen umgesiedelt werden», notierte das britische Kolonialministerium 1971 in einem Memorandum. 1500 Chagossierinnen und Chagossier wurden darauf deportiert. Ihre Habseligkeiten mussten sie zurücklassen. Ihre Haustiere wurden getötet.

Die Räumung sei schrecklich gewesen, ebenso die 2000 Kilometer lange Überfahrt nach Mauritius, erzählt Ariste Elysée in Port Louis. 13-jährig war er mit anderen in den Laderaum eines Schiffes gesteckt worden, zu den Ziegen, Kühen und Schweinen. «Wir mussten auf Holzkisten schlafen. Eine Toilette gab es nicht, wir mussten dafür an Deck an die Reling. Es war unmenschlich, auch wenn es nur vier Tage dauerte.»
Neue Heimat – von wegen
In Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius, wartete niemand auf die Chagossier. Im Gegenteil. Die Insulaner und Wilden, wie sie genannt wurden, wurden in die Slums abgeschoben, diskriminiert und gehörten zur untersten Schicht.

Viele leben bis heute in maroden Verhältnissen. Die meisten seien noch immer traumatisiert, sagt der Anwalt Cassam Uteem, der während zehn Jahren Präsident der Republik Mauritius war: «Diese Menschen leiden an ‹chagrin›, wie sie es in ihrer Sprache nennen: Sie sind krank vor Heimweh, es hat ihnen buchstäblich das Herz gebrochen.»
Viele betäuben laut Uteem ihr Leid mit Alkohol oder begehen Suizid. «Was geschah, ist ein schreckliches Verbrechen gegenüber den Chagossiern», so der ehemalige Präsident.
Die Rückgabe der Inseln – ohne Diego Garcia
Die Deportation der Chagossier zählt nicht zu den ruchlosesten Kapiteln der Kolonialzeit. Doch an ihrem Schicksal lassen sich die Arroganz und der Rassismus der damaligen Kolonialherren im Kleinen eindrücklich illustrieren.
Als der britische Premierminister Keir Starmer im Mai die Rückgabe der Chagos-Inseln an die Republik Mauritius bekannt gab, sprach er von einer «kleinen Ausnahme»: Die Hauptinsel des Archipels – Diego Garcia – bleibe unter der Kontrolle der Briten und der USA.
Das Heimweh der Chagossierinnen und Chagossier wird deshalb so bald nicht gelindert. Für die kommenden 99 Jahre bleibt ihre alte Heimat militärische Sperrzone.
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