Der Einfluss eines Kanzlers auf die Konjunktur ist mitunter verschwindend gering, die Ohnmacht groß. Das machte der Präsident der Bundesbank beim G-20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Südafrika deutlich. Während sich Friedrich Merz (CDU) in Berlin dafür lobt, dass Deutschland wirtschaftlich wieder auf einem besseren Kurs sei, die Stimmung sich nach zehn Wochen Schwarz-Rot verbessere, die ersten Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen bereits nach oben korrigierten, sprach Joachim Nagel im fernen Durban das böse „R-Wort“ aus: Rezession.

Einen möglicherweise erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung lastete Nagel dabei nicht der Regierung in Berlin an. Er machte vielmehr deutlich, wie abhängig Deutschlands wirtschaftliches Wohlergehen von US-Präsident Donald Trump ist. Wenn der zuletzt von Trump angedrohte Zollsatz von 30 Prozent auf allgemeine Einfuhren aus der Europäischen Union umgesetzt werde, sei nicht auszuschließen, dass Deutschland bereits in diesem Jahr „in einer leichten Rezession rauskommen“ werde, wie Nagel sich ausdrückte. 2026 werde dann möglicherweise das gesamte, bislang prognostizierte Wachstum „aufgefressen durch die Zölle“.

Nach einer Stagnation in diesem Jahr geht die Bundesbank bislang noch davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr leicht um 0,7 Prozent wachsen wird. Umso wichtiger sei, dass es zu einer Übereinkunft zwischen der EU und den USA komme. „Die natürlich im besten Fall gar keine Zölle vorsieht“, sagte Nagel. Oder zumindest einen deutlich niedrigeren Satz.

USA und Europa sitzen im selben Boot

Dabei sieht er Europa in keiner schlechten Verhandlungsposition. Nagel erinnerte daran, wie groß die Schwankungen der Renditen der US-Staatsanleihen in den vergangenen Wochen waren – je nachdem, was Trump gerade forderte. Im April brachte die Verunsicherung der Investoren den US-Präsidenten schon einmal dazu, Druck aus den Zollverhandlungen zu nehmen. Ist Trump doch darauf angewiesen, dass er auch in Zukunft Abnehmer für seine Staatsanleihen findet, die ihm die gerade erst verabschiedeten umfangreichen Ausgabenprogramme finanzieren.

Am Ende sieht Nagel beide Seiten im selben Boot. „Mein Wunsch, meine Aufforderung geht an die US-Seite, hier nicht mit der Situation ein Stück weit zu spielen, weil am Ende steht der Wohlstand uns aller auf dem Spiel.“ Es müsse eine Wirtschaftspolitik verhindert werden, die global großen Schaden anrichtet.

Einig war sich Nagel mit Lars Klingbeil (SPD), dass Europa sich aus Rezessionssorgen die Bedingungen nicht diktieren lassen darf. „Es wird keinen Deal um jeden Preis geben“, sagte der Finanzminister beim G-20-Treffen. Das Ziel sei ein fairer Deal. „Wir sind jederzeit aber auch bereit, entschlossene Gegenmaßnahmen zu treffen, wenn wir keine Verhandlungslösung mit den Amerikanern erreichen werden“, sagte Klingbeil. Am Ende gehe es für ihn darum, dass „wir die Arbeitsplätze und die Unternehmen in Europa schützen“.

Er habe auch beim Treffen der G-7-Finanzminister am Rande des G-20-Treffens deutlich gemacht, dass dieser Zollstreit möglichst schnell beendet werden müsse. Mit dem aus Japan zugeschalteten US-Kollegen Scott Bessent sei sich die Gruppe der führenden Industrienationen einig gewesen, dass „wir bestehende Probleme überwinden wollen, dass es am Ende eine Lösung geben soll“, sagte Klingbeil. Darüber, wie eine solche Lösung aussehen kann, wird seit Wochen gerungen. Der zuständige EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič war dazu diese Woche wieder in Washington.

Klar scheint aktuell nur, was nicht mehr passieren wird: eine Rückkehr zu Null-Zöllen. Die Bundesbank hat in ihren Wachstumsprognosen bereits einen dauerhaften Basiszoll von zehn Prozent eingepreist. Und auch Kanzler Merz betonte bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin, dass extrem niedrige Zölle nicht mehr realistisch seien, weil die US-Regierung stark auf Zölle setze und diese als Einnahmequelle zur Finanzierung ihrer Steuersenkungen brauche.

Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.

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