Die EU verhängt neue Russland-Sanktionen – über das 18. Paket war wochenlang diskutiert worden, jetzt hat die Slowakei ihren Widerstand aufgegeben. Kernstück ist die Senkung des Ölpreisdeckels für russisches Öl. Aber auch die Liste der sanktionierten Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte wird erweitert. Was das bedeutet und was das bringt, erklärt Moritz Brake, Experte für maritime Sicherheit.
SRF News: Was sagen Sie zur neuesten EU-Sanktionsliste gegen die russische Schattenflotte?
Moritz Brake: Die EU-Liste wird damit auf über 300 sanktionierte Schiffe erweitert. Insgesamt – wenn man alle EU-Partnerländer berücksichtigt – stehen jetzt weltweit über 700 Schiffe der russischen Schattenflotte auf der Liste. Und tatsächlich schliessen die neuen, verschärften Sanktionen viele Lücken. So haben diese Schiffe keinen Zugang zu europäischen Häfen mehr, es gibt Vermögens- und Transaktionssperren für die Personen hinter den Schiffen, ebenso wie Einreisesperren. Zudem werden die Sanktionen auf Drittstaaten ausgeweitet: Die Einfuhr von dort raffinierten Ölprodukten, die aus russischem Erdöl stammen, wird in die EU verboten.
Werden damit alle Schlupflöcher gestopft?
Die neuen Sanktionen gegen die russische Schattenflotte sind auf jeden Fall effektiv. Schon die bisherigen Sanktionen haben gewirkt, das ist klar erkennbar am Zustand der russischen Wirtschaft. Und nun wird mit der Ausweitung auf Drittstaaten genau hingeschaut, welche Erdölprodukte in die EU gelangen, woher sie stammen und aus welchem Rohöl sie hergestellt wurden.
Können die russischen Schattenflotten-Schiffe überhaupt noch Rohöl exportieren?
Es besteht immer das Risiko, dass es Russland gelingt, Öl unter falscher Kennung in den europäischen Markt zu bringen. Doch die hiesigen Behörden sind normalerweise sehr gut darin, solches aufzudecken. In den letzten Jahren gab es aber Länder, die Sanktionen gegen Russland nicht mittrugen und russisches Öl importierten – wie die Türkei oder Indien.
Für Indien etwa könnten bis zu 30 Prozent der Einnahmen aus dem Geschäft mit russischem Öl wegbrechen.
Daraus raffinierten diese Länder Erdölprodukte, die wiederum in die EU gelangten. Damit wurden Milliarden Dollar verdient. Mit den neuen Sanktionen wird sich nun zeigen, ob sie einen völligen Handelsstopp bedeuten oder ob sie bloss die Preise reduzieren, die mit diesem Geschäft erzielt werden. Für Indien etwa könnten bis zu 30 Prozent der Einnahmen aus diesem Ölgeschäft wegbrechen.
Werden die Meere zunehmend zur internationalen Kampfzone?
Weil wir in Europa sehr Land-fokussiert denken, ist uns nicht bewusst, was sich auf den Weltmeeren abspielt – oder im Cyberraum oder im Weltraum. In all diesen Bereichen werden schon längst scharfe Massnahmen gegen den Westen und gegen Europa getroffen, die Milliardenschäden verursachen.
Europa muss sehr wachsam sein und anerkennen, dass ihm geopolitische Rivalen massiv ans Leder wollen.
Seit Beginn des Grossangriffs Russlands auf die Ukraine hat sich diese hybride Kriegführung massiv intensiviert. Im Fokus stehen Datenkabel, Offshore-Windkraftanlagen oder Meerespipelines in Europa. Wir müssen in diesen Bereichen sehr wachsam sein und anerkennen, dass uns geopolitische Rivalen massiv ans Leder wollen. Und dagegen müssen wir nicht nur wachsam sein, sondern auch wehrhaft.
Das Gespräch führte Radka Laubacher.
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