Mit neuen Zöllen torpediert Donald Trump die Gespräche mit der EU. Nun braucht es Gegenzölle, sagt Verhandlungsexperte Matthias Schranner –  ohne dass Merz dazwischenfunkt.

Herr Schranner, es hieß, eine Einigung in den Verhandlungen zwischen EU und USA sei nahe gewesen. Dann platzte Donald Trump mit der Ankündigung von neuen 30-Prozent-Zöllen dazwischen. Wie hätten Sie als Verhandlungsführer reagiert?  
Zu reagieren ist grundsätzlich schon einmal negativ. Man hätte viel früher den Konflikt adressieren müssen. Hier treffen zwei Kulturen der Verhandlungsführung aufeinander: Die amerikanische ist sehr konfliktorientiert, basiert auf hohen Forderungen und wenig Kooperation. In Europa finden wir so etwas unseriös und halten deshalb nicht dagegen. Das ist falsch. Wenn Trump einen Konflikt haben möchte, muss es einen Konflikt geben. Man kann Probleme erst lösen, wenn sie da sind. 

© Schranner Negotiation Institute

Zur Person

Matthias Schranner hat als Polizist bei Geiselnahmen verhandelt und berät heute Unternehmen, Parteien und die UNO

In der EU ist so ein Vorgehen aber umstritten: Die einen fordern – wie Sie – klare Kante und harte Gegenzölle, die EU-Kommission selbst hat Gegenmaßnahmen wieder verschoben. Warum ist Dagegenhalten die richtige Strategie? 
China hat es vorgemacht. Nachdem die USA die Zölle dramatisch erhöht hatten, hielt China mit der vollen Breitseite dagegen. Beide Seiten hatten sich extrem positioniert, aber dann gab es ein Treffen in Genf und eine schnelle Einigung. So geht es. Mit der EU kommt das aber nicht zustande, weil die Europäer immer wieder ausweichen und verzögern. Wir haben Angst vor dem ultimativen Konflikt.  

Den Streit über die richtige Ausrichtung tragen die europäischen Akteure inzwischen öffentlich aus. Wie wichtig wäre ein geschlossenes Auftreten in solchen Verhandlungen?  
Enorm wichtig. Ich hätte es begrüßt, wenn es während der Verhandlungen keine Seitengespräche zwischen den USA und Emmanuel Macron, Friedrich Merz oder Giorgia Meloni gegeben hätte. Es wäre viel besser gewesen, als geeinte EU mit Ursula von der Leyen als Verhandlungsführerin aufzutreten.  

Das ist viel Konjunktiv, nun sind wir aber in dieser Situation. Wie kommen wir wieder heraus? 
Es gibt ja nun eine neue Frist bis zum 1. August. Diese Zeit muss genutzt werden, um die eigene Haltung gegenüber Trump klar zu kommunizieren. Dabei wäre wichtig, eine Position einzunehmen, die ihm in den USA Probleme machen wird: Zölle auf Jeans und Motorräder interessieren in Amerika niemanden. Wir sollten uns überlegen: Wann würde Trump aus seinem eigenen Lager angerufen werden?

Zwei deutsche Branchen von Trumps Strafzöllen ausgenommen © Evan Vucci
Zwei deutsche Branchen von Trumps Strafzöllen ausgenommen © Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Das wäre vermutlich bei Maßnahmen gegen die Digitalkonzerne, für die Europa ein wichtiger Markt ist, der Fall. 
Genau. Wenn wir in Europa gegen Microsoft, Apple oder Meta vorgehen, dann würden sich bei Trump Tim Cook, Mark Zuckerberg oder die anderen Tech-CEOs melden – und der Präsident müsste auf deren Bedenken eingehen. In diese Situation müssen wir Trump bringen. 

Wie schätzen Sie denn den Verhandler Donald Trump ein? Wird er seinem Ruf als Dealmaker gerecht? 
Trump lebt in dem Glauben, dass es erst eine Disruption braucht, um etwas Neues zu schaffen. Verhandlungstechnisch ist das gut. Allerdings braucht es auch mal Ergebnisse. Schauen wir nur auf die Außenpolitik: Der Waffenstillstand in der Ukraine ist weit entfernt. Eine Lösung im Gazastreifen ist nicht in Sicht. Zusätzlich muss er sich fragen, ob diese Technik wirklich bei jeder Verhandlung die richtige Wahl ist. Bei dem rabiaten Vorgehen finden einen vielleicht 380 Millionen Amerikaner gut, aber 7,3 Milliarden Menschen im Rest der Welt nicht.   

Lässt sich mit jemanden wie Donald Trump denn überhaupt gewinnbringend verhandeln?  
Ja, aber man darf dem Konflikt nicht ausweichen. Wenn man Stärke zeigt, für seine Ideale und Positionen kämpft, verschafft man sich Respekt. Das hat China so gemacht und so bräuchten wir das jetzt auch. Dann könnte es mit einer Einigung schnell gehen – so schwierig ist das Thema nämlich nicht. Der Gazastreifen ist schwierig, aber diese Zölle kann eigentlich jeder verhandeln.  

Donald Trump und die Ukraine Und er bewegt sich doch (ein klein wenig)

Aber was, wenn es nicht klappt? Ab dem 1. August könnten 30 Prozent Zölle gegen die EU gelten, es drohen massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. 
Es gibt ja noch mehr Optionen. Trump könnte zum Beispiel die Frist noch einmal verlängern. Und dass die 30-Prozent-Zölle komplett umgesetzt werden, kann ich mir nicht vorstellen – das würde nämlich auch Mexiko treffen, wo viele Teile für die Automobilindustrie herkommen. Trump hat eine Ankündigung gemacht, jetzt trifft man sich. Dann gibt es vielleicht eine Einigung, vielleicht auch noch nicht. Aber man darf in solchen Verhandlungen nicht in Panik verfallen. Das ist alles nicht dramatisch. 

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