Milka erhält in diesem Jahr den Negativpreis „Goldener Windbeutel“. Seit 2009 verleiht die Organisation Foodwatch die Auszeichnung für die nach Meinung von Verbrauchern dreistester Werbelüge des Jahres. Fünf Kandidaten standen bei der entsprechenden Online-Umfrage final zur Auswahl – und mit 34 Prozent entfielen die meisten Stimmen der mehr als 58.000 Teilnehmer auf die Schokoladenmarke von Hersteller Mondelez.
Grund ist eine satte Preiserhöhung bei gleichzeitig schrumpfendem Inhalt. So bringt die klassische Tafelschokolade der Sorte Alpenmilch seit einigen Monaten bei gleichbleibender Verpackungsgröße nur noch 90 statt 100 Gramm auf die Waage, gleichzeitig ist der Normalpreis von 1,49 auf 1,99 Euro gestiegen. Damit kostet Milka unter dem Strich fast 50 Prozent mehr. „Mondelez schrumpft die Tafel und bläht den Preis auf“, kritisiert Foodwatch. Die Milka-Tafel sei damit ein Paradebeispiel für Shrinkflation.
Shrinkflation, das ist ein Kofferwort aus den beiden englischen Begriffen „shrink“ für Schrumpfen und „inflation“ für Aufblähen. Beschrieben wird damit die Praxis, bei gleichbleibendem oder sogar steigendem Preis die Menge oder Größe eines Produkts zu reduzieren. Verbraucherschützer sprechen von einer „immer beliebteren Masche“ der Lebensmittelindustrie und kritisieren diese Entwicklung schon seit einigen Jahren. Der Vorwurf: Die Veränderung der Füllmengen ist auf den ersten Blick oftmals nur schwer zu erkennen, damit handele es sich um versteckte Preiserhöhungen.
Und tatsächlich schaut die Mehrheit der Verbraucher im Supermarkt oder Discounter nie, selten oder allenfalls manchmal auf die tatsächliche Füllmenge von Verpackungen, wie eine Umfrage von YouGov mit fast 4200 Konsumenten über 18 Jahren zeigt. Lediglich zwölf Prozent geben an, beim Einkauf immer nachzulesen, wie viel Inhalt das Produkt hat, um mögliche Mogelpackungen zu erkennen und dann zu entscheiden, ob es trotzdem gekauft wird oder eben nicht.
Mondelez wehrt sich gegen die Mogelpackung-Vorwürfe. So werde das Gewicht zum einen auf der Tafel selbst angegeben, zum anderen biete die Milka-Website einen Überblick über die gesamte Auswahl aller Tafelformate, Sorten und Grammaturen von Milka. Foodwatch hält indes dagegen, dass die entsprechende Zahl auf der Tafel häufig von den Laschen der Kartonverpackungen im Regal verdeckt wird. Den höheren Preis wiederum rechtfertigt Mondelez in einem Statement mit hohen Kosten. „So haben sich beispielsweise die Kakaopreise in den letzten zwölf Monaten fast verdreifacht und ein Rekordniveau erreicht“, heißt es.
Gleichzeitig seien andere Kosten von Energie über die Verpackung bis hin zur Logistik unverändert hoch. „Das bedeutet, dass die Herstellung unserer Produkte viel teurer ist.“ In diesem Umfeld sei Mondelez gezwungen, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Etwa die Gewichtsreduzierung – „um wettbewerbsfähig bleiben zu können und keinen Kompromiss beim Geschmack und der Qualität der Schokolade machen zu müssen“. Oder die Erhöhung der Abgabepreise an den Handel als „das letzte Mittel“.
Foodwatch lässt diese Argumentation indes nicht gelten, wie die Organisation mit Verweis auf den Verbraucherpreisindex für Nahrungsmittel des Statistischen Bundesamtes betont. Danach seien die Preise der Unterkategorie Schokolade zwischen Anfang 2024 und Januar 2025 nur um acht Prozent gestiegen, Mondelez dagegen habe bei Milka in Summe bis zu 64 Prozent bis inklusive Februar 2025 aufgeschlagen. Zudem rühme sich Mondelez im eigenen Finanzbericht damit, von niedrigen Herstellungskosten zu profitieren. Mondelez-Finanzchef Luca Zaramella hatte in einem „Handelsblatt“-Bericht aus dem Frühjahr 2025 angekündigt: „Wenn der Kakaopreis hoch bleibt, würden wir die Preise wohl schrittweise anheben. Wenn das Preisniveau von Kakao anfängt zu sinken, dürften unsere Erträge höher ausfallen.“ Für Foodwatch ein Skandal: „Steigende Kosten zahlen also die Verbraucher, sinkende Kosten steckt sich Mondelez in die Tasche“, kritisiert die Organisation.
Das Milka-Thema ist nicht neu. Im Februar 2025 hatte die Verbraucherzentrale Hamburg die Milka-Tafelschokolade schon als „Mogelpackung des Monats“ ausgezeichnet. Die Hanseaten sind unter den Verbraucherzentralen spezialisiert auf dieses Thema und generieren damit regelmäßig hohe Aufmerksamkeit. Zumal fehlende Transparenz beim Lebensmittelkauf zu den größten Ärgernissen für die Verbraucher gehört, wie eine Studie des Portals Lebensmittelklarheit zeigt.
Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZ HH) fordert daher ein Eingreifen der Politik mit zum Beispiel erweiterten Kennzeichnungspflichten. „In Ungarn und Frankreich müssen Lebensmitteleinzelhändler seit dem vergangenen Jahr Mogelpackungen mit einem Hinweis am Regal kenntlich machen“, berichtet VZ HH-Vertreter Armin Valet. In Brasilien seien sogar Warnhinweise direkt auf der Verpackung vorgeschrieben. „Aber in Deutschland gibt es trotz Ankündigungen und Versprechungen praktisch keine Vorgaben.“ Auch Foodwatch fordert die Bundesregierung auf, eine Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag in die Tat umzusetzen, wonach Lebensmittelhersteller und Handel dazu verpflichtet werden sollen, versteckte Preiserhöhungen klar zu kennzeichnen.
Ungeachtet dessen sorgen Verbraucherschützer für Öffentlichkeit, aktuell zum Beispiel mit dem „Goldenen Windbeutel“. Zu den Nominierten gehörten in diesem Jahr neben Preisträger Milka der DirTea Glow Eistee von Rapperin Shirin David, der durch Zusatzstoffe „schöne Haut und Nägel“ verspricht, die Margarine Rama von Hersteller Flora Food Group, der Schokoriegel MenstruChocbar von InnoNature, der bei Menstruationsbeschwerden helfen soll, und der Norwegische Räucherlachs von Hersteller Fish Tales, der sich weigert, trotz Rückverfolgbarkeitsversprechens die Herkunft der Lachse preiszugeben. Der Fisch landete dabei mit gut 21 Prozent der Stimmen auf Platz zwei hinter Milka, der Schokoriegel mit knapp 18 Prozent auf Platz drei.
Windbeutel-Preisträger vergangener Jahre waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone, die Milch-Schnitte von Ferrero, das „Smart Water“ von Coca-Cola und im vergangenen Jahr Alete mit dem Kinder-Fruchtsnack Obsties.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
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