Es war ein hehres Ziel: Weltweit sollten Unternehmen einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten, und es sollte verhindert werden, dass einzelne Staaten Steuerdumping betreiben. Dazu hatten sich einmal mehr als 140 Staaten bekannt und unter Federführung der OECD die Idee einer globalen Mindeststeuer entwickelt, auch als Pillar II bekannt.

Regulierungsfreudig, wie sie sind, haben sich Brüssel und Berlin sogleich daran gemacht, diese Steuer ins Werk zu setzen. Dummerweise haben die USA, China und Indien einen Rückzieher gemacht.

Und nicht nur die: Insgesamt haben bloß 55 Länder, darunter alle 27 EU-Staaten, Pillar II eingeführt. Damit ist die Idee einer „globalen Steuer“ gescheitert.

Mit ihrem Quasi-Alleingang hat sich die EU ein Eigentor geschossen; denn der Bürokratieaufwand und die Umsetzungskosten sind gewaltig. Laut ZEW fallen Einmalkosten von rund 320 Millionen Euro und jährliche Kosten von 100 Millionen Euro allein für deutsche Unternehmen an.

Dem stehen nur marginale Mehreinnahmen für den Fiskus gegenüber. Mittlerweile haben mehrere Länderfinanzminister erkannt, dass diese neue Steuer zu einer massiven Belastung für die deutsche Wirtschaft zu werden droht. Sie bringt so gut wie keinen Nutzen, dafür viel Bürokratie in Zeiten, in denen alle von Bürokratieabbau reden.

Andere Staaten haben das viel schneller kapiert, allen voran die USA. Doch die wollten es nicht bei dem Ausstieg aus dem Projekt belassen, der naive Vorstoß der EU hat vielmehr amerikanische Gegenmaßnahmen provoziert.

Mögliche Gegenmaßnahmen der USA gegen Pillar II

Pillar II erlaubt es nämlich den Staaten, die die Mindeststeuer anwenden, unter bestimmten Voraussetzungen Zusatzsteuern von US-Unternehmen zu erheben. Das kann man als Bedrohung für die amerikanische Wirtschaft verstehen. Als Vergeltungsmaßnahme planten die Amerikaner mit der „One Big Beautiful Bill“ drastische Strafsteuern für Investoren aus Staaten, deren Steuerpolitik die USA als „unfair“ einstufen.

Prominentestes Beispiel ist die „Section 899“ aus der „One Big Beautiful Bill“. Mit ihr wollten die USA zusätzliche Steuern auf Dividendenzahlungen an Anleger aus „unfairen“ Staaten erheben sowie die Steuerlast von Gewinnen in den USA auf Unternehmensebene erhöhen. Das hätte nicht nur europäische Aktionäre, sondern insbesondere europäische Unternehmen, die in den USA aktiv sind, hart getroffen.

Das Muskelspiel der USA hat gewirkt. In einem Deal mit den restlichen G-7-Staaten haben die USA erreicht, dass die globale Mindeststeuer nicht auf US-Unternehmen angewendet wird. Dafür verzichten sie auf „Section 899“. Sie können weiterhin Steuerwettbewerb betreiben – ein Sieg auf ganzer Linie.

Die EU dagegen hat eine große Chance verpasst. Sie hat zwar die Gefahr der amerikanischen Strafsteuern gebannt, doch statt Pillar II nicht nur für US-Unternehmen, sondern in Gänze abzuschaffen, hält sie krampfhaft daran fest und damit an zusätzlichem Bürokratieaufwand und hohen Kosten für die europäische Wirtschaft. Sie will ihr Gesicht wahren – und ist offenbar bereit, dafür die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Standortes zu opfern.

Thomas Richter ist Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI.

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