Stimmt auch das Repräsentantenhaus dem gewaltigen Steuer- und Ausgabenpaket von Präsident Trump zu? Was im Gesetz steht, welche Folgen es für die US-Wirtschaft hätte - und wie Experten es beurteilen.
Es dürfte eines der umfassendsten Gesetzesvorhaben für Steuern und Ausgaben in der Geschichte der USA sein: der "One Big Beautiful Bill Act" ("Großes, schönes Gesetz"). Der Senat hat das umstrittene Vorhaben bereits verabschiedet, aktuell debattiert das Repräsentantenhaus darüber - sein Votum steht noch aus. Bis Freitag will US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterschriftsreif auf seinem Tisch liegen haben.
Was steht im Gesetz?
Das Gesetzespaket sieht neue Milliardenausgaben für das Militär und die Sicherung der Grenzen vor. Im Kern geht es aber um eine dauerhafte Verlängerung der Steuersenkungen für Unternehmen und Privatpersonen aus Trumps erster Amtszeit, die zum Jahresende auslaufen. Hinzu kommen weitere Erleichterungen wie die Streichung von Steuern auf Trinkgeld oder Überstunden. Auch Änderungen an vielen Unternehmens- und internationalen Steuervorschriften sind Teil des Gesetzes.
Was verspricht die Regierung den US-Bürgerinnen und -Bürgern?
Trump hat den Amerikanerinnen und Amerikanern eine "Rekord-Steuersenkung" versprochen. Um das zu verdeutlichen, bietet das Weiße Haus auf seiner Website einen Rechner an, mit dem US-Bürgerinnen und Bürger ganz individuell ihre geschätzten Steuereinsparungen ermitteln können.
Das Gesetz soll mehr Jobs in den USA schaffen und Investitionen in die Infrastruktur ankurbeln. Weitere Ziele sind unter anderem die Sicherung von Innovationen und niedrigere Energiekosten. "Mit diesem Gesetz sorgen wir dafür, dass unser Land und das amerikanische Volk sicherer, stärker und wohlhabender werden", sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, John Thune.
Wie soll das Gesetz finanziert werden?
Die Steuererleichterungen sollen durch Einschnitte bei Gesundheits- und Sozialprogrammen finanziert werden. Gespart werden soll etwa beim "Medicaid", der Krankenversicherung für ältere und einkommensschwache Menschen, und dem "Affordable Care Act" (Obamacare).
Hinzu kommen Kürzungen bei Lebensmittelhilfen, Essen an Schulen oder Zuschüssen für Supermarktbesuche von Familien mit geringen Einkommen. Darüber hinaus will Trump mit seinem Vorhaben auch die Anreize für den Klimaschutz der Vorgängerregierung von Joe Biden aufheben. So sollen Subventionen für Windräder und Solaranlagen sowie der staatliche Zuschuss für Käufer von Elektroautos gestrichen werden.
Welche Folgen hat das Paket für US-Bürger?
"Schätzungen des Haushaltsbüros des Kongresses zufolge könnten bis Mitte der 2030er-Jahre mehr als zwölf Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung durch die Kürzungen verlieren", so Tom Bauermann und Thomas Theobald vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung gegenüber tagesschau.de. Diese Schätzung spreche "eine eindeutige Sprache, wer beim Haushaltsgesetz gewinnen und verlieren wird".
Trump bestreitet solche Auswirkungen. Stattdessen seien irreguläre Einwanderer betroffen. Doch auch Republikaner befürchten negative Folgen für das Gesundheitssystem. So sollen die US-Bundesstaaten künftig weniger Steuern von den Anbietern medizinischer Leistungen bekommen.
Das könnte zu Problemen bei der Finanzierung von Krankenhäusern auf dem Land führen. "Ich werde keinem endgültigen Gesetz zustimmen, das lebenswichtige Finanzierungsquellen streicht, auf die unsere Krankenhäuser angewiesen sind", sagte etwa der republikanische Abgeordnete David Valadao.
Welche Folgen hat das Gesetz für den Haushalt?
Der US-Staatshaushalt verzeichnet aktuell ein jährliches Minus von knapp zwei Billionen Dollar. Das ist das höchste jemals in Friedenszeiten und außerhalb einer Rezession verzeichnete Defizit. Das dürfte sich mit dem Gesetz ausweiten: Die Haushaltsexperten des Kongresses schätzen, dass der Schuldenberg durch das Vorhaben innerhalb von zehn Jahren um 3,3 Billionen Dollar anwachsen dürfte - das wären deutlich über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Vereinigten Staaten.
"Auch wenn solche Maßnahmen kurzfristig wachstumsfördernd wirken könnten, bergen sie langfristig die Gefahr, einen Kipppunkt für die Schuldentragfähigkeit der USA zu erreichen", heißt es von der Förderbank KfW. Auch andere Fachleute erwarten eine weiter steigende Verschuldung. Denn die Einsparungen aus den Kürzungen dürften die Mindereinnahmen aus den Steuersenkungen des Gesetzentwurfs kaum ausgleichen.
Was wird an dem Gesetz kritisiert?
Die oppositionellen Demokraten werfen Trump und der republikanischen Regierung "Steuergeschenke für Milliardäre" vor. Benachteiligte US-Bürgerinnen und -Bürger würden unter den Plänen leiden. Sie berufen sich auf eine Studie der unabhängigen Denkfabrik "Urban-Brookings Tax Policy Center" (TPC). Demnach würden die Steuern dadurch im Jahr 2026 im Schnitt zwar um rund 2.900 Dollar sinken. Doch fast 60 Prozent der Vorteile gingen an Menschen mit einem Einkommen von etwa 217.000 Dollar oder mehr pro Jahr.
Die ärmsten zehn Prozent der amerikanischen Haushalte werden im Gegenzug Schätzungen der Universität von Pennsylvania zufolge dagegen auf knapp 1.600 Dollar pro Jahr verzichten müssen, erklären Bauermann und Theobald vom IMK. Vom aktuellen Gesetzespaket würden fast ausschließlich die oberen zehn Prozent der Einkommen profitieren.
Auch im eigenen Lager gibt es Widerstand: Im Repräsentantenhaus fordert der sogenannte "Freedom Caucus" tiefere Ausgabenkürzungen. "Das ist keine finanzpolitische Verantwortung. Das ist nicht das, worauf wir uns geeinigt haben", erklärte die Gruppe konservativer Hardliner. Auch Trumps früherer Berater, der Tech-Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk, warf dem Präsidenten vor, seine Pläne trieben "Amerika in den Bankrott".
Droht tatsächlich ein Bankrott?
"Nein, das ist zumindest nicht unmittelbar zu erwarten. Die US-Regierung kann sich immer noch fast unbegrenzt Geld am Kapitalmarkt leihen. Das ist das 'exorbitante Privileg' der wichtigsten Volkswirtschaft und militärischen Supermacht USA", sagt Laura von Daniels, Leiterin der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, im Gespräch mit tagesschau.de.
Der US-Kongress könne die Schuldenobergrenze erneut anheben. "Dennoch gibt es die berechtigte Sorge, dass die Kreditwürdigkeit der US-Regierung leiden könnte", so die Expertin weiter. Die Ursache sehe sie allerdings eher in der extremen politischen Polarisierung.
Kann das Vorhaben die US-Konjunktur ankurbeln?
Nach Einschätzung der Expertin von Daniels gibt es bisher wenig Anzeichen, dass durch größere industriepolitische Initiativen das Wachstum in den USA gefördert wird. Das wäre aber wichtig für mehr und bessere Jobs sowie Einkommen. Stattdessen wirkten sich die immer neuen und höheren Zölle für viele Produkte kostensteigernd aus.
"Zusammengenommen mit der von Trump angekündigten radikalen Beschränkung der Migration könnte das die Inflation deutlich steigern", so die Wissenschaftlerin. Man müsse damit rechnen, dass die Haushalte mit kleinen Einkommen, die kaum Vorteile aus der Steuerreform erhalten, Konsumausgaben zurückhalten und kleinere Unternehmen Investitionen zurückhalten.
Ähnlich sehen es die Experten vom IMK: "Insbesondere die Zollpolitik wirkt sich im laufenden Jahr inflationssteigernd aus. Wir gehen daher von einer deutlichen Schwächung der Kaufkraft aus." Das Steuerpaket könne kaum isoliert von anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der US-Administration betrachtet werden und dürfte maximal leicht positiv auf das BIP wirken. "Diese Wirkung kann aber schnell konterkariert werden aufgrund eines schwächeren Konsums bei den unteren Einkommen."
Was sind die Auswirkungen auf den Anleihe- und Aktienmarkt?
"Auf den Aktienmärkten dürfte die beschlossene Steuerreform wie in der Vergangenheit kurzfristig für Kursanstiege sorgen", erwartet von Daniels. Das liege auch daran, dass die Unsicherheit über die Schuldenobergrenze beseitigt wäre, meinen Beobachter.
Dennoch wächst an den Finanzmärkten die Sorge wegen einer steigenden Staatsverschuldung der USA - gerade am viel größeren Bondmarkt. "Die jüngsten Entwicklungen am Anleihemarkt deuten auf eine Verlagerung des Fokus von Zöllen hin zur Fiskalpolitik hin", sagt Blerina Uruci, US-Chefvolkswirtin bei T. Rowe Price. Die Renditen von US-Staatsanleihen dürften daher weiter ansteigen. Das würde es für die Vereinigten Staaten teurer machen, sich am Kapitalmarkt Geld zu beschaffen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke