Sie haben sich für Demokratie eingesetzt. Jetzt geben sie auf. In Hongkong hat sich die letzte pro-demokratische Partei aufgelöst. Die Mitglieder seien in Hongkong nicht mehr sicher, heisst es von der Parteispitze. Und der Druck aus Peking von der «Kommunistischen Partei Chinas» sei zu gross. Der freie Ostasienkorrespondent Fabian Kretschmer ordnet ein.
SRF News: Was bedeutet die Parteiauflösung für Hongkong?
Fabian Kretschmer: Die Partei, die sich aufgelöst hat, die «League of Social Democrats», war eher eine Randpartei. Sie hatte auch zu Hochzeiten nicht mehr als drei Sitze. Von daher kann man sagen, dass die Auflösung symbolisch, aber dennoch sehr wichtig ist, weil es die letzte Peking-kritische Partei war. Die Demokratiebewegung, die noch bis Ende 2019 jeden Samstag – manchmal über eine Million Leute – auf die Strasse gebracht hatte, gibt es nicht mehr. Es gibt keine Institution mehr, die quasi diesen Geist von der Demokratiebewegung in Hongkong noch weiterträgt.
Eigentlich hat die Volksrepublik China Hongkong 2020 ein Versprechen gegeben, dass es autonom bleiben darf. Wie frei ist Hongkong heute noch?
Hongkong war nie eine lupenreine Demokratie, auch die Wahlen waren nie zu 100 Prozent frei. Aber seit dem Versprechen kann man sagen, dass sich Hongkong ziemlich stark chinesischen Verhältnissen angenähert hat.
Früher war Hongkong viel lebhafter, chaotischer und lauter.
Politische Demonstrationen sind nicht mehr möglich. Im Wahlsystem werden nur noch sogenannte Patrioten zugelassen, die von Peking genehmigt werden. Sprich man kann zwar noch wählen, aber es ist eine absolute Scheinwahl, was ein ganz starker Einschnitt ist. Hongkong ist definitiv nicht mehr frei. Also politisch absolut nicht mehr frei.

Wie spürt man das, wenn man in Hongkong unterwegs ist?
Dort, wo früher demokratische Plakate hingen oder Graffitis mit Demokratie-Slogans standen, sind jetzt Flaggen von China oder Propagandasprüche der «Kommunistischen Partei China». Was ebenfalls auffällt, ist, dass viele Hongkonger gegangen sind und mittlerweile in Taiwan oder Grossbritannien leben.
Für jeden, der politisch am öffentlichen Leben partizipieren möchte, hat sich alles verändert.
Hongkong wird gefüllt mit Festland-Chinesen, die Mandarin – das Standard-Chinesisch – sprechen. In Hongkong herrscht eine depressive, in sich gekehrte Stimmung. Vor der Corona-Pandemie, als Demonstrationen noch erlaubt waren, war das nicht der Fall. Da war Hongkong viel lebhafter, chaotischer und lauter.
Die Oppositionellen gehen lieber ins Ausland, anstatt in China zu bleiben. Wie wirkt sich das auf Hongkong aus?
Die Leute, die geblieben sind, aber kritisch denken, haben sich zurückgezogen. Kritische Gedanken werden wohl nur noch am Familientisch oder unter engen Freunden geteilt.
Die Geschäfte gehen weiter und Hongkong ist nach wie vor eine pulsierende Wirtschaftsmetropole.
Jeder, dem gesellschaftspolitische Anliegen wichtig sind oder generell politisch am öffentlichen Leben partizipieren möchte, für den hat sich alles geändert.
Hongkong ist auch eine Weltstadt, mit vielen dort ansässigen Konzernen. Wie verändert sich das mit dem zunehmenden Einfluss Chinas?
Einerseits gehen die Geschäfte weiter und Hongkong ist nach wie vor eine pulsierende Wirtschaftsmetropole, wenn auch nicht mehr auf so hohem Niveau als früher. Aber man merkt auf jeden Fall, dass sich die wirtschaftliche Orientierung stark geändert hat, und zwar mehr in Richtung Festlandchina. Die Investitionen und auch grosse Konzerne kommen mittlerweile mehr aus China und nicht mehr aus dem Westen. Ausserdem haben sich viele internationale Firmen zurückgezogen.
Das Gespräch führte Martina Koch.
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