"Dumm", "schrecklich", "inkompetent" - US-Präsident Trump überzieht Notenbankchef Powell mit Beleidigungen. Verkündet er schon bald einen ihm genehmen Nachfolger für die Spitze der Federal Reserve?

Donald Trump scheint bei seinem Ärger über die Zinspolitik von Federal-Reserve-Chef Jerome Powell keine Grenzen des Anstands zu kennen. Immer wieder hat der US-Präsident in den vergangenen Wochen und Monaten Powell öffentlich beleidigt und dessen Kompetenzen als Präsident der US-Notenbank infrage gestellt.

Powells Amtszeit läuft bis Frühjahr 2026

Fakt ist: Trump will Powell loswerden - und das offenbar schneller als gedacht. So kamen zuletzt Berichte auf, wonach Trump möglicherweise schon bald einen ihm genehmen Nachfolger für Jerome Powell verkünden könnte. Laut dem "Wall Street Journal" könnte es bereits im September oder Oktober soweit sein, selbst eine noch frühere Bekanntgabe im Sommer sei möglich. Dabei läuft Powells Amtszeit noch bis Mai 2026.

Die große Gefahr ist damit: Trump könnte Powell in den letzten Monaten seiner Amtszeit zur "lahmen Ente" machen, ihn durch einen "Schatten-Fed-Chef" entmachten - und damit Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Notenbank wecken.

Wer könnte auf Powell folgen? US-Präsident Trump hat nach eigenen Angaben mehrere Personen als Nachfolger des von ihm scharf kritisierten Notenbankchefs Powell im Sinn. "Ich kenne drei oder vier Leute, aus denen ich auswählen werde", sagte Trump während des Nato-Gipfels in Den Haag.

Dem "Wall Street Journal" zufolge hat Trump den ehemaligen Fed-Gouverneur Kevin Warsh, den Direktor des National Economic Council Kevin Hassett und Finanzminister Scott Bessent als Kandidaten im Auge. Weitere Anwärter seien der ehemalige Weltbankpräsident David Malpass und Fed-Gouverneur Christopher Waller.

So wichtig ist die Unabhängigkeit der Fed

Dabei ist die Unabhängigkeit der Fed ein relativ modernes Konzept. Noch in den 1970er-Jahren setzte Präsident Richard Nixon den damaligen Fed-Vorsitzenden Arthur Burns unter Druck, die Zinsen trotz hoher Inflationsrisiken niedrig zu halten - mit verheerenden Folgen für die US-Wirtschaft.

Seitdem gilt die Unabhängigkeit der Fed jedoch als nahezu unantastbar. Sie ist Grundlage für den Status des Dollars als Weltreservewährung und für die Attraktivität von US-Staatsanleihen als "sicherer Hafen". Schon kleinste Zweifel an der Unabhängigkeit der Fed könnten daher zu massiven Verwerfungen an den globalen Börsen führen - und die USA der Möglichkeit berauben, ihre gigantisch hohe Staatsverschuldung von aktuell über 37 Billionen Dollar über die Kapitalmärkte zu refinanzieren.

Warum feuert Trump nicht einfach Powell? Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hatte Trump noch Spekulationen angeheizt, er könnte Powell feuern, diese Idee dann jedoch rasch verworfen. Powell argumentierte, dass ein solcher Vorgang "gesetzlich nicht zulässig" sei.

Tatsächlich wurde kein Fed-Vorsitzender jemals von einem Präsidenten entlassen. Auch wenn die rechtliche Situation nicht völlig eindeutig ist, so gibt es doch gute Gründe dafür, dass in einem solchen Falle der Supreme Court den Sonderstatus der Fed als unabhängige Behörde bestätigen würde.

So entschied der Oberste Gerichtshof in dem Präzedenzfall "Humphrey's Executor vs. United States" 1935, dass ein Präsident ein Mitglied einer unabhängigen US-Bundesbehörde nicht ohne wichtigen Grund entlassen dürfe. Die politisch motivierte Entlassung des FTC-Chefs William Humphrey, einem Gegner des "New Deal", durch Präsident Roosevelt war demzufolge nicht zulässig.

Selbsternannter "Niedrigzinstyp"

Warum also spielt Trump mit dem Feuer? Warum riskiert er, das Vertrauen der Anleger in den Dollar und US-Staatsanleihen zu verlieren und damit am Ende womöglich eine globale Finanzkrise auszulösen?

Hintergrund ist die Zinspolitik von Fed-Chef Powell, die so gar nicht den Wünschen des US-Präsidenten entspricht. Trump war im Wahlkampf angetreten als selbsternannter "Niedrigzinstyp" ("low interest guy"): Er versprach Zinssenkungen, "wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben".

Drohende Inflation durch Zollpolitik

Die Fed hat den US-Leitzins jedoch das letzte Mal im Dezember 2024 gesenkt. Seit Trumps Amtsantritt im Januar 2025 scheuen die Währungshüter vor weiteren Zinssenkungen zurück - nicht trotz, sondern wegen Trump. Schließlich hat dessen Zollpolitik Ökonomen zufolge das Potenzial, die Verbraucherpreise in den USA massiv nach oben zu treiben.

Das Stillhalten der Fed schürt den Zorn des US-Präsidenten. Die Folge: immer mehr und immer schärfere Beleidigungen. So bezeichnete Trump den Notenbanker jüngst als "sehr dumme Person". Powell sei "schrecklich" und habe einen "niedrigen IQ". "Wir werden noch viele Jahre für seine Inkompetenz bezahlen."

Zinsspekulationen nehmen wieder zu

Mit den Berichten über die baldige Bekanntgabe eines Nachfolgers für Powell haben an den Finanzmärkten zuletzt auch die Zins-Spekulationen wieder an Fahrt aufgenommen.

Dem Fed Watch Tool der CME Group zufolge rechnen zwar weiterhin die meisten Marktteilnehmer erst für die Sitzung im September mit einer Zinssenkung - allerdings haben sich die Anteile deutlich verschoben. So gehen nun 90,8 Prozent von einer Zinssenkung im September aus. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren es nur 64,0 Prozent gewesen.

Euro auf Kurs gen 1,18 Dollar

Die Zinsspekulationen setzen den Dollar unter Druck - im Gegenzug steigt der Euro. Die europäische Gemeinschaftswährung zog gestern bis auf 1,1742 Dollar an und notierte damit so hoch wie seit September 2021 nicht mehr. Commerzbank-Devisenexperte Michael Pfister hält einen weiteren Anstieg des Euro bis auf 1,18 Dollar für möglich.

Für Verbraucher hierzulande ist das erst einmal eine positive Nachricht, drückt der starke Euro doch etwas die Spritpreise an den Tankstellen und damit auch die Inflationsrate. Sollte Trump jedoch ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Notenbank säen, der Druck auf den Dollar weiter steigen und sogar US-Staatsanleihen in den Sog der Powell-Nachfolger-Debatte geraten, dann dürften die Folgen weit über günstigere Spritpreise hinausgehen.

Stabilität des globalen Finanzsystems in Gefahr?

Sollte das Vertrauen der Märkte in die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der US-Notenbank erodieren, stünde nicht weniger als die Stabilität des globalen Finanzsystems auf dem Spiel. Denn das Vertrauen der Anleger in den Dollar als Weltreservewährung und in US-Staatsanleihen als "sicheren Hafen" ist kein Naturgesetz.

Trumps politisches Taktieren um die Fed-Führung gleicht einem riskanten Machtspiel - mit potenziell verheerenden Folgen nicht nur für die größte Volkswirtschaft der Welt.

1970er-Jahre als abschreckendes Beispiel

Die Geschichte zeigt, wie es enden kann, wenn Präsidenten Einfluss auf die Notenbankpolitik in den Vereinigten Staaten nehmen: So schnellten die Verbraucherpreise in den 1970er Jahren, als sich Fed-Chef Burns dem Druck von Nixon beugte und die Zinsen niedrig hielt, drastisch in die Höhe. Zum Ende des Jahrzehnts lag die Inflationsrate bei über 13 Prozent, während zugleich das Wachstum der USA stagnierte - es kam zur sogenannten Stagflation.

Erst in den 1980er-Jahren konnte diese Entwicklung durch den neuen Fed-Chef Paul Volcker gestoppt werden: mit drastischen Zinserhöhungen bis auf über 20 Prozent. Der "Volcker-Schock" löste eine schwere Rezession aus, konnte aber letztlich die Inflation eindämmen - und die Glaubwürdigkeit der Fed wiederherstellen.

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