Ab dem kommenden Samstag erhalten Mobiltelefone in Deutschland eine neue Funktion fürs Telefonieren. Dann ist es nicht mehr nur möglich zu sprechen – man kann auch tippen. Über die gewohnte Telefonverbindung lassen sich während eines Anrufs Textnachrichten senden, ganz ohne Internetzugang oder spezielle App. Der neue Dienst heißt Real-Time Text (RTT) und wird in allen vier deutschen Mobilfunknetzen – Vodafone, Deutsche Telekom, Telefónica und 1&1 – verfügbar sein. Zusätzliche Kosten fallen nicht an.

Nachrichten können nur während einer aktiven Sprachverbindung ausgetauscht werden. Neben den Kosten für das Gespräch fallen keine weiteren Gebühren an. Nutzer müssen jedoch in einem 4G- oder 5G-Netz eingebucht sein oder den Anruf per WLAN-Call über eine WLAN-Verbindung führen. Eine spezielle Smartphone-App ist dafür nicht notwendig. Die Funktion ist in der normalen Telefon-Anwendung verfügbar und über einen neuen grünen Anruf-Button zu erkennen. Üblicherweise wird neben dem Telefonhörer ein „T“ abgebildet, neben dem vier waagerechte Striche einen Text symbolisieren.

Wer Real-Time Text verwenden will, muss die Funktion in den Anruf-Einstellungen seines Telefons einmal aktivieren. Beim iPhone geht das in den Einstellungen über die Bedienungshilfen. Anschließend kann ein Gespräch gleich als „Real-Time Text“-Anruf gestartet werden. Die Funktion kann aber auch während eines Gesprächs aktiviert werden.

Voraussetzung ist, dass die Smartphones beider Gesprächspartner den Dienst aktiviert haben. Hersteller werden auch bereits bestehende Modelle über ein Software-Update mit RTT ausrüsten. Bei vielen aktuellen Modellen wird das schon zum Start am 28. Juni der Fall sein. iPhones sind ab dem Betriebssystem iOS 18.5 dazu in der Lage, bei Android müssen die Smartphone-Hersteller die integrierte Android-Telefonie-App dafür anpassen.

Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied zu den üblichen Messenger-Diensten. Die eingegebene Nachricht muss nicht versendet werden. Sie wird Buchstabe für Buchstabe direkt übertragen. Empfänger sehen also auch, wenn ein Sender sich verschreibt oder korrigiert.

Bilder, Videos oder Audio-Nachrichten können auf diese Weise nicht übertragen werden. Da auf den Smartphones die Standard-Tastatur des Geräts genutzt wird, stehen Nutzern aber internationale Zeichen, Sonderzeichen und Emojis zur Verfügung.

Hintergrund für den neuen Dienst ist die Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) und des European Accessibility Act (EAA). Damit werden Hersteller und Dienstleister verpflichtet, ihre Produkte barrierefrei zu gestalten. So müssen Produkte unter anderem die Kommunikation über mehr als einen sensorischen Kanal ermöglichen. RTT erfüllt diese Anforderung als Alternative zur Sprachkommunikation.

„Der Start des Echtzeit-Texts bei Anrufen ist ein wichtiger Schritt für barrierefreie mobile Kommunikation“, sagt Mallik Rao, Technikchef bei Telefónica Deutschland. „Wir möchten sicherstellen, dass alle Menschen an der digitalen Welt vollumfänglich und gleichberechtigt teilnehmen können.“ Real-Time-Text biete dafür eine einfache und praktikable Lösung, die ohne Apps auskomme, so der Technikchef.

RTT wird damit zum Nachfolger des TTY-Dienstes. Die Abkürzung steht für Teletypewriter. Er wurde für Menschen entwickelt, die taub oder schwerhörig sind oder Sprachbehinderungen haben. Zur Nutzung wurden früher spezielle Tastatur-Geräte mit den analogen Telefonnetzen gekoppelt, um Text in Blöcken nach vollständiger Eingabe eines Abschnitts oder einer Nachricht zu versenden.

Noch ist nicht absehbar, wie umfangreich RTT in Zukunft genutzt wird. Die Mobilfunker berichten bereits, dass Hotline-Betreiber Interesse angemeldet hätten, den Dienst für die Übertragung von Informationen während eines Service-Gesprächs zu verwenden. Tatsächlich hatte auch niemand den Siegeszug der SMS-Kurznachricht erwartet, als sie Mitte der 90er-Jahre eingeführt wurde.

Ursprünglich war sie gar nicht für die private Nutzung gedacht. Vielmehr sollten auf diese Weise technische Informationen über Störungen oder Systemmeldungen im Mobilfunknetz an Mitarbeiter oder Kunden versendet werden. Im Jahr 2012 verschickten die Mobiltelefonierer in Deutschland fast 60 Milliarden SMS. Sie wurde für die Anbieter zu einem Milliardengeschäft. Auch die SMS kann ohne Internetverbindung versendet werden, allerdings müssen Nutzer dafür in eine eigene Anwendung wechseln.

Ab Sommer 2027 soll die RTT-Funktion auch für die diskrete Notfallhilfe über die Notrufe 110 und 112 verfügbar sein. Diese Frist ermöglicht die technische Umrüstung der Notrufzentralen. Danach können Hilferufende in Situationen, in denen sie nicht sprechen können, einen Notfall per Texteingabe melden.

Auch in anderen EU-Ländern sind Netzbetreiber verpflichtet, RTT anzubieten, doch das ist nicht überall der Fall. „Der Dienst im Ausland funktioniert nur dann, wenn der ausländische Netzbetreiber RTT unterstützt“, heißt es bei der Deutschen Telekom. In den USA ist er bereits seit 2017 aktiv.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.

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