«Wir haben in diesem Jahr zu wenig Kartoffeln.» Das hat der russische Präsident Wladimir Putin vor ein paar Wochen im Fernsehen gesagt. Die gesamte Ernte des vergangenen Jahres sei bereits aufgebraucht, so Putin. Die Knappheit wirkt sich auch auf die Preise aus: Ein Kilo Kartoffeln ist dreimal so teuer wie vor einem Jahr. Russland-Korrespondent Calum MacKenzie über die Hintergründe.
Warum sind Kartoffeln in Russland Chefsache?
Die Preise für Kartoffeln sind enorm gestiegen. Sie sind in Russland ein wichtiges Grundnahrungsmittel, ein fester Bestandteil vieler Alltagsgerichte. Im Schnitt isst eine Russin oder ein Russe ein Kilo Kartoffeln pro Woche – und dieses Kilo kostet umgerechnet etwa einen Franken. Das geht in einem Land, wo die Löhne für viele nicht besonders hoch sind und auch die Renten nicht, ins Geld.
Warum war die Ernte in Russland letztes Jahr schlecht?
Im Mai gab es noch Frost und Schneefall in weiten Teilen von Russland. Aber die Probleme in der russischen Landwirtschaft gehen tiefer. Die Inflation ist in Russland sehr hoch, viele Produkte sind teurer geworden – auch solche wie Dünger, die die Bauern für eine erfolgreiche Ernte brauchen.
Eine Russin oder ein Russe isst ein Kilo Kartoffeln pro Woche.
Und genau wegen dieser Inflation hat die russische Zentralbank seit Monaten einen sehr hohen Leitzins festgelegt, um die Wirtschaft ein bisschen abzukühlen. Aber das schafft neue Probleme: Der hohe Leitzins erschwert Kreditaufnahmen für Bauern, um einen neuen Traktor oder andere Landwirtschaftstechnik leisten zu können.

Wie hängt der Saatgut-Mangel mit dem Westen zusammen?
Russland will in allen Sektoren zunehmend selbstversorgend sein, auch in der Lebensmittelproduktion. Deswegen hat der Kreml diese Importbeschränkung für Saatgut aus sogenannt «unfreundlichen Ländern» eingeführt. Das sind im Prinzip alle Länder, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben, also auch die Schweiz. Allerdings ist russisches Saatgut minderwertiger als das europäische, auf das man sich zuvor verlassen hatte. Die Ernten sind deswegen schlechter.
Wie wirkt sich der Krieg gegen die Ukraine auf die russische Landwirtschaft aus?
Der Krieg steckt eigentlich hinter all den Problemen, die die Wirtschaft und die Landwirtschaft haben. Die Inflation ist hoch, weil der Staat massiv Geld in die Rüstungsindustrie pumpt. Das führt zu hohen Preisen und teuren Krediten, die den Bauern zu schaffen machen. Zudem besteht ein akuter Arbeitskräftemangel. Und das hat in zweierlei Hinsicht mit dem Krieg zu tun: Einerseits sind die Männer als Soldaten gesucht. Darum fehlen sie zum Beispiel als Lastwagenfahrer.
Der Kreml hat eine Importbeschränkung für Saatgut aus ‹unfreundlichen Ländern› eingeführt.
Andererseits fehlen in Russland auch Saisonarbeitende, die vor allem aus Zentralasien kommen. Sie bleiben lieber zu Hause oder gehen in ein anderes Land, unter anderem wegen des rechtspopulistischen Klimas in Russland.
Was will die Regierung jetzt tun?
Hier und da wurden Massnahmen eingeführt, die eher dazu dienen, den Anschein zu erwecken, man tue etwas. Es gibt beispielsweise regionale Exportverbote für Kartoffeln. Aber was die Regierung eigentlich tun müsste, ist, Kartoffeln aus dem Ausland zu importieren – aus Ägypten zum Beispiel. So kann die Nachfrage gedeckt werden.
Wie regieren die Menschen?
Die Menschen leiden schon lange unter der Teuerung, aber öffentlich gibt es kaum Kritik oder es wird kaum ausgesprochen, dass das Problem letztlich mit der Politik des Kremls zusammenhängt. Die Frage ist eher, wie lange die russische Wirtschaft in diesem Teufelskreis noch weiter funktionieren kann.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke