Angesichts der sich häufenden Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten warnt die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) vor erheblichen Sicherheitsrisiken und einer zunehmenden Belastung für das fliegende Personal. "Die geopolitischen Spannungen in der Region stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko für den zivilen Luftverkehr dar", erklärte die Gewerkschaft auf Anfrage von Capital. Flugrouten müssten kontinuierlich angepasst werden, was die Flugplanung erschwere und zu einem "deutlich höherem Stresslevel" im Cockpit führe.
Besonders betroffen seien die Lufträume über dem Iran, Irak, Israel, Jordanien und dem Libanon. Diese gelten laut VC wegen militärischer Aktivitäten, Luftabwehrsystemen und potenzieller Fehleinschätzungen als hochriskant. Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA habe daher ein Conflict Zone Information Bulletin (CZIB) für die Region veröffentlicht.
Deutlich längere Flugzeiten wegen Krieg
Zahlreiche Airlines umfliegen derzeit großräumig die Krisenregionen, was zu längeren Flugzeiten von bis zu mehreren Stunden führt. Flugzeuge auf Routen zwischen Europa mit Zielen wie Indien oder Ostasien weichen häufig über die arabische Halbinsel und den Indischen Ozean oder den Südkaukasus aus.

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Dazu kommt, dass viele der ursprünglich effizienteren Flugrouten ohnehin seit Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen. Der ukrainische Luftraum ist beispielsweise seit Beginn des russischen Angriffskriegs komplett gesperrt. Auch Russland wird von westlichen Fluggesellschaften aufgrund von Sanktionen nicht mehr überflogen.
Die Folge: erhöhter Treibstoffverbrauch, logistische Mehrkosten und verlängerte Dienstzeiten für Crews. "Das wirkt sich alles auf die Wirtschaftlichkeit der Airlines aus und führt zu höheren Kosten pro Flug", sagte Luftfahrt-Experte Gerald Wissel von der Branchenberatung Airborne Consulting. Dazu beteiligten sich Fluggesellschaften aus China oder einzelnen Golfstaaten nicht an den Sanktionen und nutzten den russischen Luftraum weiterhin. "Dadurch haben europäischen Airlines wie die Lufthansa auf vielen Asien-Strecken einen klaren Wettbewerbsnachteil", so Wissel.
Eine Sprecherin der Pilotengewerkschaft VC verwies zudem darauf, dass entlang der neuen Routen zusätzliche Zwischenstopps oder Crew-Wechsel erforderlich seien. "Insgesamt ergibt sich daraus eine dauerhafte Belastung, die – sofern nicht angemessen berücksichtigt – negative Auswirkungen auf die Flugsicherheit haben kann."
Ein weiteres Problem sei die absichtliche Störung von GPS-Signalen in den betroffenen Regionen, die Auswirkungen auf die Bordelektronik haben könnte. Das erfodere eine erhöhte Aufmerksamkeit der Besatzungen – auch über die kritischen Zonen hinaus. Die Ungewissheit über mögliche kurzfristige Routenänderungen sei für die Piloten auch psychologisch eine Herausforderung.

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Flugpreise könnten weiter steigen
Auch am Boden machen sich die geopolitischen Krisen zunehmend bemerkbar. In der vergangenen Woche kam es an einzelnen großen Flughäfen zu Verspätungen, mehrere hundert Flüge wurden sogar gestrichen. Für Passagiere könnten sich die aktuellen Entwicklungen in Form höherer Flugpreise bemerkbar machen. "Längere Routen, erhöhter Personalbedarf und steigende Sicherheitsanforderungen verursachen zusätzliche Kosten", so die Vereinigung Cockpit.
Auch Luftfahrtexperte Gerald Wissel von Airborne Consulting erwartet durch die längeren Routen mittelfristig höhere Ticketpreise. "Zunächst werden Airlines versuchen, die Mehrkosten über Zuschläge aufzufangen. Ab dem kommenden Jahr dürften dann aber auch die regulären Preise steigen", so Wissel gegenüber Capital.
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