Die Arktis ist zum Schauplatz heftiger geopolitischer Kontroversen geworden. US-Präsident Donald Trumps Rückkehr befeuere mit seinen Absichten zur Übernahme von Grönland ein völlig neues Machtspiel, sagt Svein Vigeland Rottem vom Fridtjof-Nansen-Institut am Oslo-Fjord.
Rational spreche kaum etwas für Trumps Absichten: Militärisch seien die USA in Grönland, das zu Dänemark und damit zur Nato gehört, ohnehin präsent – und könnten es noch stärker sein. Das wirtschaftliche Potenzial, vor allem Öl, Gas und Mineralien, werde seit Jahren beschworen, sei aber in absehbarer Zeit kaum zu vertretbaren Kosten nutzbar. Sähen US-Firmen jetzt schon Chancen für Investitionen, wären sie laut Rottem in Grönland aber hochwillkommen.
Russland will Stabilität
Im norwegischen Spitzbergen wiederum macht sich Russland breit. Das löst ebenfalls Unruhe aus. So zelebrierten die Russen neulich in ihrer Siedlung in Barentsburg den Sieg über Nazi-Deutschland mit einer Motorschlitten-Parade. Sie sind mit Patrouillen und hybrider Kriegsführung zunehmend präsent.

Dennoch ergäbe laut Rottem eine militärische Übernahme Spitzbergens für Russland keinen Sinn. Denn als mit Abstand grösster Arktisanrainerstaat mit der grössten Bevölkerung, den stärksten wirtschaftlichen und militärischen Interessen im hohen Norden sei Russland an Stabilität interessiert. Sonst könne es die Arktis gar nicht nutzen. Dazu kommt: Die meisten russischen Atomraketen sind auf der nahen Kola-Halbinsel stationiert. Auch ein Argument, keine regionale Instabilität zu schaffen.
Stillstand im Arktis-Rat
Man dürfe aus westlicher Sicht nicht naiv sein, aber die Fakten nicht ausblenden, betont Rottem. Diese zeigten, dass alle neun Arktisanrainerstaaten hinter den soliden völkerrechtlichen Regelungen im hohen Norden stünden, nicht zuletzt dem UNO-Seerecht. Und soeben, im Mai, hätten sich alle Arktisstaaten zum Fortbestand der wichtigsten regionalpolitischen Organisation bekannt, des Arktis-Rats.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der Arktis-Rat weitgehend lahmgelegt. Jetzt soll er zumindest punktuell – etwa wenn es um Rettungsoperationen oder Wissenschaft geht – wiederbelebt werden. Jede Zusammenarbeit mit dem aggressiven Russland sei zwar ein Balanceakt, so Rottem. Doch ganz ohne Kooperation mit den Russen in der Arktis gehe es eben nicht.
China als «Fast-Arktischer-Staat»
Neu auf die arktische Bühne bringt sich auch China. Mit Wissenschaftlern sei es gar schon längere Zeit präsent, sagt Görild Heggelund, die China-Fachfrau am Fridtjof-Nansen-Institut. Doch seit sich China neuerdings als «Fast-Arktischer-Staat» bezeichnet und in einem Weissbuch seine Arktis-Strategie ausbreitet, fragten sich viele, wie weit die chinesischen Ambitionen reichten. Rottem vermutet, dass es Peking vor allem darum geht, das Land überall auf der Welt und damit auch in der Arktis als Supermacht zu positionieren.

Die Arktis sei im globalen Machtspiel der Grossen auf einmal relevant geworden, erklärt Forschungsprofessor Andreas Östhagen. Aufgerüstet werde jedoch vorläufig primär rhetorisch. Vor Ort passiere deutlich weniger, was beunruhigen müsste.
Ein grosser Krieg in der und um die Arktis stehe also nicht an, so die vorherrschende Meinung am Nansen-Institut. Vorausgesetzt, es verfolgen alle Akteure nüchtern ihre Interessen und sind nicht auf Abenteuer aus.
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