Eigentlich ist die Mietpreisbremse keine schlechte Idee. Sie könnte dafür sorgen, dass Neuvertragsmieten nicht zu schnell steigen und dadurch der Markt „einfriert“. Sind neue Verträge zu teuer, haben viele Haushalte keinen Anreiz mehr umzuziehen, weil die Miete in der neuen Wohnung im Vergleich zur aktuellen Miete unverhältnismäßig hoch ist.
Doch das scheint nicht zu funktionieren, obwohl die Mietpreisbremse in aktuell fast 500 Städten und Gemeinden gilt, und das teilweise schon seit zehn Jahren. Vielerorts steigen die Neuvertrags- oder Angebotsmieten nahezu ungebremst, und der sogenannte „Lock-in-Effekt“ ist weitverbreitet.
Das hat mehrere Gründe, und einer davon ist eigentlich eine Nebenbedingung, die der Gesetzgeber selbst aufgestellt hat: Wer die Mietpreisbremse einführt, muss gleichzeitig für ausreichend Neubau sorgen. Dass die neue Bundesregierung jetzt zuerst die Mietpreisbremse bis Ende 2029 verlängert und ein neues Baurecht und neue Bauförderung erst an zweiter Stelle stehen, ist deshalb – mindestens – ein schlechtes Zeichen.
Die Mietpreisbremse ist legitim
Zunächst aber ist festzuhalten: Die Mietpreisbremse ist in der sozialen Marktwirtschaft ein legitimes Instrument, um vorübergehend zu verhindern, dass sich ein Marktteilnehmer eine Mangelsituation zunutze macht und einen anderen Marktteilnehmer übervorteilt. Das ist mit dem Grundgesetz vereinbar und vom Verfassungsgericht so bestätigt. Die Mietpreisbremse ist dabei nicht zu verwechseln mit einem Mietendeckel, wie er in Berlin eingeführt werden sollte und der strikte und damit unzulässige Preisvorgaben für alle Wohnungen gemacht hätte.
Wo die Preisbremse gilt, darf die Miete bei einem neu abgeschlossenen Vertrag höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese sogenannten Mietspiegel-Mieten sind nicht in Stein gemeißelt. Sie sind 2024 bundesweit um 3,2 Prozent gestiegen und damit deutlich schneller als die Inflation mit 2,2 Prozent, wie aus dem gerade veröffentlichten FUB IGES-Mietspiegelindex hervorgeht, der sämtliche in Deutschland erschienenen Mietspiegel für Städte ab 20.000 Einwohnern auswertet.
Das bedeutet: Wer eine Bestandswohnung neu vermietet und sich an die im Bürgerlichen Gesetzbuch definierten Mietregeln hält, profitiert vom allgemeinen Mietpreisanstieg – erst recht in Städten wie Berlin – und kann zehn Prozent draufschlagen.
Wer es unter diesen Bedingungen nicht schafft, eine auskömmliche Miete zu erwirtschaften, macht in der Regel etwas falsch. Für manche Vermieter ist das ein schwer erträglicher Gedanke, doch das trifft eben zum großen Teil auf jene Marktteilnehmer zu, die zu teuer gekauft haben und im Nachhinein feststellen, dass der Cash-flow, also die Mieteinnahmen, in keinem sinnvollen Verhältnis zum vermeintlichen Vermögenswert einer Immobilie stehen.
Anders gesagt: Wer in Berlin eine 80-Quadratmeter-Wohnung für 7000 Euro den Quadratmeter kauft und sich dann darüber wundert, dass in einer Stadt mit einem durchschnittlichen verfügbaren Haushaltseinkommen von 2575 Euro die allermeisten Menschen eine Bruttomietrendite-Erwartung von 3,5 Prozent (das wären hier etwa 2000 Euro Monatsmiete) nicht erfüllen können, ist selbst schuld – so wie ein Aktionär, der eine völlig überbewertete Tesla- oder Telekom-Aktie kauft.
Kaufpreise haben sich abgekoppelt
In vielen Städten haben sich die Vermögenswerte vom realwirtschaftlichen Geschehen abgekoppelt. Dafür ist das Mietrecht nicht verantwortlich, sondern allenfalls eine fatale Niedrigzinspolitik, Ideenlosigkeit bei der Geldanlage und fehlendes Angebot.
Aus Ärger oder weil ihre Rechnungen nicht aufgehen, ignorieren viele Vermieter die Mietpreisbremse-Regeln im BGB und lassen es darauf ankommen, dass Mieter nicht ihr Recht einfordern. Meistens mit Erfolg, da sie keine Sanktionen zu befürchten haben. Das ist der Hauptgrund dafür, dass die Preisbremse nicht funktioniert, und das wissen auch die Interessenvertreter der Branche ganz genau.
Dabei gibt es wichtige Ausnahmen von der Mietpreisbremse. Für eine höhere Vormiete gilt Bestandsschutz. Und wer umfassend modernisiert, kann entsprechend hohe Preise verlangen. Vor allem aber sind alle Neubauten mit Erstvermietung ab Oktober 2014 ausgenommen. Das Argument, die Mietpreisbremse verhindere den Neubau, läuft damit ins Leere, auch wenn es seit zehn Jahren immer wieder angeführt wird. Die Mietpreisbremse sorgt auch nicht für mehr Neubau. Eine Mietpreisbremse soll Mieten bremsen. Dieser nicht nur semantische Unterschied ist für manche schwer zu begreifen. Ökonomisch streng genommen müsste die Preisbremse sogar den Neubau anreizen, da dieser Marktbereich unreguliert ist.
Lediglich große Bestandshalter wie Vonovia oder kommunale und genossenschaftliche Unternehmen könnten argumentieren, dass ihnen wegen der Mietpreisbremse zusätzliche Liquidität verloren geht, die für die Querfinanzierung eventueller Neubauprojekte fehlt. Hier könnten Städte und Gemeinden aber durch günstige und vor allem massenweise Bereitstellung von Bauland Abhilfe schaffen, was sie leider nicht tun.
Und genau hier beginnt der wirklich problematische Bereich. Länder, Städte und Gemeinden haben es seit 2015 nicht geschafft, die Ursachen für die Notwendigkeit einer Preisbremse zu beseitigen: das fehlende Angebot. Neubau ist eine der drängendsten Aufgaben seit Einführung der Mietpreisbremse, und der Staat schafft es nicht, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Mietpreisbremse nur mit Baupflicht
Insofern hat es mindestens Symbolcharakter, dass die neue Bundesregierung als Erstes die Verlängerung der Mietpreisbremse dem Parlament vorlegt, und sich der von Bauministerin Verena Hubertz versprochene Bauturbo mit neuen Regeln im Baugesetzbuch verzögert. Offenbar gibt es Einwände aus dem Umweltressort.
Ja, Neubau verbraucht Fläche und Ressourcen. Doch die Menschen, die auch in den kommenden Jahren in die Ballungszentren strömen werden, weil dort die meisten Arbeitsplätze der Zukunft entstehen und dort der beste Zugang zu einem sich schnell wandelnden Arbeitsmarkt möglich ist, brauchen genug Wohnraum. Der Umbau von kaputten Gewerberäumen, Aufbau teurer Dachgeschosse, oder eine Umsiedlung in ländliche Regionen hilft da nicht weiter.
Wer die Mietpreisbremse verlängert, sollte die damit verbundene Bauverpflichtung für Städte und Gemeinden verschärfen, sollte das im Umweltsektor häufig angewandte Verbandsklagerecht entschärfen, Flächenfreigabe mit Geld aus der Städtebauförderung belohnen und technische Mindestregeln für den Bau für die Länder festlegen. Sonst geht die Legitimation für die Mietpreisbremse eben doch verloren.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.
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