Kai-Uwe Steck und sein Mentor Hanno Berger haben den Staat im Cum-Ex-Skandal um Millionen betrogen. Jetzt fällt das Gericht sein Urteil gegen den Kronzeugen Steck.

Finale im derzeit wichtigsten Cum-Ex-Verfahren Deutschlands: Am Dienstag soll in Siegburg bei Bonn das Urteil gegen den Kronzeugen Kai-Uwe Steck fallen. Es wird auch deshalb mit Spannung erwartet, weil klar werden dürfte, welches Strafmaß weiteren Kronzeugen droht. Allein Steck soll einen Schaden von 428 Millionen Euro verursacht haben.

Als Cum-Ex gelten jene illegalen Aktiengeschäfte, mit denen sich geschickte Investoren Steuern mehrfach zurückerstatten ließen – und den Staat so um Milliarden betrogen. Dabei kauften sie Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag und verkauften sie danach schnell wieder. Durch diese Transaktionen konnten sich Anleger mithilfe von Banken und Fonds die einmalig gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten lassen. Den Gewinn teilten die Beteiligten untereinander auf. Deutschlands oberste Gerichte erklärten die Geschäfte schon früh für illegal, dennoch laufen sie nach Einschätzung von Experten wie Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker bis heute weiter.

50 Millionen Euro: Wo ist Stecks Cum-Ex-Beute?

Steck perfektionierte die Deals mit seinem Mentor und Geschäftspartner Hanno Berger, der früher Finanzbeamter war. Beide Männer bauten daraus in den 2000er Jahren ein Geschäftsmodell, das für sie jahrelang prächtig funktionierte. Steck soll damit 50 Millionen Euro Beute gemacht haben – von denen derzeit aber jede Spur fehlt. Eigentlich hatte er beim Prozess gegen seinen Kumpanen Berger Ende 2022 versprochen, sie zurückzuzahlen. Doch während Berger ins Gefängnis wanderte, wartet der deutsche Staat bis heute auf die Rückzahlung. 

Laut Landgericht Bonn überwies Steck bislang nur 11 Millionen Euro zurück, 39 Millionen Euro stehen noch aus. Vor Gericht geht es daher auch um Stecks Glaubwürdigkeit. Die ausstehende finanzielle Wiedergutmachung war wohl mit ein Grund, warum Chef-Ermittlerin Brorhilker in ihren letzten Monaten im Amt Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen Steck erhob. Seit November 2024 läuft der Prozess. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten für Steck, die Einziehung von 26 Millionen Euro seines Vermögens und ein temporäres Berufsverbot für vier Jahre.

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Doch die Millionen einzutreiben, wird gar nicht so einfach werden. Denn wie Recherchen von "WDR"und "Süddeutscher Zeitung" zeigen, sind Firmen, in die Steck mutmaßlich einen Teil seiner Beute investiert hatte, bereits seit 2023 insolvent. Dem Landgericht Bonn hatte er allerdings erst im Februar 2025 gestanden, dass das vermeintliche Vermögen verloren sein soll.

Cum-Ex-Skandal: Kronzeuge Steck arbeitet noch immer als Jurist

Steck kommt aus einfachen Verhältnissen, ist selbst Rechtsanwalt und seit 2001 vor allem im internationalen Bank- und Kapitalanlagerecht unterwegs. Als berufliche Stationen nennt er internationale Großkanzleien in Frankfurt, New York und London. Im Jahr 2010 zog er in die Schweiz, wo er seither arbeitet. Steck ist durchaus redselig: Zuletzt sprach er in einer ZDF-Dokumentation über seine Beteiligung am Cum-Ex-Betrug. 

2017 begannen dann die ersten Vernehmungen durch Brorhilker. "Durch dessen Befragungen kamen wir an weitere Insider, die lange Zeit bei großen internationalen Investmentbanken gearbeitet haben", sagte Brorhilker im Capital-Interview. "Einer [der Insider; Anm. d. Red.] erzählte uns, er sei extra eingestellt worden, um die Steuersysteme verschiedener Länder gegenei­nander auszuspielen. Er habe damals ein Handbuch bekommen mit quasi den besten 100 Steuertricks, und er sollte das weiterentwickeln."

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Seit 2019 hat Steck in fast einem Dutzend Strafprozessen als Zeuge ausgesagt, mehrere Täter wurden aufgrund dessen verurteilt. Steck gilt als belastbarer Zeuge, wie die Verteidigung hervorhob. "Die Verlässlichkeit der Aussagen unseres Mandanten wurde bislang von keinem Gericht in Zweifel gezogen, sondern in fast jedem Urteil akzentuiert bekräftigt", sagte sein Verteidiger Gerhard Strate. Ihm zufolge haben Stecks Aussagen dem Staat Rückzahlungen in Höhe von 853.413.858,49 Euro eingebracht. Eine Straffreiheit garantiert ihm das aber nicht: Kronzeugen bleiben nicht automatisch unbelangt, wenn sie bereit sind, gegen andere Beschuldigte auszusagen. Steck pochte in der Vergangenheit auf Straffreiheit, weil die ihm von Brorhilker zugesagt worden sei, was diese aber leugnet. Der Status des Kronzeugen oder der Kronzeugin kann jedoch erhebliche Vorteile für die betreffende Person bringen.

Nun wird sich zeigen, was Steck die Kooperation mit der Staatsanwaltschaft gebracht hat. Sein Verteidiger plädiert darauf, das Verfahren gegen den Angeklagten einzustellen.

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