Dem VfL Bochum gelingt die kleine Sensation in der Fußball-Bundesliga. Beim maximal rotierten FC Bayern feiert der kleine Revierklub einen Auswärtssieg - nach 0:2-Rückstand. Die Münchner stehen zwar doof darf, passiert ist ihnen allerdings nichts.

Als der VfL Bochum zuletzt mit 3:2 gegen den FC Bayern gewann, musste der Trainer der Münchner gehen. Im Februar des vergangenen Jahres wurde nach der Pleite im Ruhrstadion beschlossen, dass die anstrengende Zeit mit Thomas Tuchel im Sommer enden muss. Seinem Nachfolger, dem erst nach langer, langer Suche gefundenen Vincent Kompany, steht ein ähnliches Schicksal nun nicht bevor. Er darf Trainer bleiben. Ins Gerede aber wird er kommen, weil er seine Mannschaft zwischen den Achtelfinal-Duellen in der Champions League gegen Bayer 04 Leverkusen maximal rotiert hatte - sich damit heftig verkalkulierte und übelst aufschlug. Bis auf den gebürtigen Bochumer Leon Goretzka war alles neu beim FC Bayern, zehn Wechsel gab es. Bochum gewann mit 3:2.

In diesem Ergebnis stecken gleich mehrere Sensationen. Noch nie hatte der VfL in seiner Bundesliga-Historie auswärts einen Tabellenführer geschlagen. Zum ersten Mal seit 1991 gab es wieder einen Sieg in München, bis auf zwei Spieler, Anthony Losilla und Christian Gamboa, waren alle Vertragsspieler der Bochumer damals noch nicht geboren. Und die Bochumer hatten bereits mit 0:2 hinten gelegen. So etwas lässt sich ein FC Bayern vor eigenem Publikum eigentlich nicht mehr aus der Hand nehmen, nicht gegen einen Abstiegskandidaten. Was also war hier los? Wie konnte Derartiges in der Allianz Arena passieren?

Ganz viel in der Erklärung findet sich in der 42. Minute, als der 51-Millionen-Euro-Mann Joao Palhinha seinem Gegenspieler Georgios Masouras unabsichtlich und fies auf den Fuß trat. Der Portugiese sah Rot, die Bayern waren zu zehnt. Und die Laune auf der teuersten Bank der Fußball-Bundesliga richtig mies. Harry Kane, Jamal Musiala, Michael Olise und Joshua Kimmich guckten wie sieben Tage Regenwetter, dabei war eigentlich alles herrlich sommerlich und bestens angerichtet. Die Fans hatten sich anlässlich des 125-jährigen Bestehens eine gigantische Choreo ausgedacht. Sogar Uli Hoeneß auf der Ehrentribüne half tatkräftig mit und hob ein rotes Quadrat in die Luft. Das sah prima aus. Und begann auch prima für den FC Bayern.

Bochum wäre fast schon komplett weg gewesen

"Zu Beginn hätte es auch 3:0 oder gar 4:0 stehen müssen, dann wären wir weg gewesen", befand Bochums Trainer Dieter Hecking. "Wir wurden am Leben gelassen und diese Mannschaft steht immer wieder auf. In der Halbzeitpause habe ich nur gesagt: Passt auf, Jungs, man kriegt nicht oft die Chance, eine ganze Halbzeit gegen 10 Mann in München zu spielen. Wir dürfen jetzt nicht zu devot bleiben, wir müssen aktiver werden, mehr nach vorne machen und früher attackieren. Dass es dann so gelingt, ist ein Trainerwunsch." Nach dem Schlusspfiff ließ er einen lauten Schrei der Freude los. Auch Hecking gewinnt nicht oft in München.

Nach 14 Minuten führten die Bayern dank Raphael Guerreiro mit 1:0. Nach 18 Minuten scheiterte Eric Dier am starken Timo Horn mit einem Kopfball. Nach 22 Minuten setzte Serge Gnary einen Elfmeter an den Pfosten und nach 28 Minuten stand es 2:0. Wieder hatte Guerreiro zugeschlagen. Der Portugiese feierte in der durchgefegten Startelf der Münchner eine bemerkenswerte Auferstehung. In den vergangenen Wochen war er regelmäßig als Fachkraft auf der defensiven Außenbahn eingesetzt worden und reihte eine nicht gute Leistung an die nächste. Nun war er für Musiala auf der Zehn aufgeboten und war plötzlich auffälligster Mann.

Alles lief, wie es laufen sollte. Die Bochumer kannten das. In den vergangenen Jahren gab es häufiger gehörige Abreibungen. 0:7 war als Ergebnis keine Ausnahme (dreimal seit 2021). Aber plötzlich kam Jakov Medic. Es war sein zweiter großer Auftritt an diesem Nachmittag. Zunächst hatte er Leroy Sané arg stumpf abgeräumt, was Bayern den Elfmeter einbrachte. Nun aber langte er auf der "richtigen" Seite zu und hämmerte den Ball nach einer Ecke, abgefälscht noch von Thomas Müllers Oberschenkel, ins Münchner Tor (32.). Dort stand Jonas Urbig, auf den es doch noch gar nicht richtig ankommen sollte. So was es von den Bayern geplant. Der im Winter vom 1. FC Köln verpflichtete Youngster, der Jubel-Patient Manuel Neuer auch im CL-Duell mit Leverkusen vertreten muss, sollte eigentlich entspannt Spielpraxis sammeln. Doch es wurde stressig. Und dass er junge Torwart sich mit der Stamm-Verteidigung nicht einspielen konnte, könnte womöglich auch noch zu einem Problem werden.

Im Stadion war es in der ersten Halbzeit urplötzlich ruhig geworden. Im Gästeblock musste ein Fan reanimiert werden. Beide Lager stellten die lautstarke Unterstützung ein. Am Abend verkündete der VfL via X noch gute Nachrichten: "Soeben haben wir die Info bekommen, dass der VfL-Fan mittlerweile stabil und ansprechbar ist."

Kompany rotiert den FC Bayern ins Unglück

Kompany hatte sich mit einer Maximalrotation verzockt, die Mannschaft verlor sich immer mehr und war extrem unsortiert. Ibrahima Sissoko drückte den Ball per Kopf nach 51 Minuten ins Tor, Urbig streckte sich, war aber zu kurz. 2:2 und Kompany korrigierte sein fehlgeschlagenes Belastungssteuerungsexperiment. Seine B-Mannschaft brachte gar keine zielführende Gegenwehr mehr zustande. Kompany schickte Kane, Musiala, Olise und Konrad Laimer los. Später kam noch Joshua Kimmich. Dem VfL standen frische 300 Millionen Euro (Marktwert) gegenüber - aber er erhöhte auf 3:2. Laimer ließ sich den Ball von Tom Krauß einigermaßen mühelos abluchsen, Philipp Hofmann spielte Matus Bero frei und sehr viele Menschen schauten verdattert auf die Anzeigetafel. FC Bayern 2, VfL Bochum 3? Verrückt. Kompany schimpfte wütend vor sich hin, winkte genervt ab.

"Bisher habe ich keinen Sieg in München geschafft. 1:1 habe ich hier mal gespielt. Das war damals ein gefühlter Sieg. Jetzt ein echter Sieg - unglaublich", sagte Keeper Horn. Am vergangenen Spieltag beim Abstiegskampfduell entschied sein Patzer das Duell zugunsten der TSG Hoffenheim. Horn war der Depp, nun der Held. Nachdem Joker Moritz Broschinski das nächste Tor für Bochum liegen gelassen hatte, hielt der Bochumer Keeper wenig später einen Kopfball von Musiala herausragend. Das war eine Matchball-Parade. "Das fühlt sich an wie zehn Punkte - auch wenn es nur einen Sieg gibt."

Mit diesem Sieg ist die Mannschaft "vonne Castroper" plötzlich wieder mittendrin im Kampf um den direkten Klassenerhalt. Der galt nach dem völlig versemmelten Start in die Saison unter Peter Zeidler lange Zeit als völlig unrealistisch. Auch Nachfolger Dieter Hecking, der die Mannschaft immer weiter entwickelt, sprach vor wenigen Wochen noch davon, dass es erneut nur noch um die Relegation gehen würde. In der hatte sich der VfL in der vergangenen Saison auf die denkbar aufregendste Weise gegen Fortuna Düsseldorf gerettet. Ob man dieses Drama noch ein zweites Mal herausfordern sollte? Aber nun ist alles wieder möglich. Weil Union Berlin, das wegen des Feuerzeug-Wurfs und der völlig eskalierten Debatte danach eine besondere Geschichte mit den Bochumern hat, bedenklich wackelt und damit insgesamt fünf Teams unten plötzlich eng beieinander sind.

Mindestens an den Bundesliga-Standorten Hamburg (FC St. Pauli) und Kiel (Holstein) dürften die Geschehnisse von München noch eifrig diskutiert werden. Denn die Maximalrotation könnte den Münchnern durchaus noch als Wettbewerbsverzerrung ausgelegt werden. So sind die eigenen, durchaus überraschenden Punktgewinne in Wolfsburg und gegen Stuttgart einigermaßen freudlose Bonus-Zähler.

Auch Xabi Alonso geht baden und hat Sorgen

Kompany hatte das Sandwich-Spiel zwischen den hochemotionalen Spielen mit Leverkusen genutzt, um seinen Stars nach dem sehr herausfordernden Februar Pausen zu gönnen. Die Meisterschaft gilt seit Wochen, seit dem 0:0 in der Liga gegen den amtierenden Meister, als quasi eingetütet. Bayer-Coach Xabi Alonso machte es ähnlich, rotierte nicht ganz so wild. Seine Mannschaft verlor zu Hause 0:2 gegen Werder Bremen. Sollte es noch einen letzten ernsthaften Gedanken an die Titelverteidigung gegeben haben, er versank nun im Rhein. Aber vermutlich war das jedem Leverkusener ohnehin egal. Denn alle Gedanken galten dem kleinen Genie Florian Wirtz, der nach einem Foul womöglich schwerer verletzt ist. Am Abend war er noch zu einem MRT im Krankenhaus. Mit Granit Xhaka und Edmond Tapsoba bereiten zwei weitere Schlüsselspieler größere Sorgen. Das tut in Summe schon deutlich mehr weh als eine Niederlage gegen Bochum.

Thomas Müller, der Teilzeit-Gigant des FC Bayern, wollte über diesen bitteren Nachmittag nicht allzu viele Worte verlieren. "Vielleicht können wir es leichter abhaken, weil sich in der Tabelle nichts verändert hat. Ich weiß jetzt schon nichts mehr über dieses Spiel. Der volle Fokus geht auf Dienstag." Trainer Kompany war dagegen deutlich mehr verärgert und ahnte, dass seiner Aufstellung noch tüchtige Diskussionen folgen werden. Wenn es gut gehe, habe man alles richtig gemacht, sagte er. Es ging nicht gut. Folglich war wenig richtig gelaufen. "Wir suchen keine Ausreden und Entschuldigungen, wir haben verloren. Auch mit 10 Mann müssen wir natürlich den Anspruch haben, das Spiel zu gewinnen oder zumindest nicht zu verlieren. Das ist uns nicht gelungen. Es ist wichtig, dass wir uns auf die Reaktion konzentrieren." Die folgt am Dienstag. Und auf den war ohnehin schon vor dem Anpfiff alles fokussiert.

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