Am Ostermontag informierte Insolvenzverwalter Thomas Ellrich den Vorstand des Krefelder FC Uerdingen 05, dass der Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung eingestellt wird. In einer Erklärung vom Dienstag heißt es: „Gleichzeitig wurden alle Spieler zum heutigen Tag freigestellt, damit sie bei der Agentur für Arbeit entsprechende Leistung beantragen können.“
Die Todesnachricht für den früheren Bundesligisten und Pokalsieger (damals noch als Bayer Uerdingen). Sein Stadion, die Grotenburg, wird nun zur Totenburg. Aufstieg und Untergang eines Vereins, der Fußballgeschichte schrieb.
Der Pokal-Triumph
Der zweite Fußball-Werksklub des Bayer-Konzerns (neben Leverkusen) aus dem Krefelder Vorort Uerdingen steht lange im Schatten des Niederrhein-Nachbarn Gladbach. Zwischen 1975 und 1996 drei Auf- und Abstiege aus der Bundesliga. Den größten Triumph feiert Uerdingen am 26. Mai 1985. Das erste DFB-Pokalfinale in Berlin als ständigem Austragungsort. Das Olympiastadion ist nicht einmal ganz ausverkauft.
Bayern mit Matthäus, Augenthaler und Dieter Hoeneß ist haushoher Favorit. Doch Uerdingen siegt durch ein Tor von Wolfgang Schäfer 2:1. Kapitän Matthias Herget, der damals als „zweiter Beckenbauer“ gilt, jubelt mit dem DFB-Pokal. Und hält den mit Sekt gefüllten Pott mir, dem Reporter, in der Kabine entgegen: „Trink mal draus!“ Die Uerdinger hatten nicht einmal eine richtige Party vorbereitet, Torschütze Schäfer schläft mit dem Pokal im Bett ein.
Das Grotenburg-Wunder
Viertelfinale im Europapokal der Pokalsieger am 19. März 1986. Uerdingen hat das Hinspiel in Dresden 0:2 verloren, liegt im Rückspiel zur Pause 1:3 zurück. Alles vorbei? Trainer Kalli Feldkamp in der Pause zu seinen niedergeschlagenen Spielern: „Lasst uns das Ding so herunterspielen, dass wir erhobenen Hauptes hier hinausgehen können.“
Innerhalb von 23 Minuten dreht Uerdingen in der Grotenburg-Kampfbahn das Spiel. Am Ende 7:3 durch drei Tore von Wolfgang Funkel, dem Bruder von Rekordspieler Friedhelm (486 Einsätze für Uerdingen). Friedhelm Funkel fassungslos: „Ein Wunder.“ Das bis heute größte in der deutschen Europapokal-Geschichte. Vor 18 Millionen (!) Zuschauern im ZDF, das das deutsch-deutsche Duell zunächst gar nicht übertragen wollte.
Der Grotifant
Weil die Grotenburg direkt an den Krefelder Zoo grenzt, entschied sich der Verein für ein tierisches Maskottchen. Den Elefanten Grotifanten. Der ist keineswegs pflegeleicht. 1996 der erste Skandal.
Der Plüsch-Dickhäuter springt über die Bande und trötet dem Linienrichter seine Meinung. 2015 prügelt sich der Grotifant mit eigenen Fans. 2017 geht er auf den Schiedsrichter los, weil ihm eine Entscheidung nicht passt. Was wird nach der Insolvenz aus dem berühmten Maskottchen?
Der Anfang vom Ende
1995 entscheidet sich der Bayer-Konzern, der direkt am Rhein eine Chemiefabrik betreibt, aus finanziellen Gründen für den Ausstieg. Zwei Fußballprofi-Werksklubs sind ihm zu teuer. Leverkusen bleibt. Uerdingen wird fallen gelassen. Die anderen Sportabteilungen werden ausgegliedert. Die Fußballer starten als KFC Uerdingen neu.
Vor dieser Saison entsteht das kurioseste Mannschaftsbild der Bundesliga-Geschichte. Während Spieler und Stab für den Fotografen posieren, schwebt im Hintergrund ein Hubschrauber über der Szenerie. Darin sitzt der Chef des neuen Hauptsponsors Trigema, Wolfgang Grupp nebst Gattin Elisabeth.
Doch auch Grupps Engagement hilft nicht, der Absturz des Vereins beginnt.
Effenberg und russischer Investor
2016 steigt der in Düsseldorf lebende russische Investor Mikhael Ponomarev ein mit 97,5 Prozent an der „KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH“. Man weiß zwar nicht, woher sein Geld stammt. Doch er liebt es, sich mit berühmten Namen zu umgeben, um sie auch zügig wieder loszuwerden. Stefan Effenberg ist für nur 222 Tage Sportdirektor.
Ein Winter-Trainingslager in Italien muss abgebrochen werden, weil es dort zwar einen Golfplatz, aber keinen Fußballplatz gibt. Weltmeister Kevin Großkreutz kassiert in der 3. Liga runde 50.000 Euro pro Monat. Als ihm Ponomarev das Gehalt halbieren will, ist Schluss in Uerdingen. Angeblich buttert der Russe fünf Millionen Euro pro Saison in sein Projekt, will ein neues Stadion bauen, soll Spieler in der Kabine beleidigt haben. Und ist 2021 wieder weg.
Fünf Insolvenzen
Sportlich pendelt der KFC bis runter zur 6. Liga. Und finanziell hangelt sich der Klub am Abgrund entlang. Das jetzt laufende Insolvenzverfahren ist bereits das fünfte – und sehr wahrscheinlich das letzte. Der Vorstand prüft noch juristische Schritte gegen die Einstellung des Spielbetriebs. Ein Verzweiflungsakt um aufzuhalten, was nicht mehr aufzuhalten ist?
Auf Anfrage der Redaktion erklärt der Insolvenzverwalter: „Der Insolvenzverwalter kann nachvollziehen, dass der Vorstand alle rechtlichen Möglichkeiten prüft. Dazu stellen wir fest: Mit Verfahrenseröffnung Anfang April 2025 hatte der Insolvenzverwalter den Vereinsverantwortlichen mitgeteilt, dass er den Spielbetrieb nur dann aufrechterhalten kann, wenn die Finanzierung des Spielbetriebs bis Saisonende sichergestellt ist. Die notwendigen Mittel in ausreichender Höhe wurden allerdings nicht in der vorgegebenen Frist beigebracht, sodass er – wie dem Vorstand mehrfach mitgeteilt – den Spielbetrieb einstellen (§ 158 InsO) und die Arbeitnehmer unwiderruflich freistellen musste. Der Insolvenzverwalter kann es nicht verantworten, dass die Mitarbeiter und Spieler weiter für den Verein tätig sind, ohne dass deren Lohnforderungen gesichert sind. Neben den reinen Nettolohnforderungen müssen ja auch die Lohnnebenkosten der Mitarbeiter ausgeglichen werden.“
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD veröffentlicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke