Mario Götze muss einst raus aus der Bundesliga. Weniger Fokus, neuer Spaß am Fußball - das bekommt er in den Niederlanden. Längst ist er zurück in Deutschland, ein "Anker" bei Eintracht Frankfurt. In der Europa League kehrt er zurück in das Land, in dem seine Liebe neu entfacht, Störgeräusche inklusive.

Mario Götze ist zurück in dem Land, in dem er seine Liebe zum Fußball wiederfand: In den Niederlanden. Dorthin war er im Herbst 2020 gewechselt, als es bei Borussia Dortmund schon lange nicht mehr lief. Seine erste große Liebe war nicht mehr das, was sie mal war. Einst hatte er den BVB als gefeierter, aufsteigender Star verlassen in Richtung FC Bayern. Als Münchner hatte er Deutschland zum WM-Titel 2014 geschossen - "mach ihn, mach ihn, er macht ihn", war dann aber erkrankt und lange ausgefallen. Aus der Versenkung wechselte er 2016 zurück zum BVB, doch die Liebe, sie war nicht mehr so, wie sie mal war.

Hinzu kam der immense Druck, den er sich 2014 eingebrockt hatte. Es sei wirklich "nicht die beste Idee, das Tor deines Lebens mit 22 Jahren zu schießen", blickte er im vergangenen Jahr in der "Zeit" auf die Szene zurück, die ihn zum Helden und zum Topstar machte.

Also raus aus dem Land, wo er der Held ist. Rein in die Niederlande. Eredivisie. PSV Eindhoven. Und der Klub ist das Problem bei der Rückkehr Götzes. Denn er spielt an diesem Donnerstagabend mit Eintracht Frankfurt, wo er seit 2022 aktiv ist, bei Ajax Amsterdam. PSV und Ajax, deren Stadien etwa 120 Kilometer voneinander entfernt liegen, hassen sich so leidenschaftlich, dass die Rivalität einen Namen hat: "De Topper". Vor fast 94 Jahren gab es das erste Duell der beiden Teams, 186 Mal standen sie sich seitdem gegenüber.

Und Fußballfans haben bekanntlich ein hervorragendes Gedächtnis, wenn es um Freund- und Feindschaften geht. Götze hat mal beim Feind gespielt? Wunderbar, also wird er ausgepfiffen. Schon vor Spielbeginn, bei der Vorstellung der Mannschaften.

Götze mit ungewöhnlicher Torvorlage

Er wolle in den Niederlanden "wieder Fuß fassen, wieder auf ein Toplevel kommen, wieder Fußball spielen. Ich bin überzeugt, den richtigen Schritt gemacht zu haben", hatte Götze 2020 seinen Wechsel ins Nachbarland erklärt. Und viereinhalb Jahre später zeigt er eben gegen Ajax, dass er international mithalten kann. Der 32-Jährige ist längst viel zu abgeklärt, als dass er sich von einem Pfeifkonzert ablenken lassen würde.

Gereift durch 66 Länderspiele und 69 Partien in der Champions League geht er sein 24. Spiel in der Europa League an. Und muss als halbherzig abgestellte Ein-Mann-Mauer nach der Freistoßflanke von Kenneth Taylor schon in der zehnten Minute miterleben, wie Brian Brobbey völlig frei per Kopf trifft. Der 23-Jährige aus der eigenen Jugend, der sein Glück bei RB Leipzig gesucht, aber nicht gefunden hatte, und dann dahin zurückgekehrt ist.

Doch Götze und seine Frankfurter - seine neue Liebe in der Bundesliga - antworten umgehend mit Torgefahr. Erst scheitert Ansgar Knauff - noch so ein Ex-Dortmunder, der auszog und in Frankfurt sein Glück fand - im Eins-gegen-Eins-Duell mit Torhüter Remko Pasveer (12.), nur eine Minute später kommt Götze im Strafraum an den Ball, will ihn in die Mitte zu Hugo Etikité legen, doch Josip Sutalo grätscht dazwischen und kann gerade noch so klären.

In der 28. Minute ist Ajax dann aber fällig - und Götze ist maßgeblich daran beteiligt. Einen Freistoß schießt er nicht etwa in Richtung Tor, sondern passt quer nach halblinks, wo Hugo Larsson freisteht und aus etwa 19 Metern draufhält. Weil Brobbey mit dem Rücken abfälscht, hat der inzwischen für den verletzten Pasveer eingewechselte Jay Gorter keine Chance. Der Ball landet unhaltbar im linken Toreck. Es ist der nach schwacher Anfangsphase verdiente Ausgleich zum 1:1.

Erinnerungen an Europa-League-Sieg

Zuletzt hatte die Eintracht in der Bundesliga zwei hohe Niederlagen gegen den FC Bayern (0:4) und Bayer Leverkusen (1:4) kassiert. Eben jene beiden Teams, die als einzige vor den Frankfurtern platziert sind. Der Abgang von Topstürmer Omar Marmoush zu Manchester City hatte ein Loch ins Team gerissen. Leistungstechnisch, aber offenbar auch beim Selbstverständnis des Europa-League-Siegers von 2022.

Eine rauschende Party mit zigtausenden in weiß gekleideten Fans hatte der Klub damals gefeiert. Die Erinnerungen daran leben - werden sie auch wieder aufleben? Mit Torhüter Kevin Trapp, Verteidiger Tuta und Knauff standen gegen Ajax drei in der Startelf, die damals das Finale gegen die Glasgow Rangers im Elfmeterschießen gewannen.

Götze kam erst danach zum Team. Bis 2026 läuft sein Vertrag mit der Eintracht, es gibt die Option auf ein weiteres Jahr. Derzeit klingt alles danach, als würde es so kommen: "Meine Familie ist happy. Ich bin happy. Ich kann viel spielen und habe Spaß und Freude am Fußball. Mit dem Bewusstsein, dass die Karriere endlich ist und ich nicht ewig Fußball spielen kann, will ich meine Zeit genießen. Für mich und meine Familie passt hier alles zusammen: Stadt, Stadion und Fans", richtete er vergangene Woche beim traditionellen Frühjahrsempfang des Klubs eine Liebeserklärung an Frankfurt.

Noch ein alles entscheidendes Tor von Götze?

Sportvorstand Markus Krösche erklärte: "Du brauchst Anker in der Mannschaft. Und Mario ist ein solcher Anker." Das zeigt der Angesprochene auch gegen Ajax. Ecke oder Freistoß - klar, das ist Götzes Sache. Er strahlt Ruhe am Ball aus, ist Verteiler, nicht Vollstrecker, das aber mit aller Abgeklärtheit des erwachsen gewordenen Stars. 88 Prozent seiner gespielten Pässe kommen an, er ist clever im Zweikampf, vorausschauend im Stellungsspiel. Und er kann in der 70. Minute mitfeiern, als sein Team 2:1 in Führung geht. Knauff setzt sich auf der rechten Außenbahn nach einem hohen Steilpass gegen Youri Baas durch - ohne Foul, wie Ajax vehement reklamiert - und hat viel Raum. Er hat Platz, in den Sechzehner einzulaufen, legt sich den Ball etwas zu weit vor, kommt aber noch ran, legt in die Mitte ab, wo Ellyes Skhiri aus elf Metern einschiebt.

Jubel bei der Eintracht, die in der Folge einen Gang zurückschraubt, den Sieg über die Bühne bringt. Eine der Maßnahmen zum Zeitschinden: Götze wird in der 90.+1 ausgewechselt, für ihn kommt Can Uzun. Der 32-Jährige muss von außen zuschauen, wie Ajax nochmal anrennt und die Frankfurter Defensive bedrängt. Vergeblich. Mit dem Sieg auf der Habenseite geht die Eintracht ins Rückspiel (Donnerstag, 18.45 Uhr/RTL und im ntv.de-Liveticker) im heimischen Stadion. Toppmöller lobt, warnt aber auch: "Es war psychologisch sehr wichtig, in diesem Stadion zu gewinnen. Das Ergebnis verschafft uns eine gute Ausgangsposition, mehr aber auch nicht."

Auch in der kommenden Woche wird er sicher wieder auf Götze setzen. Denjenigen, der aus der Bundesliga auszog, um seine Liebe zum Fußball wiederzufinden. Und vielleicht nur so ein leidenschaftlicher Frankfurter werden konnte. Derjenige, der rückblickend auf die WM 2014 sagte: "Wenn ich mir meine Karriere malen könnte, hätte ich das Tor mit 35 bei meinem letzten Turnier gemacht und dann gesagt: Das war's, ich höre auf." 35 Jahre alt wird Götze im Jahr 2027, bis dahin könnte sein Vertrag in Frankfurt laufen. Vielleicht wird es ja noch einmal ein alles entscheidendes Tor von ihm geben.

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