Keiner schimpft so schön und wild wie Werner Lorant: Der verstorbene Kult-Trainer von 1860 München mit der Starkstromfrisur wurde zur Legende, weil er sich nicht verbiegt. Prollig, wütend, knackig - nicht nur der FC Bayern leidet damals.
Werner Beinhart. Mister Sechzig. Ein Motzki, wie ihn die Bundesliga nie gesehen hat. Mehr Legende, mehr Kult, geht kaum. In den 1990er-Jahren ist Werner Lorant eine der prägenden Figuren des deutschen Fußballs. Für den TSV 1860 München wird der langjährige Trainer für immer die größte Ikone des Vereins bleiben. Mit 76 Jahren ist Lorant nach einer schweren Krankheit am Ostersonntag verstorben.
Unvergessen sind Lorants ruppigen Sprüche, seine Duelle mit dem FC Bayern München - und die heute fast unglaublich wirkenden Erfolge mit den Löwen. Vom großen Nachbarn aus der bayerischen Landeshauptstadt und dem Rest Deutschlands gerne belächelt, steigt der TSV 1860 unter dem Kult-Trainer zum ernstzunehmenden Bundesliga-Dauermitglied auf. Erreicht 1997 sogar den UEFA-Cup, obwohl die Löwen bei seinem Amtsantritt 1992 noch in der 3. Liga kickten.
Mit zwei direkten Aufstiegen führt Lorant den Klub ins Oberhaus. Solch ein Durchmarsch ist heute kaum noch möglich. Sogar in der Champions-League-Qualifikation spielen die Sechzger bald, das wirkt beim Blick auf den heutigen Tabellensiebten der 3. Liga fast surreal. In 363 Pflichtspielen fährt Lorant als Löwen-Trainer 146 Siege, 93 Remis und 124 Niederlagen ein und sieht 584:528 Tore. Er wird zur Vereinsikone. Zum Bundesliga-Mythos.
Lorant: "Spieler sollen rennen und das Maul halten"
Doch in den Köpfen vieler Fußballfans bleibt Werner Beinhart für alle Ewigkeit vor allem wegen seiner grau-weißen Mähne, der legendären Starkstromfrisur, und seiner Rumpelstilzchen-haften Aktionen am Spielfeldrand, wenn er mal wieder völlig außer sich vor Zorn die Linie entlang stiefelt. Wenn er tobte, dass die Tribünen wackelten.
Denn keiner schimpft so wild und schön wie Werner Beinhart. So knackig und prollig. Als würde er noch immer in der Pubertät stecken. Lorant ist vor der Fußballkarriere Maler und Anstreicher. Ein Malocher, der sein Wesen und seine Herkunft nie versteckt. Die Fans lieben ihn für seine Ehrlichkeit, seine Leidenschaft und sein oft rüpelhaftes Verhalten, seine Spieler zittern. Wer jammert oder sich beschwert, bekommt einen ab. "Die Spieler sollen rennen und das Maul halten", ist seine Devise.
"Hau ab, du Affe", blafft er hier mal einem Fan entgegen, "Ich wechsle nur aus, wenn sich einer ein Bein bricht", bellt er dort mal in Richtung der Presse. Und auch die Unparteiischen bekommen regelmäßig einen mit: "Der Schiri kann froh sein, dass ich ihm keine geschmiert habe."
Zwar oft auf 180 und wirklich wütend, kann es Lorant auch mit Ironie. "Unbegreiflich, ich habe keinen Spurt von ihm gesehen", erklärt er bezüglich des Muskelfaserrisses seines Spielers Daniel Borimirov. "Das Wetter war ganz hervorragend. Die Trainerbänke standen richtig. Ich glaube, ich bin ein bisschen braun geworden", sagt er nach einem mauen 0:0 in Rostock.
Friedenszigarette mit Mario Basler
Manchmal geht Lorant sogar - willentlich oder unwillentlich - mit sich selbst ins Gericht: "Das kann ja nicht mein ernst sein, das kann ja wirklich nicht mein ernst sein", wird ein legendäres Zitat. Letztendlich ist er aber, ganz der Löwen-Diktator, stets von sich überzeugt: "Der Star der Mannschaft bin ich."
Etliche Anekdoten zeigen, dass es solch einen Heißsporn in der Bundesliga selten gegeben hat. Und vielleicht nie wieder geben wird. Schon als gradliniger Defensivspieler unter anderem für Borussia Dortmund, Rot-Weiss Essen und Eintracht Frankfurt verdient er sich den Spitznamen "Beinhart". Dem Nationalspieler Jupp Kapellmann vom greift er in einem Bundesligaspiel so hart in den Schritt, dass er dem Bayern-Profi eine Verletzung an den Hoden zufügt, die ärztlich behandelt werden muss.
2000 ist Werner Beinhart Stargast beim Hallenfußball-Turnier in Bad Neustadt. Eigentlich ist er nur als Trainer vorgesehen, doch er wechselt sich kurzerhand selbst ein, schießt sechs Tore - und fliegt dann vom Platz. Mehr Lorant geht nicht.
In der Saison 1997/98 fliegen beim Lokal-Derby mit dem FC Bayern die Fetzen - und die Hände und Arme von Lorant und Mario Basler wild durch die Luft. Giftpfeile sausen hinterher. Basler will dem Löwen-Coach an die Wäsche, Lorant bellt zurück. Es kommt zu einer Rangelei an der Seitenlinie. Nachher pafft der bekennende Kettenraucher Lorant mit Basler aber eine Friedenszigarette. Er kann nicht nur grantig.
Große Siege über den FC Bayern
Mit dem FC Bayern ist das Schicksal des Trainers ohnehin eng verbunden. Einen seiner größten Erfolge, vielleicht seinen emotional wichtigsten, feiert er in der Saison 1999/2000, als er mit seinen Sechzgern die großen Bayern zum ersten Mal seit 22 Jahren schlägt. Typisch Lorant aber, dass er den großen Sieg nicht von der Seitenlinie verfolgen darf, sondern wegen einer Strafe nach Beleidigung eines Linienrichters auf der Tribüne hockt. Auch das zweite Derby in der Spielzeit geht an die Löwen.
Auch sein Löwen-Aus ist eng mit dem FC Bayern verbunden, am 18. Oktober 2001 muss Lorant seinen Stuhl nach einer 1:5-Klatsche gegen den Rekordmeister räumen. Sein kongenialer Partner bei den Löwen, der 2010 verstorbene Präsident Karl-Heinz Wildmoser, sagt, nachdem Lorant den Klub im Streit verlassen muss: "Mit dem Werner war es schon nervig, er war ein sehr anstrengender Mensch." Als er entlassen wird, raucht er noch eine letzte Zigarette in den Räumlichkeiten seines Klubs. Mit dem TSV 1860 geht es anschließend nur noch abwärts.
Werner Beinhart. Ein Schleifer, wie ihn die Bundesliga seitdem nicht mehr gesehen hat. Selbst Felix "Quälix" Magath konnte da nicht mithalten. "Werner war als Spieler ganz stark, er hat sehr viel gekämpft, sehr viel gearbeitet", erinnert Magath nun bei Bild TV: "Und so hat er sich auch als Trainer präsentiert und erfolgreich 1860 München über Jahre oben gehalten."
Der aus der Zeit gefallene Schleifer
Lorant war aber auch ein Schleifer, der aber auch irgendwann aus der Zeit gefallen war. Der die Entwicklungen des Fußballs nicht mitging. Der heute, in Zeiten des Gegenpressings, der sich meist nett und lieb gebenden "Laptop-Trainer" und der Taktikfüchse à la Pep Guardiola, kaum noch vorstellbar ist. Lorant ist der Antityp. Selbst damals schon, als sich Krawatten durchsetzen und er stets im alt wirkenden Trainingsanzug aufläuft.
Lorant, der Maler und Anstreicher, bringt es mit mittelmäßigem Talent zu viel in der Bundesliga. Mit knallharter Arbeit, mit konsequenten Ansagen, mit Konzentration auf das Wesentliche. Ohne Tiki-Taka, ohne falsche Neun oder Holding Six, ohne Konzeptfußball. In Zeiten, als alles noch einfacher wirkt. "Was soll ich mit den Spielern reden, ich bin doch kein Pfarrer", erklärt er einmal. Dann führt er ein Handyverbot, die junge Spielergeneration sagt ihm schon zu seiner Zeit nicht zu, ein: "Wenn das Handy klingelt, kann man aus dem Bus aussteigen - und wir fahren weiter. Der hat ja ein Handy und kann sich ein Taxi rufen."
Werner Beinhart. Ein Original. Verhasst und geliebt gleichzeitig. Ein Relikt aus alten Zeiten. Aus besseren - zumindest, mit Blick auf die Löwen. Er führte den TSV 1860 diktatorisch - wer aufmuckt, fliegt raus -, aber erfolgreich. In der Rückschau wird vieles romantisiert und verklärt, aber für die Bundesliga und vor allem für die Löwen ist und bleibt Werner Lorant eine Legende.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke