Borussia Dortmund wähnt sich weiter auf dem richtigen Weg - doch muss in der Champions League nach dem Remis gegen Lille zittern. Im Team von Trainer Niko Kovac wird ein klares Problem offenbar, das vieles kompliziert.

Niko Kovac vermied die naheliegende Erklärung für den totalen Kontrollverlust geschickt. Mit ruhiger und leicht belegter Stimme sprach er nach dem Dortmunder Champions-League-Rückschlag von mangelnder Griffigkeit, von Reaktion statt Aktion, von fehlender Wucht in den Zweikämpfen. Was der BVB-Trainer nicht explizit aussprechen wollte: Seine Mannschaft hat in fordernden Wochen anscheinend ein aus Nuri Sahins Zeiten geerbtes Fitnessproblem.

Kovac, Sportdirektor Sebastian Kehl, Nico Schlotterbeck, Pascal Groß, Emre Can: Sie alle beklagten nach dem 1:1 (1:0) im ernüchternden Achtelfinal-Hinspiel gegen den OSC Lille die unzureichende "Intensität". Karim Adeyemi, zumindest spielerisch in Topform und Schütze eines Traumtores per Dropkick (22.), schaltete mit "schweren Beinen" von Frust auf Trotz: "Dann holen wir es halt bei denen zu Hause." Aber wie?

Nach überzeugender erster Halbzeit hatte der BVB das Fußballspielen eingestellt. Er übergab Lille den Ball und hechelte nur noch hinterher. Am Ende hatte er weniger Ballbesitz, weniger Torschüsse, weniger Pässe: Aber durch das "Zuschauen" insgesamt einen Laufkilometer mehr. Der Ausgleich von Hakon Arnar Haraldsson (68.) war folgerichtig - eine Druckphase danach? Fehlanzeige. Hinzu kommt der Ausfall von Daniel Svensson. Der Linksverteidiger wird dem BVB aufgrund einer Innenbandverletzung im Knie vor der anstehenden Länderspielpause Mitte März nicht mehr zu Verfügung stehen.

"Schwere Beine, keine Ausrede"

Niko Kovac versucht derweil, den BVB zwischen Leitplanken zu setzen. Es sind inzwischen Ansätze seiner Idee zu erkennen, die Abwehr ist mit nur einem Gegentor in den vergangenen vier Spielen deutlich stabiler geworden. Doch die "Medizin des Siegens", von der er vorab gesprochen hatte, lässt sich (noch) nicht regelmäßig verabreichen. "Ich bin etwas verkühlt. Ich brauche auch Medizin", scherzte Kovac.

Fußball ist in seiner Bewertung fast vollständig ergebnisabhängig. Ein 1:0, ein durchaus mögliches 2:0 vielleicht - dann hätten alle Beobachter dem BVB nach dem dritten Sieg in Serie eine handfeste Trendwende attestiert. Umschwung geschafft, weiter geht's, auf ins Viertelfinale!

So allerdings erscheinen die jüngsten Bundesliga-Siege in einem anderen Licht. Es waren nur Union Berlin (6:0) und der FC St. Pauli (2:0), werden die Experten sagen. Die alte BVB-Krankheit bleibt: Kommt ernsthafter Widerstand, wird es sehr, sehr zäh. Und im Samstag-Dienstag-Samstag-Takt ist Fitness schlicht nicht aufzubauen.

Die erwähnten "schweren Beine", die Adeyemi ansprach, sollten "keine Ausrede sein". Sie waren aber entscheidend für das Urteil des BVB-Kapitäns: "Zu wenig Intensität gegen den Ball", monierte Can, zu wenig Investition, als Folge "zu wenig Ballbesitzphasen" - und damit zu wenig Zeit in der Offensive und zu wenig Entlastung.

Wann kommt die einhundertprozentige Fitness?

Wurde anfangs der Ball zügig nach vorne getragen und dann steil gespielt, meist auf den flitzenden Adeyemi, blieb später nur noch der Befreiungsschlag als Mittel. "Wir müssen hier zu Hause gewinnen. Die Fans haben gebrannt", klagte der Torschütze. "Schade, aber es geht weiter."

Can blickte auf den kommenden Mittwoch: "Es wird nicht einfach in Lille", erahnte er, und doch: "Wir fahren mit breiter Brust dahin." Kehl meldete sich "mit der klaren Ansage, dass wir gewinnen müssen". Lobend erwähnte er, dass "wir nicht verloren haben". Kein Einbruch der Bologna-Art: immerhin.

Doch ohne einhundertprozentige Fitness kann jedes Spiel zur Qual werden. "Wir wollen mehr, wir wollen noch besser werden", betonte Kovac: "Aber das kommt alles nicht von jetzt auf sofort."

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