Supertrainer Xabi Alonso ist für den FC Bayern doch nicht unbesiegbar. Im Achtelfinalhinspiel der Champions League erlebt Bayer Leverkusen in München einen Abend, der schrecklicher nicht laufen kann.

Xabi Alonso ahnte an diesem Mittwochabend offenbar schon früh, dass es sehr unangenehm für ihn und seine Fußballer von Bayer Leverkusen werden könnte. Elegant gekleidet wie immer, fuchtelte er bereits in den ersten Minuten des Achtelfinalhinspiels mit seinen Händen an der Seitenlinie herum, diskutierte mit seinem Co-Trainer Sebastián Parrilla und versuchte dringend einzugreifen. Denn anders als noch vor rund zweieinhalb Wochen, als sich der FC Bayern und Leverkusen in der BayArena zum Liga-Gipfel getroffen hatten, wollte der Matchplan des entthronten Supertrainers nicht aufgehen: Das erste von zwei Duellen in der Champions League endete mit einem vernichtenden 0:3 (0:1).

Wieder einmal hatte Alonso darauf verzichtet, einen richtigen Stürmer aufzustellen. So einen, der vielleicht nicht der wildeste Hund im Pressing ist, wie die nervtötenden Nathan Tella, Jeremie Frimpong, Florian Wirtz und Amine Adli. Aber einer, dem man mal eine Flanke servieren kann, oder der auch mal einen Ball festmacht, damit ein paar Spieler nachrücken können. Mit Patrik Schick und Victor Boniface hat Leverkusen zwei herausragende Fachkräfte in Anstellung. Aber Alonso schickt sie dieser Tage in wichtigen Spielen in Teilzeit oder hat erst gar keine Verwendung für sie. Der Plan, die Münchner abermals früh zu attackieren und ins Arbeiterhemdchen zu zwingen, verpuffte ratzfatz, weil die Münchner auch den langen Ball als probates Gegenmittel nicht scheuten.

Ein Patzer jagt den nächsten

Alonso dirigierte und jagte Anweisungen im Akkord auf den Platz. Aber er erreichte seine Fußballer an diesem Abend offenbar nicht, die vielleicht das schwächste Spiel der Saison zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt auf den Rasen brachten. Die Leverkusener waren beeindruckt von der Wucht, die die Bayern ihnen entgegenstellten. Und sie waren erschüttert von den eigenen Fehlern, von denen es in solch einem Spitzenspiel viel zu viele gab. Drei wurden knallhart bestraft. Beim 0:1 hatte Flankengeber Michael Olise zu viel Ruhe und Bayers Abwehrmann Nordi Mukiele Superstürmer Harry Kane nicht bemerkt. Beim 0:2 flutschte eine nicht furchteinflößende Hereingabe von Joshua Kimmich dem Torwart Matej Kovar durch die Finger. Den Abpraller versenkte Jamal Musiala. Dann sah Mukiele Gelb-Rot, nach einem wilden Tritt in völlig ungefährlicher Position gegen Kingsley Coman. Schließlich rang Edmond Tapsoba Kane so ungeschickt im Strafraum nieder, dass es zu einem Elfmeter kam, den Kane selbstverständlich versenkte. Das macht er ja immer. Der Serientäter.

Einen solch fürchterlichen Abend mit so vielen kaum zu fassenden Akten der Selbstzerstörung hatten Xabi Alonso und Bayer Leverkusen in ihrer gemeinsamen Zeit noch nicht erlebt. Es ging doch immer nur nach oben. Es tobte eine Party, die nie zu Ende gehen wollte. Und wenn es dafür auch öfter die maximale Dehnung der Sperrstunde brauchte. Nur ein einziges Mal gab es einen Kater, im Finale der Europa League. Gegen Atalanta Bergamo gab es 0:3, die einzige Niederlage in der gesamten vergangenen Saison. Nun aber droht das Aus im Achtelfinale der Champions League, in der Meisterschaft hechelt Bayer den Bayern ebenfalls hinterher. Das Märchen einer großen Wachablösung droht schneller zu enden, als es den Autoren lieb ist. Das in der Mottenkiste eigentlich verschlossene Vizekusen-Monster streckt seine Greifarme langsam wieder aus.

Die Niederlage in München - sie hinterlässt Spuren bei Bayer. Der Unbesiegbare, Xabi Alonso, wurde zum ersten Mal von einem Bayern-Trainer entzaubert. Und der Spanier war danach einigermaßen ratlos, warum sein Team so auftrat, wie es auftrat. "Wir haben zu viele Fehler gemacht und viel für dieses Ergebnis getan. In diesem Wettbewerb entscheiden die Details, die wir heute nicht umsetzen konnten. Wir waren heute nicht erwachsen genug. Natürlich ist es bitter, aber wir haben wirklich viel dafür getan, dass Bayern gewinnt."

Womöglich wäre das Spiel anders gelaufen, hätte Jeremie Frimpong nach 13 Minuten ausgeglichen, aber er scheiterte an Manuel Neuer. Sonst war da wenig bis nichts, was diesen Abend für Bayer hätte besser gestalten können. Nur in Momenten, die maximal in My-Dimensionen gemessen werden konnten, hatte die Mannschaft mal Kontrolle über das Spiel. "Insgesamt waren die Bayern intensiver in den Zweikämpfen, waren wacher und galliger. Sie haben uns keine Chance gegeben, sie zu pressen", befand Innenverteidiger Jonathan Tah. "Die Tore, die wir bekommen, insbesondere die letzten beiden und die Rote Karte, sind sehr unglücklich. Ich glaube nicht, dass wir so ein schlechtes Spiel gemacht haben, dass wir 0:3 verlieren hätten müssen."

Kein Bayer-Spiel hat Form

Niemand mochte an diesem Abend seine Form finden. Sobald der umworbene Spielmacher Florian Wirtz den Ball am Fuß hatte, wurde er bedingungslos attackiert. Joshua Kimmich nahm sich dem Youngster an, den die alten Granden des FC Bayern, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, in bester Störfeuer-Gepflogenheit vor dem Gipfel als Transferziel Nummer eins markiert hatten. Obwohl die Ablöse mit dem derzeit nicht mehr prall gefüllten, legendären Festgeldkonto kaum zu stemmen ist. Wirtz war irgendwo anwesend, aber scheinbar nicht in der Allianz-Arena. Alles um ihn herum schien ihn zu nerven. Er kam aus dem Abwinken und abfällige Gesten machen nicht mehr heraus. Und machte auf der Bank weiter, auf der er in der Schlussphase sitzen musste.

Der sonst so schnelle und lustvolle Frimpong wurde von Alphonso Davies völlig außer Dienst gestellt. Adli hatte auch nichts auf der Habenseite. Und wenn es mal einen durchstartenden Angriff gab, dann landete der Ball dort, wo ein echter Stürmer stehen sollte. Dort, wo ein echter Stürmer stehen könnte. Aber den gab es ja ganz lange nicht. Erst kurz vor Ende, schon in Unterzahl, kam Schick. Einen guten Ball sah er nicht. Bayer bekam keine Ruhe ins Spiel, keine Struktur, wurde ständig gestresst. Dann passierten die Fehler. Hatte man selten gesehen. Und mit jedem zerbrach der Mythos der Unbesiegbarkeit von Xabi Alonso ein kleines bisschen mehr. Mit jedem wurde er wütender und verzweifelter. So wahnsinnig viel Druck liegt auf diesem Duell, in dem es um so viel mehr geht, als um das Weiterkommen. Es geht um die Antwort, wer die beste deutsche Mannschaft ist. Und vielleicht auch darum, welcher Trainer hier die größeren Hymnen gesungen bekommt.

Im Duell um den Goldenen Otto der Unzufriedenheit duellierte sich Wirtz indes mit Granit Xhaka, der in den Katakomben richtig schlechte Laune zur Schau trug: "Wir waren trotz des frühen Rückstand gut im Spiel, wir waren stabil. Und dann kriegen wir eine unnötige Rote Karte. So etwas darf uns nicht passieren", schimpfte er. "Unsere dicke Chance zum 1:1 Ausgleich konnten wir leider auch nicht nutzen und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Ich glaube, es gibt auch andere Geschichten, worüber man reden muss." Es ging um die eigenen Fehler und den Schiedsrichter. Den Elfmeter an Kane hätte Xhaka nie gegeben. Das gehöre zum Fußball auch dazu, befand er und kritisierte Vorgänge auf dem Platz, konkreter wollte er nicht werden. Es klang nach dringender Aufarbeitung. "Es sind viele Sachen passiert, wo ich ein bisschen durchatmen muss, um nichts Falsches zu sagen. Ich bin keiner, der auf Einzelpersonen draufgeht. Das werde ich auch nicht tun. Aber es gab schon ein paar Sachen, die nicht auf dieses Niveau gehören." Das solle aber alles intern bleiben, befand Xhaka. Er war einfach nur genervt und ging.

Er ging mit dem Glauben, dass am Dienstag noch etwas möglich ist. So wie sein Trainer Xabi Alonso: "Wir schauen ab morgen wieder nach vorne und regenerieren. Im Fußball sind schon viele Wunder geschehen, weshalb wir auf ein Wunder am nächsten Dienstag hoffen." Vielleicht ja auch mit einem wundersamen Plan? Vielleicht ja gar mit Schick in der Spitze. Oder mit Boniface. Oder mit beiden?

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