Der einstige Darts-Dominator Michael van Gerwen verliert plötzlich nur noch. Luke Littler hat dem Niederländer längst den Rang abgelaufen. Beim "MvG"-Heimspiel in Rotterdam reicht es aber selbst für Weltmeister Littler nicht zum Sieg.
Fast die ganze Halle ist in Orange gekleidet, als der Held der Fans die Bühne betritt: Michael van Gerwen, der dreifache Darts-Weltmeister, einer der größten niederländischen Sportstars, hat sich viel vorgenommen. Zwei Wochen nach seiner Schulterverletzung, die ihn beim Premier-League-Spieltag in Berlin zur Aufgabe zwang, bevor es überhaupt losging, hatte van Gerwen noch am Vortag gesagt, dass er wieder schmerzfrei ist.
Was für ein hervorragendes Timing, dürften sich die niederländischen Darts-Fans gedacht haben. Schließlich ist der Heimspieltag in Rotterdam ein ganz besonderer im Darts-Jahr. Nur an diesem einen Abend macht die Darts-Eliteliga in den Niederlanden Station, im Land der zweiterfolgreichsten Darts-Nation nach Mutterland England.
Bloß spielt an diesem Gründonnerstagabend nur van Gerwens Gegner unbekümmert und selbstbewusst. Der Engländer Stephen Bunting ist nach 10 von 16 Spieltagen abgeschlagener Tabellenletzter in der Tabelle der Premier League. Nur 3 seiner 12 Spiele konnte Bunting gewinnen. Ausgerechnet gegen van Gerwen kommt an diesem Abend ein vierter Sieg hinzu.
Unterstützt von seinen Fans kämpft ein sichtlich angeknackster "MvG" zwar unermüdlich gegen die Niederlage. Aber der Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 macht schlicht zu viele Fehler, am Ende helfen auch die unsportlichen Pfiffe gegen Bunting nicht. "The Bullet", so der Spitzname des Engländers, lässt sich nicht aus dem Konzept bringen und setzt sich hochverdient mit 6:5 durch. Die niederländische Darts-Party? Bereits nach dem ersten Spiel des Lokalmatadors beendet. Das dritte Jahr in Folge scheidet Michael van Gerwen ausgerechnet beim Rotterdam-Spieltag direkt in der ersten Runde aus.
Zu lasch gegen Littler? "Alles Fanboys"
Böse Zungen behaupten, es ist langweilig geworden an der Spitze des Darts. Die Luft auf dem Everest des Pfeilesports ist naturgemäß dünn, wie in jeder anderen Sportart auch. Doch im Darts gab es nach dem Ende der Phil-Taylor-Ära und der deutlich kürzeren, aber nicht weniger eintönigen Michael-van-Gerwen-Dominanzphase eine bemerkenswert breite Spitze. Nach Jahrzehnten der Dauer-Dominanz einzelner Spieler war plötzlich viel Bewegung drin. Doch dann kam Luke Littler. Und spätestens seit ein paar Monaten hat nur Luke Littler das passende Sauerstoffgerät für den Darts-Everest.
Auch, weil ausgerechnet der langjährige Dominator Michael van Gerwen seiner Topform nur noch hinterher spielt. Es wird von Woche zu Woche schlechter. Da helfen auch all die Kampfansagen des niederländischen Darts-Giganten nicht.
"Hört auf, ihm in den Hintern zu kriechen", hatte van Gerwen im Vorfeld des Berlin-Gastspiels (vor seiner Verletzung) auf Nachfrage von ntv.de über Littler gesagt. Gemeint waren die anderen Spieler, welche laut "MvG" zu sehr vor Littler kuschen. "Sie machen sich schon vor dem Spiel in die Hose, bevor das Spiel losgeht." Es gebe nur zwei Ausnahmen, urteilte van Gerwen: "Ich und Gerwyn Price. Die anderen sind alle Fanboys."
Price ist der einzige Premier-League-Spieler mit einer positiven Bilanz gegen Littler. Sieben der zwölf direkten Duelle in den gut 15 Monaten seit Littler auf der Profitour dabei ist, hat Price gewonnen. Zwischenzeitlich feierte der Waliser sogar sechs Siege in Folge gegen den amtierenden Weltmeister, erst vorige Woche beim Premier-League-Spieltag in Manchester beendete Littler die zehnmonatige Durststrecke.
Michael van Gerwen hat 7 seiner bisher 18 direkten Spiele mit dem amtierenden Weltmeister bei offiziellen PDC-Turnieren verloren. "Ich besiege ihn schon noch ziemlich oft. Klar habe ich schlechte Tage, aber das liegt nie daran, dass ich mental nicht stark genug bin", kommentierte der 35-jährige Niederländer in der Medienrunde in Berlin. Bei seinen PDC-Kollegen sei das anders. "Sie haben Angst vor ihm und lecken ihm zu sehr die Stiefel."
Neues Darts-Zeitalter
Spätestens seit dem Abend des 3. Januar befindet sich der Dartsport in einem neuen Zeitalter. Luke Littler gewann an diesem Abend im legendären Alexandra Palace die Darts-Weltmeisterschaft 2025, dominierte den langjährigen Dominator Michael van Gerwen im Finale.
Die Zeit des niederländischen Superstars an der Spitze der Darts-Welt ist mit der Endspiel-Pleite endgültig zu Ende gegangen. Schon lange zuvor hatte van Gerwen den einstigen Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren, seit 2019 wartet der Darts-Gigant auf seinen vierten Weltmeistertitel. Allerdings war van Gerwen vom Popularitätsgrad der Konkurrenz trotz fehlendem vierten Titel weit überlegen.
Diesen Status zurückzuerlangen wird kaum möglich sein, solange Luke Littler weiterhin Turnier um Turnier gewinnt. "Zehn Jahre will ich noch spielen", offenbarte van Gerwen auf Nachfrage von ntv.de. E gal, wie erfolgreich oder nicht Michael van Gerwen künftig spielen wird, dass Luke Littler den Sport mit seiner Präsenz und seiner für Darts-Verhältnisse nie dagewesenen Popularität dominieren wird, ist gar keine Frage mehr.
Luke Littler? Fluch und Segen zugleich
Spätestens seit Anfang dieses Jahres dreht sich im Darts so gut wie alles nur noch um "The Nuke" (Die Atombombe), wie Littler genannt wird. Der inzwischen volljährige Engländer ist für den Pfeilesport ein Segen - vor allem, was die Strahlkraft, das Marketing und die Medienpräsenz anbetrifft.
Auch die jüngste Preisgeld-Erhöhung der Profidartsorganisation PDC für die nächsten drei Jahre lässt sich leicht mit dem Littler-Boom in Verbindung bringen. Ausgerechnet Michael van Gerwen sieht das anders. "Das hat nichts mit Luke Littler zu tun, der TV-Deal mit Sky wäre sowieso gekommen", sagte der Niederländer zu ntv.de. "Sky Sports hyped ihn deshalb so stark, weil er Engländer ist."
Für die sportliche Spannung an der Spitze droht Littler aber zum Fluch zu werden. Nicht nur die Premier League dominiert "The Nuke". Der 18-Jährige hat neben der Weltmeisterschaft in weniger als eineinhalb Jahren bereits vier weitere große Titel gewonnen (Grand Slam, Premier League, World Series Finals, UK Open). Littler ist nicht nur Weltmeister, sondern auch der mit Abstand beste Spieler der Welt.
Nach Ansicht von Michael van Gerwen liegt die Dominanz Littlers aber auch an der Art und Weise, wie die Konkurrenz mit dem Darts-Teenager umgeht. Am Gründonnerstagabend in Rotterdam sind Littlers Gegner aber mehr als "Fanboys". Rob Cross macht ein herausragendes Spiel, hat aber Pech, dass Littler im entscheidenden Moment 145 Punkte zum Sieg checkt. In der zweiten Partie ist aber selbst für Littler Endstation. Gegen Stephen Bunting verliert der junge Engländer mit 5:6. Im Finale von Rotterdam setzt sich schließlich Chris Dobey gegen Stephen Bunting durch. Zumindest an diesem Abend bekommt Luke Littler kurzzeitig Besuch auf dem Everest des Dartsports.
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