Gegen 0:30 Uhr stieg die Mannschaft des FC Bayern Donnerstagfrüh aus dem Teambus und betrat den Festsaal im Hotel „Melia“ in Mailand. In den Gesichtern der Spieler und Verantwortlichen waren Enttäuschung und teilweise Leere zu erkennen.

Jan-Christian Dreesen, der Vorstandschef des deutschen Fußball-Rekordmeisters, griff zum Mikrofon und hielt nach dem Ausscheiden gegen Inter Mailand im Viertelfinale der Champions League vor Trainerstab, Mannschaft, Klubbossen und Ehrengästen die Bankettrede.

„Wir hatten alle diesen Traum vom Finale dahoam, vom Titel dahoam, wie ich mal gesagt habe auf der Jahreshauptversammlung. Er ist geplatzt. Und wir alle sind traurig darüber“, sagte Dreesen. „Denn letztendlich ist es das große Ziel gewesen, dass wir für uns alle gemeinsam hatten. Wir haben dieses Duell wahrscheinlich mit dem zweiten Gegentor in München verloren.“

Das Hinspiel vor einer Woche hatten die Bayern 1:2 verloren, in der zweiten Begegnung in Mailand Mittwochabend waren sie trotz Anlaufens in der Endphase nicht über ein 2:2 (0:0) hinausgekommen. Ihr ehemaliger Trainer Hansi Flick hingegen hat es mit dem FC Barcelona ins Halbfinale geschafft – und könnte ausgerechnet in München am 31. Mai triumphieren – dem von den Bayern angedachten Finale dahoam.

„Champions League ist die Kirsche, nicht die Torte“

Es war der nächste bittere Champions-League-K.o. des FC Bayern. Zum vierten Mal in fünf Jahren schieden die Münchener im Viertelfinale aus. Nach einer titellosen Saison war es in dieser Spielzeit das zweite Wettbewerbs-Aus, im DFB-Pokal sind die Bayern nicht mehr dabei.

Dreesen bescheinigte der Mannschaft in seiner Rede zu Recht einen „tollen Kampf“. Doch diese Mailänder Nacht müsse man nun „erst verdauen“. Der 57-Jährige richtete den Blick nach vorn auf die letzte noch verbliebene Titel-Option. „Die Champions League ist die Kirsche, nicht die Torte. Die Torte ist die Meisterschaft. Und da haben wir noch fünf Spiele vor uns“, sagte er.

Sportvorstand Max Eberl sah Bayern in beiden Spielen als die bessere Mannschaft. Klartext sprach an diesem für die Bayern so bitteren Abend als einziger Münchener Joshua Kimmich. Der Mittelfeldchef benannte sachlich und ehrlich die Schwachstellen des Teams.

Kimmich bewertete den Auftritt seiner Bayern zwar in manchen Punkten ebenfalls als gut, bemängelte aber die Ergebnisse und die Effizienz: „Wenn wir uns die letzten sieben oder acht Spiele anschauen, dann haben wir nur zwei oder drei Spiele gewonnen. Das ist deutlich zu wenig – und dann müssen wir auch aufpassen.“ Der Mittelfeldchef fordert: „Wir müssen aus den Vorteilen, die wir uns erspielen, auch das Ergebnis ziehen. Und das ist das, was uns momentan extrem abgeht, dass wir es da einfach schaffen müssen, das Übergewicht auch in positive Ergebnisse umzumünzen.“

Unabhängig vom Wettbewerb sei es so, dass es „zu oft der Fall ist, dass wir nicht als Sieger vom Platz gehen, obwohl wir das Gefühl haben, dass wir die bessere Mannschaft sind“.

Sein Kollege Thomas Müller stimmte ihm in dem Punkt zu: „Inter hat ein Tor mehr gemacht in beiden Spielen. Und im Fußball geht es eben darum, mehr Tore zu erzielen. Inter ist weiter, und das heißt, sie haben irgendetwas besser gemacht“, sagte der Weltmeister, für den es das letzte Spiel in der Königsklasse für den FC Bayern war. Er traf auf dem Bankett auf seine Eltern, die im Mannschafts-Flug mit nach Italien gereist waren.

„Zu wenig Zählbares“

Kimmich sagte, er sei schon davon überzeugt, dass man auf einem guten und richtigen Weg sei. „Trotzdem müssen wir noch viele Sachen anpassen und verbessern. Der Trend ist jetzt nicht sehr gut. Wenn man zurückblickt, die letzten sieben Spiele, da ist einfach zu wenig Zählbares herumgekommen“, so Kimmich. In der Champions League hatten die Bayern in der Vorrunde gegen Aston Villa, Feyenoord Rotterdam und Barcelona verloren.

Samstag (15.30 Uhr, im WELT-Liveticker) steht für die Mannschaft von Trainer Vincent Kompany bereits die nächste Partie an. In der Bundesliga tritt sie beim 1. FC Heidenheim an. Es gilt, den Vorsprung auf den Tabellenzweiten Bayer Leverkusen (sechs Punkte) zu halten oder auszubauen. In der Bundesliga stehen noch fünf Spieltage bis zum Saisonende an. „Wir müssen in der Meisterschaft mindestens drei Spiele gewinnen“, betonte Kimmich. „Und ich bin davon überzeugt, dass wir das tun werden.“ Kimmich sagte deutlich: „Wenn wir die Meisterschaft nicht holen, ist das wieder eine schlechte Saison.“

In der vergangenen Spielzeit war der deutsche Rekordchampion erstmals seit 2012 ohne Titelgewinn geblieben. Eine sehr gute Saison kann es jedenfalls seit dieser für die Bayern so bitteren Mailänder Nacht nicht mehr werden.

Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Die Duelle mit Inter Mailand hat er hautnah im Stadion verfolgt.

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