Dienstagmittag begann die Reise, welche wegweisend für die Saisonbilanz sein wird. Die Mannschaft des FC Bayern um Torwart Jonas Urbig trainierte an der Säbener Straße, ehe sie sich in den Teambus Richtung Münchner Flughafen setzte und nach Mailand geflogen wurde.
Mittwochabend (21 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) tritt der deutsche Fußball-Rekordmeister im Rückspiel des Viertelfinals der Champions League bei Inter an. Nach dem 1:2 im Hinspiel stehen die Münchner unter Druck, der Traum von der Teilnahme am „Finale dahoam“, am Endspiel in München am 31. Mai, ist in Gefahr. Die von Verletzungen geplagten Bayern spielen an diesem besonderen Abend in Italien um eines ihrer großen Saisonziele.
Uli Hoeneß glaubt weiter an den Einzug ins Halbfinale. Der Ehrenpräsident des Vereins sagte WELT AM SONNTAG: „Es gab immer wieder Bayern-Mannschaften, die mit dem Rücken zur Wand standen – und eine Wagenburgmentalität entwickelten. Da entsteht manchmal eine neue, ganz besondere Energie. Ich traue unserem Trainer Vincent Kompany absolut zu, die Mannschaft so einzustellen, dass sie eine Jetzt-Erst-Recht-Mentalität entwickelt.“ Hoeneß weiß aber, wie schwierig es gegen die cleveren Italiener wird – die Bayern-Mannschaft müsse in Mailand „ein Riesenspiel machen“.
Jonas Urbig wird besonders gefordert sein. Der ehemalige Nationalkeeper Manuel Neuer ist nach seiner Verletzung noch nicht wieder einsatzfähig, also spielt erneut der 21-Jährige, den die Bayern erst im Winter vom 1. FC Köln verpflichteten (Ablöse bis zu zehn Millionen Euro). Das Spiel in Mailand ist das bislang größte in Urbigs Karriere.
„Die große Frage ist doch: Ist Urbig gut genug?“, sagt Hamann
Zuletzt stellte Urbig einen Negativrekord auf: Er blieb in seinen ersten fünf Bundesliga-Spielen für die Bayern noch nicht ohne Gegentor – Urbig ist damit der erste Bayern-Torhüter in der rund 60-jährigen Bundesligahistorie des Klubs, der in keinem seiner ersten fünf Liga-Einsätze für den Verein „die Null“ halten konnte.
Besser lief es für den jungen Torwart bisher in der Champions League: in den Achtelfinal-Partien gegen Bayer Leverkusen blieb er ohne Gegentreffer und war ein Faktor. „Die große Frage ist doch: Ist Urbig gut genug?“, fragte am vergangenen Wochenende indes Sky-Experte Dietmar Hamann mit Blick auf die Besetzung der Torwartposition in der kommenden Saison. Für den 39 Jahre alten Neuer könnte es die letzte Spielzeit sein, die Bayern verlängerten seinen Vertrag kürzlich bis zum 30. Juni 2026. Urbig will in Mailand beweisen: Ja, ich bin gut genug. „Bei solchen Spielen kann ein Fehler entscheidend sein“, sagte Hamann: „Das ist eine Riesen-Chance, aber natürlich auch ein großer, großer Druck und große Verantwortung für ihn.“
Auch Steffen Freund hat Zweifel, ob der U21-Nationaltorwart sich bei dem Weltklub durchzusetzen wird. „Ich bin auch nicht ganz sicher, ob er das schafft. So weit ist er noch nicht“, sagte der Europameister von 1996. Im Hinspiel aber machte Urbig eine gute Partie, bekam sogar Szenenapplaus.
Bayerns Sportchef Christoph Freund erklärte zuletzt das Vorhaben des Klubs mit Urbig. „Es wurde mit Manu ganz klar besprochen, dass Jonas auch nächste Saison Spiele bekommt“, so Freund über die Gespräche mit Manuel Neuer. „Das, was jetzt passiert, war nicht der Plan. Jetzt macht Jonas auch keine unwichtigen Spiele. Er hat schon viele wichtige Spiele gemacht, die ihm jetzt auch in seiner Entwicklung weiterhelfen. Manuel will auch mithelfen, seine Nachfolge mitzuentwickeln.“
Man habe keine fixe Anzahl an Spielen festgelegt, das werde erst während der kommenden Saison getan werden. „Es sollen auch wichtige sein“, so Freund. Die Bayern-Bosse betonen immer wieder, welches Potenzial Urbig hat. Die Spieler loben die Trainingsleistungen und die Einstellung des jungen Torwarts.
Neben Urbig steht gegen Inter natürlich auch wieder Thomas Müller im Fokus. Lothar Matthäus sieht den Weltmeister in Mailand in der Startelf. „Er muss spielen, alles andere ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit“, schrieb der Rekordnationalspieler in seiner Kolumne für Sky: „Wenn Kompany Müller nicht aufstellt und es geht schief, dann würde dem Trainer, der in den vergangenen Monaten tolle Arbeit geleistet hat, ganz sicher ein rauer Wind um die Ohren wehen.“
Für die Bayern gehe es „um sehr viel“, schrieb Matthäus vor dem entscheidenden Duell im Giuseppe-Meazza-Stadion, auch San Siro genannt: „Daher gehört Thomas Müller gegen Inter für mich in die Startelf.“
Der 35-jährige Müller führte die Münchner zuletzt beim 2:2 gegen Borussia Dortmund in der Bundesliga am vergangenen Samstag als Kapitän auf das Spielfeld und überzeugte. Im Hinspiel gegen Inter hatte Müller sich noch mit der Jokerrolle begnügen müssen, nach seiner Einwechslung das 1:1 erzielt. Mit seinem dann 163. Einsatz in der Champions League kann Müller Mittwoch nach Spielen in der Königsklasse mit Argentiniens Superstar Lionel Messi gleichziehen.
Auch der langjährige Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hofft auf Routinier Müller, der den Klub im Sommer als Spieler verlassen wird. „Thomas kann eine große Hilfe sein“, sagte Rummenigge der italienischen „Gazzetta dello Sport“. Und orakelte, dass Müller vielleicht auch in Mailand „ein kleines Wunder bewirken“ könnte.
Verschiedene Optionen in der Offensive
Mit oder ohne Thomas Müller von Beginn an – es ist die brisanteste Aufstellungsfrage. „Ich habe natürlich versucht, mich auch anzubieten mit einem guten Spiel“, sagte Müller nach dem Remis gegen den BVB. „Aber das gute Spiel habe ich nicht deshalb gemacht, um mich anzubieten, sondern weil es Sinn macht, ein gutes Spiel zu machen.“ Müller sagte zudem: „Der Trainer hat viele Optionen und da sind wir auch froh darüber. Im Endeffekt stellt er Mittwoch auf und dann schauen wir, wer spielt und die anderen kommen gut rein.“
Nach seinem Jokertor und einem überzeugenden Auftritt gegen Dortmund darf auch Serge Gnabry auf einen Startelf-Einsatz gegen Inter hoffen. Der 29-jährige Offensivprofi war gegen den BVB maßgeblich am Ausgleich Raphaël Guerreiros beteiligt, das 2:1 erzielte er mit einem Sololauf selbst. „Er hat immer wieder seinen Impuls gebracht“, sagte Sportvorstand Max Eberl. „Wir sind sehr, sehr froh, dass Serge da ist.“
Im Hinspiel gegen Inter bekam Guerreiro im offensiven Mittelfeld in der Startelf den Vorzug vor Müller. In Mailand hat Guerreiro Chancen, wieder im Team zu stehen – allerdings als linker Verteidiger. „Wir müssen an uns glauben, es ist nur ein Tor“, sagte Stürmerstar Harry Kane: „Wenn wir gewinnen, ist die Chance groß auf das Halbfinale.“
Urbig, Müller und die übrigen Bayern wollen um ihren Traum kämpfen.
Julien Wolff ist Fußball-Redakteur. Er berichtet seit 2011 aus München über den FC Bayern, zudem über die Bundesliga und die Nationalmannschaft. Am Mittwochabend wird er im San Siro sein.
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