Thomas Müller war guter Laune, als er am späten Samstagabend aus der Kabine des FC Bayern im Münchner Stadion kam. Der Weltmeister hatte in der Toppartie der Bundesliga endlich wieder von Beginn an spielen dürfen und die Mannschaft als Kapitän auf das Spielfeld geführt. Ein Sieg gegen Borussia Dortmund wurde beim 2:2 (0:0) zwar verpasst, der Vorsprung auf Bayer Leverkusen (sechs Punkte) aber dennoch gehalten. Der 35-Jährige bereitete ein Tor vor und wurde zum Spieler der Partie gewählt.
„Am Ende war die Effektivität nicht so, wie wir sie uns vorstellen. Trotzdem war es, vor allem für die Fans, wahrscheinlich ein tolles Spiel. Insgesamt war viel Energie und Spielfreude zu sehen, aber natürlich war es auch ein Spiel der verpassten Möglichkeiten“, sagte Müller. Weil Leverkusen Samstagnachmittag nur 0:0 gegen 1. FC Union Berlin gespielt hatte, war des Remis für die Bayern verkraftbar.
An diesem Wochenende drehte sich sehr viel beim FC Bayern um das Interview von WELT AM SONNTAG mit Uli Hoeneß. Der Ehrenpräsident des Klubs hatte darin verraten, dass er kürzlich geträumt hat, dass Müller das entscheidende Tor im Champions-League-Finale am 31. Mai in München schießt. Und der FC Bayern den Wettbewerb gewinnt. Im ZDF wurde Müller nach dem Spiel gegen den BVB gefragt, ob er auch so wildes Zeug träume. Müller reagierte überrascht, stellte dem Interviewer die Gegenfrage: „Ist das so ein wildes Zeug?“
Man müsse ja erst mal ins Finale, sagte der Reporter. Müller lachte und antwortete: „Ja schon klar, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen. Den Traum an sich finde ich eigentlich ganz nett. Ich hatte ihn bisher noch nicht, aber ich finde ihn ganz romantisch und schön.“
Die Bayern fliegen Dienstag nach Mailand, wo sie Mittwoch (21 Uhr, DAZN) im Rückspiel des Viertelfinals der Königsklasse auf Inter treffen. Das Hinspiel in München verlor Müllers Mannschaft 1:2. Uli Hoeneß glaubt daran, dass die Bayern das noch drehen können.
„Es gab immer wieder Bayern-Mannschaften, die mit dem Rücken zur Wand standen – und eine Wagenburgmentalität entwickelten. Da entsteht manchmal eine neue, ganz besondere Energie“, sagte der 73-Jährige WELT AM SONNTAG: „Ich traue unserem Trainer Vincent Kompany absolut zu, die Mannschaft so einzustellen, dass sie eine Jetzt-Erst-Recht-Mentalität entwickelt – mit Blick auf das Champions League-Rückspiel in Mailand und vor allem auf unser großes Ziel, den Gewinn der Meisterschaft.“
Hoeneß äußerte sich in dem Interview erstmals zu dem Entschluss des Klubs, Müller keinen neuen Vertrag zu geben. Der aktuelle Kontrakt des Offensivprofis endet im Sommer. „Max Eberl hat das gut erklärt. Die ersten Gespräche haben auf Thomas den Eindruck gemacht, dass man sich vorstellen kann, mit ihm weiterzumachen“, so der Ehrenpräsident. „Mit dieser Vorstellung ist Thomas dann in das konkrete Gespräch mit Max und unserem Sportdirektor Christoph Freund gegangen. Und war überrascht, dass die beiden – in Absprache mit allen Gremien unseres Klubs – ihm diese Botschaft überbrachten. Sie haben da die geschlossene Haltung des FC Bayern vertreten. Darauf war Thomas nicht vorbereitet. Das hat er in seinem Statement zum Ausdruck gebracht, was man total verstehen kann.“
Als ein Reporter Müller Samstagabend in den Stadionkatakomben auf die Hoeneß-Aussage ansprach, dass ihn die Bayern-Haltung unvorbereitet getroffen habe, sagte Müller: „Glaubst du, du kriegst jetzt da von mir eine Antwort?“ Müller weiter: „Wir schauen doch nach vorn, das habe ich doch jetzt schon dreimal gesagt.“ Der Reporter hakte nach und fragte, ob Hoeneß mit seinen Aussagen denn nun recht habe. Müller stellte eine Gegenfrage: „Wie meinst du das?“
„Manchmal glaubst du dem Uli, manchmal nicht“
Der Reporter erklärte: „Du warst deswegen unvorbereitet, weil man dir vorher ...“ Müller unterbrach und entgegnete nur: „Ich kann das weder bestätigen noch dementieren.“ Der Reporter fragte ein letztes Mal: Also glauben wir Uli Hoeneß?Müller antwortete lächelnd: „Manchmal glaubst du dem Uli, manchmal nicht.“ Dann ging Müller lächelnd und sagte zu den Journalisten: „Viel Spaß!“
Ob er von Sommer an generell noch Profi-Fußballspielen werde, darüber wollte Müller am Wochenende nicht sprechen. Er ist auf seine letzten Wochen mit den Bayern fokussiert. „Wir brauchen kein Wunder, aber natürlich einen Sieg“, sagte er über die Chancen für das Rückspiel in Mailand. „Und Inter Mailand ist eine gute Mannschaft, da braucht man nicht drüber reden.“
Die Bayern brauchen die Einnahmen aus der Champions League. Hoeneß warnte in WELT AM SONNTAG: „Der FC Bayern muss ganz klar sparen. Von unserem Festgeldkonto ist nicht mehr viel da. Wir müssen wirtschaftlich umdenken.“ Ein Einzug in das Finale der Königsklasse würde dem Ehrenpräsidenten zufolge rund 30 bis 40 Millionen Euro bringen.
Jan-Christian Dreesen, Vorstandschef des FC Bayern, sagte Samstagabend bei Sky zu den Aussagen von Hoeneß: „Wir sind noch handlungsfähig. Das ist die wesentliche Botschaft. Die Motivation von Uli ist eine andere. Er hat Sorge, dass wir bei den ausufernden Gehältern die wirtschaftliche Solidität verlieren. Das sind seine mahnenden Worte.“ Und sagte zudem zum Thema Festgeldkonto: „Es ist genug drauf – für wen es auch immer reichen mag.“
In München wird weiterhin über einen Transfer von Leverkusens Jungstar Florian Wirtz zum FC Bayern spekuliert. Samstagabend sagte Experte Lothar Matthäus, dass er zu „40 Prozent“ davon ausgehe, dass Wirtz in der kommenden Saison für die Bayern spielen werde. „Lothar kennt sich aus im Fußball. Wir werden sehen“, sagt Dreesen dazu.
Hoeneß hatte im Interview mit WELT AM SONNTAG gesagt: „Ich persönlich würde ihn gerne beim FC Bayern sehen. Aber das ist meine Meinung als Privatmensch. Der Spieler steht bei Bayer Leverkusen unter Vertrag. Um ihn zu verpflichten, bräuchten wir ein Sondervermögen wie die Bundesregierung.“
Dreesen sagte dazu: „Träume darf man immer haben. Der FC Bayern sollte und will immer die besten deutschen Spieler bei sich haben. Aber Wirtz – und das ist halt auch die Wahrheit – ist ein Spieler von Leverkusen. Das sind Spekulation, die ich nicht weiter kommentiere.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen und wird beim Rückspiel gegen Inter Mailand im Stadion sein.
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