Im ersten Duell der Bundesliga an diesem Sonntag empfängt der Tabellen-10. VfB Stuttgart den direkten Verfolger Werder Bremen (15.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT). Beide Teams können sich im Liga-Endspurt noch Hoffnungen auf einen Europacup-Platz machen und zeigten zuletzt wieder bessere Form. Seit mehr als 19 Jahren gab es kein 0:0 zwischen dem VfB und Werder. Vor dem Duell bezieht Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß Stellung – und sagt, ob ein Wechsel oder eine Golfrunde mit Thomas Müller realistischer ist.
Frage: Herr Hoeneß, Sie haben vor dem 3:1 im Pokal-Halbfinale gegen RB Leipzig zur Motivation schon den DFB-Pokal in die VfB-Kabine gestellt. Haben Sie ihn auch mal angefasst – oder nur angeschaut?
Sebastian Hoeneß: Es ist richtig, wir haben den Pokal aufgestellt und wollten damit vor dem Leipzig-Spiel die Motivation noch ein wenig steigern. Ob das zum Sieg beigetragen hat, kann ich nicht beurteilen. Die Mannschaft wollte dieses Endspiel auf jeden Fall und um jeden Preis erreichen. Ich habe den DFB-Pokal aber nur angeschaut, nicht berührt.
Frage: Ihr Vater Dieter hat den Pokal dreimal als Spieler gewonnen. Ihr Onkel Uli einmal. Was würde Ihnen der erste Titel als Trainer bedeuten?
Hoeneß: Der Pokalsieg wäre etwas sehr Besonderes, da der Pokal auch für mich persönlich eine große Bedeutung hat: Das liegt zum einen an unserer Familien-Geschichte, zum anderen daran, dass ich selbst oft beim Endspiel im Stadion war. Ich habe in Berlin gelebt und hatte immer mal wieder den Gedanken – es wäre ein Traum, wenn ich irgendwann Teil dieses großen Spiels sein könnte. Das sind die Spiele und Momente, für die man als Trainer arbeitet. Aber bitte nicht vergessen: Wir haben noch sechs Bundesliga-Spiele, die wir erfolgreich bestreiten wollen, bevor wir in Berlin gegen Arminia Bielefeld antreten.
Frage: Wie viele Nachrichten hatten Sie nach dem Final-Einzug auf dem Handy?
Hoeneß: Sehr viele. Und definitiv mehr als nach einer Niederlage, da sind es nur wenige. Aber: Ich bekomme immer eine WhatsApp von meiner Mutter. Das hat Tradition, das freut mich jedes Mal.
Frage: Wie gratuliert Ihr Onkel Uli nach so einem Sieg? Ruft er Sie auch – wie Journalisten – mit unterdrückter Nummer an, oder schickt er ein Fax vom Tegernsee?
Hoeneß: Uli verfolgt den VfB mit Interesse, ruft öfter an: auch stets mit unterdrückter Nummer. Meistens kann ich es erahnen, dass er es ist, weil das sonst keiner macht. (lacht) Natürlich freut er sich sehr und das drückt Uli auch aus. Genauso freue ich mich für ihn, wenn die Bayern erfolgreich sind – außer natürlich gegen uns.
Frage: Welcher Titel-Gewinn in der Familie Hoeneß hat Sie am meisten geprägt, woran denken Sie zuerst?
Hoeneß: Ich war zu jung, um alles wirklich mitzuerleben. Aber natürlich habe ich viele Fotos und Videos gesehen und denke dabei auch an die Turban-Anekdote von meinem Dad …
Frage: … am 1. Mai 1982 musste ihr Vater im Pokalfinale gegen Nürnberg wegen einer klaffenden Wunde an der Stirn mit einem Turban verarztet werden, erzielte so jedoch ein Kopfballtor. Am Ende gewann der FC Bayern 4:2. Wie oft war die Story zu Hause ein Thema?
Hoeneß: Die Story ist unglaublich, absolut positiv besetzt. Sie zeigt, dass mein Vater bereit war, an die Grenze und darüber hinauszugehen, um erfolgreich zu sein. Diese Geschichte beschreibt ihn gut. Es ist nicht so, dass wir jedes Weihnachtsfest zusammensitzen, und über sein Turban-Tor sprechen. Aber die Story wird auch nicht langweilig. Dafür ist sie zu gut.
Frage: Nach dem Final-Einzug haben Sie ein Interview am ZDF-Mikro abgebrochen, um mit dem Team vor der Kurve zu feiern. Hatten Sie schon mal einen Moment, in dem Sie glücklicher auf dem Platz waren?
Hoeneß: Es war sicher einer der glücklichsten Momente in meiner Karriere. Ich habe auf den Monitoren vor mir gesehen, dass sich Mannschaft und Staff vor der „Cannstatter Kurve“ – unserer Heimkurve – versammelt haben. Es ist ein großartiges Bild entstanden, das hätte ich mir nicht verziehen, wenn ich da nicht mit drauf gewesen wäre.
Frage: Sie rannten zum Foto, rutschten sogar auf den Knien und blieben im Rasen hängen! Haben Sie sich dabei weh getan?
Hoeneß: Ich habe eine kleine Schürfwunde davongetragen. Ich dachte, der Platz sei rutschiger, ich wollte elegant ins Bild schlittern. Meine Torhüter haben mir schon öfter gesagt, dass der Platz im Strafraum trocken ist, sie deswegen langärmlig trainieren und spielen.
Frage: Welche Schlagzeile wollen Sie am 25. Mai lesen?
Hoeneß: Ich gehe davon aus, dass das der Tag nach dem Pokalfinale ist?
Frage: Sie kokettieren …
Hoeneß: Nein, wirklich nicht. Ich habe mich mit dem Pokalfinale und allem, was das mit sich bringt, nicht viel beschäftigt. Dass ich verschiedene organisatorische Dinge mitbekomme, ist okay, ich wehre mich nicht dagegen. Aber es geht darum, den Fokus zu behalten. Das ist auch die Erwartung an die Spieler. Wir wollen in der Bundesliga noch nach oben klettern.
Frage: Ihr Sonntagsgegner Bremen gab Nick Woltemade vor dieser Saison ablösefrei an den VfB ab, ihm wurde dort vorgeworfen, er schieße zu wenig Tore. Was haben Sie in Woltemade gesehen, dass er nun kurz davor steht, Nationalspieler zu werden?
Hoeneß: Ich hatte Nick schon als Hoffenheim-Trainer im Blick, kenne ihn entsprechend lange. Nick war zwischenzeitlich in der dritten Liga in Elversberg, hat dort regelmäßig gescort. Er hat einfach eine richtige fußballerische Klasse. Was sich bei uns gut entwickelt hat: Dass Nick in den torgefährlichen Räumen auftaucht und auch deshalb häufig trifft. Er ist ein junger Bursche, der noch weitere Schritte gehen muss. Er hat dafür ein überragendes Mindset. Nick ist ein cooler, erfrischender Typ, der intelligent ist und offen, dazu bringt er ein gesundes Selbstvertrauen mit. Er hat alles, um die nächsten Entwicklungsschritte zu gehen. Wir haben sicher bisher nicht alles von Nick gesehen.
Frage: Ihr Vater Dieter sagte einmal: „Ich weiß, wie schwer es ist, mit dem Namen Hoeneß diese Entwicklung zu nehmen. Denn da wird genauer draufgeschaut. Ein Hoeneß hat es eher schwerer als leichter. Umso stolzer bin ich, wie Sebastian seinen Weg geht.“ Haben Sie den Namen mal verflucht?
Hoeneß: Nein. Ich kenne es einfach nicht anders. Deswegen habe ich schon lange aufgehört, darüber nachzudenken. Es bringt in gewissen Situationen vielleicht Vorteile, manchmal Nachteile, insgesamt wird sicherlich mehr interpretiert und bewertet. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich in der Familie Hoeneß aufgewachsen bin, die Dinge mitbekommen habe, die mir mit auf den Weg gegeben wurden.
Frage: Durch Ihre Erfolge kennt Sie jeder Fußball-Fan. Was ist das für ein Gefühl, nicht mehr „der Sohn von“ zu sein?
Hoeneß: Für mich ging es nie darum, dass ich mich emanzipieren wollte. Ich wollte mich weiterentwickeln, die nächsten Schritte machen. Mein Ziel war und ist es, mit den besten Spielern zusammenzuarbeiten und erfolgreich zu sein. Damit habe ich mich beschäftigt, nicht mit dem Namen „Hoeneß“.
Frage: Sie haben für viele überraschend beim VfB verlängert, obwohl es letzte Saison u. a. Anfragen von Chelsea und ManUnited gab. Nun hätten Sie potenziell zu Leipzig und Leverkusen gehen können, die finanziell deutlich größere Möglichkeiten haben. Warum wollten Sie dennoch unbedingt bleiben?
Hoeneß: Der VfB mit seinen Fans, mit seiner Umgebung hat eine unglaubliche Faszination. Es ist etwas Besonderes, hier zu arbeiten. Das stellen auch viele Menschen von außerhalb fest, die in den vergangenen zwei Jahren bei uns im Stadion waren: Diese Energie, die Freude und Euphorie im und rund um das Stadion ist zu greifen. Das ist etwas Besonderes und mir wichtig. Und: Auch der VfB hat Möglichkeiten zu wachsen: Wir haben gemeinsam die Ambition und die Vision, dass wir konstant mit dem Ziel und dem Anspruch in eine Saison gehen können, uns fürs internationale Geschäft zu qualifizieren. Deswegen habe ich auch mit niemand anderem gesprochen als mit dem VfB.
Frage: Hat sich Jürgen Klopp einmal gemeldet, um Sie von RB Leipzig zu überzeugen?
Hoeneß: Es war mein Wunsch, beim VfB zu bleiben, insofern gab es keinen Grund nach links oder rechts zu schauen.
Frage: Der VfB will konstant international spielen. In München bekommt eine Legende, die unglaublich viel internationale Erfahrung hat, keinen Vertrag mehr. Könnte Ihnen Thomas Müller helfen beim VfB, würden Sie ihn anrufen?
Hoeneß: Für mich ist Thomas Müller einer der Größten. Ich habe es jedes Mal genossen, ihm beim Fußballspielen zuzuschauen und danach auch, das eine oder andere Mal mit ihm zu sprechen. Er ist auch oft dafür verantwortlich gewesen, dass wir schwierige Spiele gegen Bayern erlebt haben (schmunzelt). Thomas gehört in jeder Bewertung ins oberste Regal, er ist großartig. Ich hoffe sehr, dass er dem deutschen Fußball erhalten bleibt. Ich werde ihn aber nicht anrufen, da bin ich Realist. Aber er kann mich jederzeit anrufen. (lacht) Auch wenn es dann wahrscheinlich darum gehen würde, dass wir mal zusammen Golf spielen …
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geführt und zuerst in „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.
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