Keiner begeistert MMA-Fans in Deutschland so wie Max Holzer. Der 23-Jährige aus Hannover weiß, wie Entertainment im noch jungen Sport funktioniert, wandelt aber regelmäßig auf einem schmalen Grat zwischen Lachflash und Fremdscham.

Ein Kuss, eine obszöne Geste und eine Massenrangelei außerhalb des MMA-Käfigs: Der jüngste Kampf von Max Holzer bei Oktagon 69 in Dortmund hat neben dem gewohnten Programm des MMA-Profis aus Hannover - bestehend aus kostümiertem Einmarsch und sportlicher Dominanz - einen faden Beigeschmack. Für seine derben Aussagen vor und nach dem Duell mit Deniz Ilbay wird Holzer von vielen gefeiert, andere kritisieren die Respektlosigkeit und den fehlenden Filter des 23-Jährigen. So gut die sportlichen Leistungen, so genial seine Entertainmenteinlagen auch sind, der Grat zur Unsportlichkeit und verbalen Entgleisung ist bei ihm wahnsinnig schmal.

Es muss schon etwas bedeuten, wenn eine Szene bei einem MMA-Event in Deutschland um die Welt geht. Millionenfach werden Reels und Videos aufgerufen, die größten Stars des Sports reagieren auf Social Media. Das Video zeigt Holzer, der nach seinem Sieg seinem Gegner Ilbay einen Kuss auf den Rücken drückt und anschließend mit seinem Becken obszön gegen dessen Gesäß stößt. Es ist für Ilbay die ultimative Demütigung, die er nicht auf sich sitzen lassen will. Er jagt Holzer nach, stößt diesen durch die Käfigtür. Holzer fällt rund einen Meter tief auf den Rücken, rappelt sich auf und reckt die Arme in die Höhe, feiert seinen Sieg. Drumherum bricht Chaos aus. Trainer und Betreuer beider Teams bilden ein Pulk mit Fans, alle wollen sich gegenseitig an den Kragen.

Bestraft wird am Ende Ilbays Vater Garip. Er hatte Holzer während des Kampfes hörbar beleidigt und anschließend einen Fan im Tumult niedergeschlagen. Er wird nun für mindestens sechs Monate gesperrt. Die beiden Kämpfer kommen ungeschoren davon. Da es für Holzers Faxen kein Reglement, für Ilbays physisches "Nachtreten" dagegen schon gibt, kommt der Kölner rein regeltechnisch sogar noch gut weg.

Es bleiben die Bilder der Demütigung. Alle wissen, was Holzer mit seiner Aktion andeuten wollte. Damit es aber auch der Letzte versteht, griff Holzer unmittelbar nach dem Kampf im Interview mit RTL eine im Vorfeld von Ilbay getätigte Provokation auf: "Deniz meinte, dass ich nach dem Kampf reif bin fürs Trash-TV. Und ich muss sagen, das bin ich auch, denn jetzt gibt es Frauentausch. Ilbay ist meine neue Frau, denn wie ihr gesehen habt: Ich habe ihn geb****."

Es folgte die Pressekonferenz und wohl auch die Einsicht beim 23-Jährigen. Er entschuldigte sich umfassend für viele seiner Aussagen, betonte zwar weiter, dass auch er provoziert und beleidigt wurde, ging aber explizit auf Ilbay zu. "Das war scheiße von mir. Deniz, es tut mir leid. Ich respektiere, dass du so hinter deiner Frau und deiner Familie stehst. Es tut mir leid, dass ich diese Scheiß-Aktion gemacht habe. Aber ich bin noch grün hinter den Ohren", so Holzer, der Ilbay die Hand reichte, dieser jedoch nicht annahm.

Auf der Pressekonferenz betonte der 23-Jährige dann auch noch einmal, dass Unterhaltung zum MMA-Sport dazugehört. Er vermittelte das auf seine Weise, ohne Filter. Dafür kam es ehrlich rüber, während man in seiner Entschuldigung immer einen gewissen Schalk wiederfinden mag. "Ihr müsst auch sehen, was wir alles machen", setzte Holzer an. "Wir töten uns im Training, wir müssen so viel Gewicht abnehmen und machen alles für den Sport. Wir haben nur dieses eine Wochenende, um einmal richtig im Vordergrund zu stehen. Ansonsten kriegst du deine Schläge ab im Training und Kampf, wirst irgendwann bescheuert, hast keinen Cent verdient und bist irgendein Penner." Man müsse daher auch verstehen, warum man die Show mache.

Oben der Lachflash, unten die Fremdscham

Die direkte unüberlegte Art wird gefeiert, ebenso wie seine Einmärsche in den Arenen. Als Disney-Figur Buzz Lightyear und Batman begann seine Erfolgsstory bei Oktagon. Holzer ging mit den Kostümen auf verbale Geplänkel mit seinen Gegnern ein, oder traf als Talahon auf einem E-Scooter im Frankfurter Stadion den Zeitgeist und auch mitten ins Herz der Zuschauer. Sogar den Einmarsch von Ilbay als mexikanischer Pistolero vereinnahmte er schon, um sich dessen Aufmerksamkeit und letztlich das Duell mit dem Kölner zu sichern. In Dortmund ritt er auf einem Dinosaurier ein, trug dabei einen Haarreif mit grünen Ohren. Die Menge jubelte und feierte den derzeit - nach Christian Eckerlin - populärsten aktiven Kampfsportler Deutschlands.

Was Holzer sagt und was Holzer macht, sind aber oft zwei Paar Schuhe. Ihm zuzuhören ist wie eine Achterbahnfahrt. Auf dem Höhepunkt droht den Zuschauern der Lachflash, im Tal lauert die Fremdscham. Auf die guten und lichten Momente der Pressekonferenz folgte ein Tiefpunkt in seiner Instagram-Story. Auf die Frage, ob es einen Rückkampf mit Ilbay geben könnte, antwortete er: "Nein. Bei einer Vergewaltigung gibt es auch keinen Rückkampf." Gemeint ist damit seine dominante Leistung über vier Runden, die Wortwahl gehört sich jedoch wirklich nicht. 99,9 Prozent aller MMA-Kämpfer würden das öffentlich nie so formulieren, Holzer trällerte das vor seinen mittlerweile 140.000 Followern einfach so vor sich her.

Aber nach dem Tief geht es bekanntermaßen wieder bergauf. So geschehen in Holzers eigenem Youtube-Statement. Seine "respektlose und falsche Geste" gegenüber Ilbay tue ihm leid. "Ich entschuldige mich bei allen, falls ich den Sport in ein schlechtes Licht gerückt habe", so Holzer. Ebenso rief er seine Fans dazu auf, Ilbays Familie keine Hassnachrichten zu schreiben. "Wer das macht, soll mir direkt entfolgen. Damit will ich nichts zu tun haben."

Holzers Auftreten hat ihn mittlerweile sogar in die Youtubesendung von Ariel Helwani, dem einflussreichsten und bekanntesten MMA-Journalisten der Welt gebracht. Nüchtern erzählte er dort seine Sicht der Dinge, lobte Oktagon als Veranstalter, der in Deutschland eine größere Rolle spiele als die UFC. Als erster Deutscher überhaupt saß er in dieser Livesendung mit globaler Reichweite - teilweise aus den falschen Gründen. Sportlich gehört Max Holzer zu den Besten in Europa, vielleicht sogar der Welt. Was den Entertainmentfaktor angeht, kann ihm keiner das Wasser reichen. Eingeladen und angekündigt wurde er als "Dry Humper". "Trockenficker" wäre wohl die passende Übersetzung.

Der Auftritt bedeutet eine enorme Aufmerksamkeit, die in dem in Deutschland noch jungen Sport sowohl individuell für die Athleten als auch die Veranstalter enorm wichtig ist. Daher braucht der Sport einen Max Holzer, der geniale Auftritte garantiert und viele Augen auf MMA lenkt. Und gleichzeitig ist er ein Problem: Weil er aus der Perspektive von außen dem Sport mit seinen Entgleisungen schadet. Aber: Der 23-Jährige ist noch grün hinter den Ohren und ohne Filter. Man wünscht ihm, dass er weiterhin unterhaltsam und sportlich erfolgreich bleibt. Aber auch, dass er mit dem Alter an Reife gewinnt.

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