PSG feiert als erstes Team der europäischen Top-5-Ligen die Meisterschaft. In der Champions League hat der französische Hauptstadt-Klub den FC Liverpool ausgeschaltet, nun wartet Aston Villa. Die großen Namen sind längst nicht mehr da – das macht PSG so gefährlich.

Gute Fußballspieler werden immer teurer. Das ist nicht neu. Die Aussage trifft wahrscheinlich seit Einführung der Ablösesummen zu. Seitdem wartet die Branche darauf, dass sich die Entwicklung umdreht, und wird das womöglich auch noch lange tun. Daraus hat sich in den vergangenen Jahren für etliche Klubs ein Geschäftsmodell entwickelt. Spieler möglichst früh einkaufen (im Idealfall sogar selbst ausbilden), hoffen, dass sie einschlagen und den Gewinn mitnehmen. Allen voran Benfica Lissabon, Ajax Amsterdam oder RB Salzburg lassen sich ihr starkes Scouting und die gute Entwicklungsarbeit in riesigen Transfersummen bezahlen.

Denn die gut ausgebildeten Hoffnungsträger muss man sich leisten können. Am anderen Ende des Tisches sitzen bei solchen Verhandlungen Klubs wie Manchester City, Real Madrid, der FC Chelsea, Manchester United oder der FC Liverpool. Der FC Barcelona sitzt dort aus Geldnot immer seltener. Egal, die Katalanen gehören schließlich selbst zu absoluten Experten in der Jugendausbildung und können aus ihrer Akademie "La Masia" scheinbar wahllos 16-Jährige in die erste Mannschaft integrieren.

Die Milliarden, die PSG erblinden lassen

Es gibt jedoch auch einen Klub, der regelmäßig mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Tisches sitzt. Der jahrelang offensichtlich die eigene Jugend nicht wertschätzt und stattdessen einer Harlem-Globetrotters-esken Vision eines Fußballteams nachjagt. Als hätte man ab einem gewissen Milliarden-Betrag eigenes Talent schlicht nicht mehr nötig. Dieser Klub ist Paris Saint-Germain. Mit dem Verkauf an den katarischen Staatsfonds beginnen bei dem in der Vergangenheit nur bedingt relevantem Hauptstadtklub die ganz fetten Jahre. Zumindest glauben das alle.

Was 2011 mit dem Transfer vom heute längst vergessenen Javier Pastore (42 Millionen Euro Ablöse) vom Palermo FC seinen Anfang nimmt, gipfelt genau zehn Jahre später durch die Verpflichtung eines weiteren Argentiniers in einem Kader, den es sonst nur auf der Spielkonsole gibt: Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar spielen gemeinsam für den neureichen Klub. Parallel dazu wird PSG zum Lifestyle-Produkt, das Logo der Bekleidungsmarke von Michael Jordan ziert ihre Trikots und Trainingsanzüge. Getragen werden sie von den ganz großen Namen des Sports. Sergio Ramos, David Luiz oder Gigi Buffon schauen nur kurz mal vorbei, Zlatan Ibrahimović oder Ángel Di María bleiben etwas länger. Auch deutsche Kicker wie Kevin Trapp, Thilo Kehrer oder Julian Draxler mischen im Star-Ensemble mit.

Mit all dieser gebündelten fußballerischen Finesse gewinnt Paris Saint-Germain genau keinen Champions-League-Titel. Ja, der Verein wird nur in Ausnahmefällen nicht Meister, das scheint im Klub aber auch annähernd niemanden zu interessieren – zumindest in der Etage der Financiers. Zum Greifen nahe scheint der Titel während des Final-Four-Turniers im Pandemie-Jahr 2020. In diesem Jahr wirkt PSG tatsächlich wie eine organisch gewachsene Mannschaft. Die Star-Elf von Thomas Tuchel zieht auch dank Nicht-Star Eric-Maxim Choupo-Moting, der in der Nachspielzeit das Viertelfinale gegen Bergamo entscheidet, ins Endspiel ein. Der Spirit scheint zu stimmen, Neymar spielt vielleicht seine beste Saison im dunkelblauen Trikot. Dann kommt im Finale Kingsley Coman und köpft die Bayern zum Henkelpott.

Comans Leberhaken und das Ende der GZSZ-Ära

Kingsley Coman, der das Fußballspielen – natürlich – bei Paris Saint-Germain gelernt hat. Retrospektiv wird Comans Augen-zu-und-durch-Kopfball ein Leberhaken für das Pariser Milliarden-Projekt. Messi hin oder her, so nah am großen Traum sind die Avengers von der Seine nie wieder. Doch im Sommer 2020 hat PSG seine Lektion noch nicht gelernt. Sie verkaufen das vielversprechende Talent Christopher Nkunku für zwölf Millionen Euro an RB Leipzig. Die Sachsen können es wahrscheinlich auch heute noch kaum glauben. 2020/21 wird Lille vor Paris Meister, auch dank des überragenden Torhüters Mike Maignan, der das Fußballspielen – aber ja – bei Paris Saint-Germain gelernt hat. 2021/22 scheitert PSG in der Champions League schon im Achtelfinale. Real Madrid ist eine Nummer zu groß. Die Königlichen marschieren anschließend zum Titel und so gewinnt Ferland Mendy, der das Fußballspielen – wie sollte es anders sein - bei Paris Saint-Germain gelernt hat, seinen ersten Henkelpott.

Ab dem Sommer 2023 schließlich, passieren wahnsinnig viele PSG-untypische Dinge. Lionel Messi geht. Neymar geht. PSG verpflichtet nicht den nächsten Posterboy des Weltfußballs. Stattdessen regt sich die Führungsetage darüber auf, dass man den Transfer von Mathys Tel verschlafen hat. Der 17-jährige Stürmer hatte sich stattdessen für den FC Bayern entschieden. Coach Luis Enrique wird nicht entlassen, sondern bekommt Zeit, eine Mannschaft zu entwickeln. Im vergangenen Sommer verlässt dann mit Kylian Mbappé die letzte große Galionsfigur der Glamour-Ära den Klub. Streit um wie viele Millionen auch immer aus obskuren Boni-Zahlungen inklusive. Mit dem Abgang des extrovertierten Star-Stürmers kehrt im Prinzenpark eine unüberhörbare Ruhe ein. Luis Enrique geht in sein drittes (!) Jahr in Paris mit einem Kader, dessen größter Star vermutlich der Irgendwie-schon-auch-Flop Ousmane Dembelé ist, der sich einst vom BVB wegstreikte. Und dann funktioniert einfach alles.

Zague, Doué und Mayulu statt Messi, Neymar und Mbappé

Es kann so einfach sein. Die eigenen Talente werden nicht mehr aufgrund der Perspektivlosigkeit an die europäische Konkurrenz verramscht, so wie nicht nur Mendy, Maignan, Nkunku oder Coman, sondern auch Spieler wie Lazios Mattheo Guendouzi oder Ex-Bayer-Stürmer Moussa Diaby. Stattdessen strahlen Juwelen wie Désiré Doué oder das Übertalent Warren Zaire-Emery fernab aller Stars, die einen zu großen Schatten werfen. Auch der französische U20-Nationalspieler Senny Mayulu kommt immerhin auch schon auf 14 Einsätze, mit dem 17-jährigen Außenverteidiger Yoram Zague drängt ein weiteres Talent in die Mannschaft.

Die Pariser Verantwortlichen gehen sogar noch einen Schritt weiter. Der eigentlich nur ausgeliehene Xavi Simons, der nach seiner Rückkehr in den Pariser Kader möglicherweise direkt der größte Name des Klubs gewesen wäre, wird im Winter an RB Leipzig verkauft, weil PSG keinen Bedarf für seinen Spielertyp sieht. Auf der Position Simons‘ wirbelt derzeit der 22-jährige Bradley Barcola, der sich so auch schon für die Nationalelf empfehlen konnte. Garniert mit einigen erfahrenen Namen wie Ex-Münchener Lucas Hernández, dem ewigen Kapitän Marquinhos oder einem bei der EM überragenden spanischen Mittelfeld-Motor Fabian Ruiz verliert PSG in der Liga bisher noch kein Spiel.

Jetzt wartet also Aston Villa in der Champions League, die in dieser Saison schon den FC Bayern ärgern konnten. In der Premier League rangiert die Mannschaft von Unai Emery auf Rang 6 - mit mehr als 20 Punkten Rückstand auf den FC Liverpool. Ebenjene Reds, die auch in der neu eingeführten Champions-League-Tabelle an der Spitze standen, haben Luis Enriques junge Wilde in der Vorrunde aus dem Turnier geworfen. PSG ist in dem Duell klarer Favorit, und das aufgrund der Leistungen, nicht durch die Namen in der Startelf. Ganz aus seiner Haut kann der Pariser Edel-Klub zwar noch nicht – im Winter wird für 80 Millionen Euro das georgische Flügel-Ass Khvicha Kvaratskhelia aus Neapel verpflichtet – nichtsdestotrotz entsteht der Eindruck, dass die sportliche Arbeit unter dem Eiffelturm zum ersten Mal seit der Katar-Übernahme vor 15 Jahren Hand und Fuß hat. Heimisches Talent schlägt die teuer eingekauften Legionäre. Und das könnte sich letzten Endes auch finanziell lohnen. Denn der günstigste Einkauf ist immer noch der, den man nicht machen muss.

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