Es wird ein großer, emotionaler Abschied: Vom kommenden Donnerstag an tritt Bernhard Langer, 67, zum 41. und letzten Mal beim US Masters in Augusta an. Der deutsche Ausnahmegolfer konnte das wohl bedeutendste Turnier der Welt 1985 und 1993 gewinnen, 2020 schaffte er als bislang ältester Teilnehmer den Cut.

WELT AM SONNTAG: Herr Langer, auf dem Golfplatz zeigen Sie selten Emotionen. Im vergangenen Juli aber verabschiedeten Sie sich unter Tränen bei den BMW Open in München von Ihren deutschen Fans. Wie viel Gefühl steckt in Ihnen?

Bernhard Langer: Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, was man zugegebenermaßen auf dem Golfplatz nicht sofort erkennt. Da muss man mich schon sehr genau kennen, um zu sehen, was in mir vorgeht. Als junger Spieler habe ich mal einen Schläger geworfen und fast jemanden verletzt, seither tue ich so etwas nicht mehr. Auf dem Platz schließe ich die Emotionen eher in mich ein, außer mir gelingt mal ein ganz besonderer Schlag. Abseits davon aber gestatte ich mir viele Gefühle. In familiären Dingen fließen dann auch schon mal Tränen – meist vor Freude.

WAMS: Nun steht Ihr letztes Masters an. Wie, denken Sie, wird das für Sie werden?

Langer: Es wird sich vermutlich nicht ganz so endgültig anfühlen wie mein Abschied in München im vergangenen Jahr, weil ich hoffentlich noch oft nach Augusta reisen werde – um dort am Par-3-Turnier und am Champions Dinner teilzunehmen. Und vielleicht ja auch mal als Honorable Starter (Das Masters wird traditionell durch Abschläge von drei ehemaligen Champions gestartet – d.R.), aber vor allem als Zuschauer und um dort meine Sponsoren wie Rolex oder Mercedes zu besuchen, halt nicht mehr als Spieler. Darum wird es mit Sicherheit auch dieses Mal sehr emotional. Meine ganze Familie wird da sein, meine vier Kinder und die vier Enkelkinder. Mein Bruder Erwin reist mit seiner Frau an, viele Freunde aus Deutschland und Amerika werden kommen. Es wird sicher nicht ganz einfach sein, mich komplett aufs Golfen zu konzentrieren, es wird viel abgehen im Kopf.

WAMS: Dann dehnen Sie Ihr letztes Masters am besten auf vier Tage aus …

Langer: (lacht) Ja, das wäre am besten, aber dafür müsste ich den Cut schaffen.

WAMS: Der Cut teilt das Teilnehmerfeld nach zwei der vier Turniertage, die schlechtere Hälfte scheidet aus. 2020 schafften Sie als bis dato ältester Spieler in Augusta das Kunststück, den Cut zu überstehen.

Langer: Das stimmt. Aber realistisch betrachtet wird es sehr schwer. Ich bin 67 Jahre alt, meine Bälle fliegen jedes Jahr ein bisschen kürzer, dafür wird der Platz aber immer länger. Auf der Champions Tour (Tour der Über-50-Jährigen – d.R.) sind die Plätze im Schnitt um die 7000 Yards lang, in Augusta sind es fast 7500 Yards. Die jungen Spieler schlagen ihre Bälle mittlerweile alle ohne Probleme über 300 Yards und haben dann mitunter nur noch ein Eisen 9 zum Grün, wo ich zum Eisen 2 oder 3 greifen muss. Dadurch fliegen meine Bälle flacher und halten nicht an auf den Grüns.

WAMS: … und die Grüns in Augusta gelten ohnehin als die schwersten der Welt.

Langer: Ja, sie sehen zwar groß aus, bestehen aber aus drei bis fünf kleinen Plateaus, die man genau treffen muss, um den Ball zum Stoppen zu bringen. Das geht mit einem Eisen 3 halt nicht. Darum muss ich zum Teil gezielt Bunker anspielen, um in Grünnähe zu bleiben. Ich muss fast an jedem Loch ums Par kämpfen, während die Jüngeren auf Birdies hoffen.

WAMS: Ist eine Sensation also ausgeschlossen?

Langer: Nein, eine Sensation ist nie ausgeschlossen. Im Golf kann alles passieren. Wenn der Putter glüht und ich gut drauf bin, ist alles möglich, aber es ist halt immer schwieriger geworden.

WAMS: Boris Becker hat Wimbledon stets als sein „Wohnzimmer“ bezeichnet. Würden Sie das Gleiche über Augusta sagen?

Langer: Ja, das kann man durchaus vergleichen. Boris fühlt sich in Wimbledon zu Hause, und mir geht es mit Augusta ähnlich. Ich weiß noch genau, wie es war, als ich das erste Mal dort war. Ich war sofort verliebt, obwohl der Platz nicht einfach ist und die Grüns sagenhaft schwer sind. Ich hatte trotzdem das Gefühl: Hier bist du zu Hause, hier kannst du gute Ergebnisse spielen. Anders übrigens als bei den US Open …

WAMS: Die finden auf wechselnden Plätzen statt, die aber immer über sehr enge Fairways und tiefes Gras abseits davon verfügen.

Langer: … und das habe ich nie wirklich gemocht. Kaum hast du das Grün nicht getroffen, bist du im tiefen Kraut, musst draufhacken und beten, dass der Ball irgendwie da rauskommt. Das ist nicht mein Spiel. In Augusta mit seinen breiten Fairways habe ich mich immer viel wohler gefühlt.

WAMS: 1982 haben Sie dort debütiert. Wie war das damals?

Langer: Ich war geflasht, hatte so etwas noch nie gesehen. Der Platz war makellos, da war kein Stängelchen Unkraut zu sehen, die Fairways waren wie grüne Teppiche. Statt Roughs gab es unter den Bäumen diesen typischen Belag aus Piniennadeln. Der Übungsbereich war eine Sensation und die gesamte Organisation war perfekt.

WAMS: Sie haben den Platz mittlerweile über 100 Mal gespielt. Haben Sie sich auf Ihr letztes Mal trotzdem speziell vorbereitet?

Langer: Ja, ich habe vor allem Schräglagen trainiert, denn in Augusta liegt der Ball selten total ebenerdig, sondern man hat immer eine Schräge. Da ist es nicht einfach, einen guten Ballkontakt zu bekommen.

WAMS: In Augusta haben Sie als zweimaliger Masters-Champion einen eigenen Spind. Hängen da Ihre zwei Sieger-Jacketts drin?

Langer: Nur eines, mehr kann ich ja nicht tragen. Sonst müsste Jack Nicklaus ja einen XXL-Spind haben für seine sechs Jacketts. (lacht)

WAMS: Wer sind Ihre Spindnachbarn?

Langer: Tiger Woods und José Maria Olazabal.

WAMS: 1972, im Alter von 15 Jahren, haben Sie zu Ihren Eltern gesagt, dass Sie eine Golflehrerausbildung machen möchten. Die Sportart Golf steckte in Deutschland damals in den Kinderschuhen.

Langer: Ich bin mit meinen Eltern zur Berufsberatung nach Augsburg gegangen und habe dem Berater gesagt, dass ich Golflehrer werden möchte. Der machte ein erstauntes Gesicht und fragte: „Was ist das denn?“ Er verschwand dann, und als er wiederkam, sagte er: „Ich habe mal nachgeschaut: So etwas gibt es nicht, das ist kein anerkannter Ausbildungsberuf.“

WAMS: Und dann?

Langer: Meine Eltern haben mich bekniet: „Willst du nicht lieber etwas Anständiges machen, etwas mit Zukunft? Du weißt doch gar nicht, ob die Leute in ein paar Jahren überhaupt noch Geld haben, um Golf zu spielen.“ Zum Glück habe ich mich durchgesetzt. (lacht)

WAMS: Heutzutage bietet die Professional Golfers Association of Germany maßgeschneiderte, wissenschaftlich fundierte Ausbildungskurse zum Golflehrer an. Wie sah Ihre Lehre damals aus?

Langer: Das war schon damals ziemlich umfangreich. Heinz Fehring war mein Lehrer im Münchner Golfclub in Straßlach. Jeden Morgen musste ich im Proshop eine Stunde die Schläger abstauben, die ankommende Ware auspacken und die Kartons hinter dem Gebäude stapeln. Es gab eine Dame, die mir erklärt hat, wie Buchführung funktioniert, wie es sich mit Einkaufs- und Verkaufspreisen verhält etc. Dann habe ich Heinz Fehring zugeschaut, wie er Golfer unterrichtet hat und habe abgeglichen, ob ich das genauso machen würde. Ich hatte als Caddie ja schon inoffiziell ein bisschen Golfunterricht gegeben, wenn ich Spieler mit Handicap 36 über den Platz begleitet habe. Zudem musste ich Dinge wie Golfregeln, Turnierorganisation und auch Englisch lernen. Nach drei Jahren gab es eine Prüfung, die habe ich bestanden. Da war ich 18, und dann bin ich als Pro auf die Tour gegangen.

WAMS: 1976 wagten Sie den großen Schritt …

Langer: Das war natürlich mit großer Unsicherheit verbunden, ich wusste ja nicht, wo ich im internationalen Vergleich stehe. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mit Golfspielen wirklich mein Lebensunterhalt verdienen kann. Immerhin hatte ich einen Mäzen, Jan Brügelmann, der mich finanziell mit 2000 Mark im Monat unterstützte. Das half natürlich, war aber zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Aber so konnte ich ein, zwei Jahre auf der Tour mitspielen und schauen, wo ich stehe und woran ich arbeiten muss.

WAMS: Der Auftakt zu einer heute fast 50-jährigen Karriere …

Langer: Ich hatte das Glück, gleich beim dritten Turnier, den Madrid Open, Fünfter zu werden. Ich erkannte, dass mein langes Spiel ganz gut war, es im kurzen Spiel aber noch haperte. Vor allem aber sah ich, dass ich mithalten konnte und mit harter Arbeit sogar zu den besten europäischen Spielern zählen würde.

WAMS: 1985 gelang Ihnen Ihr erster Sieg beim Masters in Augusta. Das war der endgültige Durchbruch, oder?

Langer: Ja. Danach kannte mich jeder in der Golfwelt. Ich bekam Einladungen zu Events in Australien, Japan, Südafrika, Südamerika, war automatisch qualifiziert für alle großen Turniere. Viele Organisatoren wollten den Masters-Sieger im Feld haben. Und ich wurde vor den Turnieren nicht mehr als „Bernhard Langer, Germany“, sondern als „Bernhard Langer, Masters-Champion“ begrüßt. Wenn du einmal ein Major-Turnier gewonnen hast, dann ändert das alles. Dann bist du wer. Finanziell hat sich mein Leben dadurch komplett verändert, es gab mir eine enorme Sicherheit.

WAMS: Wie war es davor?

Langer: Als ich 1976 anfing, habe ich mir von meinem ersten Geld einen Ford Escort gekauft, mit dem ich dann zum Beispiel über 2000 Kilometer nach Portugal zu einem Turnier gefahren bin. Da habe ich öfter im Auto geschlafen, um Geld zu sparen, und wenn ich mir eine Unterkunft – „Hotel“ kann ich es nicht nennen – gegönnt habe, dann habe ich das Zimmer oft mit allerlei Krabbeltieren geteilt. Auch für Essen habe ich nicht viel ausgegeben. Ich hatte natürlich auch keinen Caddie und habe meinen Trolley selbst gezogen. Zwei, drei Jahre später wurde es dann besser, 1980 habe ich dann auch das erste Turnier gewonnen. Aber am Anfang war es schon sehr entbehrungsreich. Zumal ich zwischenzeitlich für 15 Monate zur Bundeswehr eingezogen wurde, wo ich mir einen Stressbruch im Rücken und einen Bandscheibenvorfall eingehandelt habe. Damit hatte ich jahrelang zu kämpfen.

WAMS: Ihre Erfolge haben Sie längst zu einem wohlhabenden Mann gemacht. Was motiviert Sie trotzdem, auch im 50. Jahr ihrer Profikarriere noch alles zu geben?

Langer: Es wird in der Tat immer schwieriger, weil es an immer mehr Stellen im Körper zwickt. Mein Achillessehnenriss im Februar 2024 war natürlich auch nicht hilfreich. Aber wissen Sie: Mir macht das Golfspielen weiterhin so viel Spaß, dass es all das aufwiegt. Ich liebe es, mich in Turnieren zu messen, und Golf ist ein so wichtiger Teil meines Lebens, dass ich – solange es irgend geht – spielen möchte. Drei Dinge müssen dafür zusammenkommen: Ich muss gesund sein, ich muss erfolgreich sein, und es muss Spaß machen. Fällt eine Sache davon weg, höre ich auf.

WAMS: Mit 67 Jahren ist man sich der Endlichkeit des Lebens ja bewusst. Wie gehen Sie mit dem Älterwerden und dem Gedanken an den Tod um?

Langer: Mein Glaube an Gott macht mich gelassen. Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn ich bin davon überzeugt, dass ich in den Himmel komme, wie die Bibel es jedem Gläubigen verspricht. Gegen die Auswirkungen des Alters aber kämpfe ich jeden Tag: Ich ernähre mich gut, trainiere, gehe ins Gym, fahre Fahrrad, mache Dehnungs- und Kräftigungsübungen, um den Alterungsprozess zu verlangsamen. Ich will auch mit 80 noch das Leben genießen können. Dafür muss ich was tun.

WAMS: Abschließend: Wenn Sie einem Amateurgolfer drei Tipps geben müssten, welche wären die?

Langer: Das ist einfach: das wohl wichtigste ist der Griff, also wie man den Schläger hält. Da werden viele Fehler gemacht. Dann die Ansprechhaltung: Wo liegt der Ball? Wohin ziele ich? Ich sage immer: 80 Prozent des Erfolgs eines Schlages stehen schon fest, bevor man überhaupt anfängt, den Schläger zu bewegen. Die meisten Amateure machen da zu viele vermeidbare Fehler. Und drittens: Die Strategie, wie ich ein Loch spiele. Wie gehe ich die Bahn an: Muss ich wirklich den Driver nehmen, oder langt es, den Ball mit einem Eisen oder Hybrid ins Spiel zu bringen? Das sind alles Sachen, die kein großes technisches Know-how erfordern, sondern relativ leicht umgesetzt werden können.

Dieses Interview kam mit freundlicher Unterstützung von Rolex zustande. Rolex ist seit 2004 Partner von Bernhard Langer und engagiert sich seit 60 Jahren im Golfsport – nicht nur bei den Profis, sondern auch im Jugend- und Amateurbereich. Die Unterstützung von Rolex hat keinen Einfluss auf den Inhalt dieses Interviews.

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