Schon lange spuken die Olympischen Winterspiele 2026 in ihrem Kopf herum. Bereits vor dem Großereignis vor vier Jahren in Peking, die Janina Hettich-Walz am Ende vom heimischen Sofa als Zuschauer verfolgen musste, schlug ihr Herz beim Gedanken an Antholz höher. Das Biathlon-Mekka in Italien ist Austragungsort der olympischen Wettbewerbe im Februar 2026. „Es ist einer meiner liebsten Weltcup-Orte und eine Extra-Motivation“, sagt sie. Das war einige Jahren so – und das ist auch jetzt so, da die Schwarzwälderin nach einer Babypause zurück im Weltcup ist.
Das Ziel der WM-Zweiten von 2024 ist klar. „Ich möchte dort starten, zumal es sicher meine letzte Chance auf einen Olympia-Start ist. Dass ich in vier Jahren noch dabei bin, würde ich ausschließen“, sagt die 29-Jährige. Ganz bewusst hat sich Hettich-Walz für die Doppelrolle als junge Mutter und Spitzensportlerin entschieden. Tochter Karlotta, zehn Monate alt, war ein Wunschkind – dass sich eine Schwangerschaft und der olympische Traum ausschließen, fand sie nie. Eine Doppelrolle als Herausforderung, aber nicht als Belastung. Und als Motivation. „Vom Training oder einem Wettkampf heimzukommen und die Kleine lacht mich an – das ist ein ganz anderes Gefühl von Glück“, sagt sie.
Was nicht bedeutet, dass sie ihre sportlichen Ziele nun weniger konsequent verfolgt. Allerdings: Bisher läuft es in diesem Winter noch nicht rund für sie. Die 29-Jährige hatte gehofft, vor Weihnachten die Olympia-Qualifikation geschafft zu haben, bisher aber hat sie mit einem Top-15-Ergebnis nur die Hälfte der Anforderung erfüllt. Zweimal schrammte sie knapp daran vorbei. „Läuferisch bin ich in einer ganz guten Form, aber am Schießstand sind definitiv zu viele Scheiben stehen geblieben“, sagt sie. „Ich hatte ein paar gute Rennen, aber die Ergebnisse sind sonst natürlich noch nicht das, was ich mir vorgenommen habe.“ Aufbauarbeit will sie diesen Sonntag bei der World Team Challenge in der Veltins-Arena auf Schalke leisten. Danach stehen die Heim-Weltcups in Oberhof und Ruhpolding auf dem Programm.
Zurückzukehren, wenn es möglich ist, war immer der Plan
Für Hettich-Walz wären es die ersten Olympischen Spiele ihrer Karriere. Kurz vor Peking 2022 hatte sie ihren Startplatz im Weltcup verloren und kehrte erst nach dem Großereignis zurück ins Team. Die Weltmeisterschaften im Februar 2024 in Nové Město/Tschechien wurden dann zu ihrer Sternstunde: Im Einzel über 15 Kilometer mit vier Schießeinlagen blieb sie fehlerfrei, war zudem schnell unterwegs und feierte schließlich hinter der Italienerin Lisa Vittozzi sensationell Silber – ein Coup, mit dem sie viele überraschte. Als Staffel-Startläuferin feierte sie zudem mit Selina Grotian, Vanessa Voigt und Sophia Schneider Bronze. Eine WM nach Maß.
Wenig später war klar: Die folgende Saison würde ohne die WM-Zweite stattfinden, denn Hettich-Walz und ihr Mann Kai erwarteten das erste Kind. Eine wohlüberlegte Entscheidung. „Die Schwangerschaft war geplant“, erzählt die Schwarzwälderin, „auch der Zeitpunkt in etwa mit Blick auf die Olympischen Spiele 2026. Mein Ziel war von Anfang an, zurückzukehren, wenn es gesundheitlich, körperlich möglich ist.“
Zwar gibt es immer mehr Spitzensportlerinnen, die erfolgreich den Spagat wagen – Normalität aber ist es längst noch nicht. Auch, weil oft die Rahmenbedingungen mangelhaft sind, um diesen Weg überhaupt gehen zu können. Sei es wegen eines drohenden Verlustes der Kaderzugehörigkeit, damit einhergehender finanzieller Probleme, abspringender Sponsoren und anderer Faktoren – ganz abgesehen von den individuellen, organisatorischen Herausforderungen. Hettich-Walz sah sich innerhalb ihrer Sportart, des Deutschen Skiverbandes und ihres Teams aber gewappnet. Vor ihr hatten zudem bereits andere Biathletinnen wie die Slowakin Anastasiya Kuzmina und die Französin Justine Braisaz-Bouchet gezeigt, dass es erfolgreich funktionieren kann.
Die größte Herausforderung bei allem? „Die Organisation“
„Meine Trainer“, erzählt die Deutsche, „haben sich umgehört bei anderen Trainern, die bereits schwangere Athletinnen betreut haben und die ihnen einen Leitfaden gegeben haben, was gut geht und wo ich aufpassen sollte. Ich habe aber auch viel auf mein Gefühl, auf meinen Körper gehört, wollte mir nicht zu sehr reinreden lassen, denn jede Frau ist anders.“ Sie selbst habe in der Schwangerschaft noch relativ lange trainiert und konnte sich so eine gute Basis erhalten. Im Februar 2025 kam schließlich Tochter Karlotta zur Welt.
Auch beim Wiedereinstieg machte die 29-Jährige das, was sich gut anfühlte. „Stabilisations-Training, Beckenboden-Training habe ich ab Tag zehn nach der Geburt wieder gemacht, um alles wieder in Form zu kriegen“, berichtet sie. „Das habe ich auch im Sommer sehr intensiv gemacht, um keine Risiken einzugehen.“ Im Ausdauerbereich begann Hettich-Walz mit Nordic Walking und auf dem Radergometer. Anfang April, sechs Wochen nach der Geburt, stand sie dann in Norwegen das erste Mal wieder auf Langlaufskiern.
Die größte Herausforderung bei all dem? „Die Organisation“, sagt sie. „Also die Absprachen mit meinem Mann, wann ich trainieren kann, wann er arbeitet, wer wann die Kleine betreut. Oma und Opa waren natürlich auch mit an Bord.“ Es ist ein Familienprojekt. Eines, bei dem manches Mal beim Training auch die Tochter dabei ist – zum Beispiel in einem Buggy auf Skiern, den sie hinter sich herzieht.
„Es motiviert mich zu wissen, dass sie an der Strecke ist“
Als Hettich-Walz dann im September bei den Deutschen Meisterschaften auf Skirollern ihr Comeback gab, staunte sie selbst: Sieg in Einzel und Sprint. Im Weltcup sucht sie aktuell noch nach ihrer Form, aber zumindest organisatorisch bewältigt sie die Herausforderungen des Reisens mit ihrer Familie bestens. „Es war tatsächlich relativ einfach“, sagt sie. Zum ersten Weltcup nach Schweden fuhr sie alleine, weil es „zu viel Reiserei gewesen wäre für die Kleine“. In Österreich hingegen waren ihr Mann und die Tochter dabei, die Familie wohnte separat vom Team in einer Ferienwohnung. Beim Weltcup vor Weihnachten kam zusätzlich ihre Mutter mit.
Ob alleine oder als Familie – für Hettich-Walz hat beides funktioniert. „Es ist kein Stress für mich, wenn die Familie dabei ist“, betont sie. „Ich fand die Ablenkung schön, vor allem auch nach einem schlechten Wettbewerb. Wenn du heimkommst und siehst deine Tochter, die dich anlacht und der es total egal ist, wie du gerade performt hast, ist das ein schöner Trost. Es motiviert mich zu wissen, dass sie an der Strecke ist.“
Dass der Versuch, allem und allen gerecht zu werden, nicht zur unlösbaren Aufgabe wird, hat auch mit der Tochter zu tun. „Sie schläft ziemlich gut, meistens auch durch“, sagt Hettich-Walz. Das erleichtert vieles, auch die Regeneration. Denn ohne Erholung keinen Trainingsfortschritt, ohne Regeneration keine Chance auf gute Resultate: „An Wettkampfwochenenden schaut aber auch meistens mein Mann nach ihr, wenn etwas ist. Aber mal ein entspannter Spaziergang mit ihr ist ja Erholung.“
Das Leben hat sich verändert für die 29-Jährige, auch der Blick auf den Sport, Prioritäten haben sich verschoben. Das große Ziel aber bleibt: der Start bei den Olympischen Spielen. „Und ich wäre auch enttäuscht und traurig“, sagt sie, „wenn es nicht klappt.“
Melanie Haack ist Sport-Redakteurin. Für WELT berichtet sie seit 2011 über olympischen Sport, extreme Ausdauer-Abenteuer sowie über Fitness & Gesundheit. Hier finden Sie alle ihre Artikel.
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