Frank Baumann ist seit vergangenem Juni Sport-Vorstand beim FC Schalke 04. Der 50-Jährige einte den gesamten Verein und formte aus dem Krisen-Klub einen Aufstiegsaspiranten
Frage: Herr Baumann, was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Frank Baumann: Ich wünsche mir einfach etwas freie Zeit mit meiner Familie. Gerade auch, weil unsere Kinder nicht mehr zu Hause wohnen, genieße ich die Tage ganz besonders.
Frage: Und aus sportlicher Sicht?
Baumann: Möglichst wenige Verletzte bei der Schneeballschlacht (lacht).
Frage: Nicht den Aufstieg? Oder ist das noch nicht erlaubt?
Baumann: Wir verbieten keinem das Wort „Aufstieg“. Und wir würden uns dagegen auch nicht wehren. Aber wir sollten immer im Auge behalten, wo wir herkommen und was wir uns vor der Saison vorgenommen haben: weniger quatschen, mehr machen. Dass jeder Spieler mehr investiert und ans Limit geht – nicht nur an den Spieltagen. Das haben wir geschafft. Wir werden trotz der guten Hinrunde kein Saisonziel ausrufen, sondern halten unseren Fokus von Tag zu Tag, von Spiel zu Spiel.
Frage: Was war bislang Ihre beste Entscheidung als Schalke-Boss?
Baumann: Ich lasse mich eigentlich lieber von anderen bewerten. Aber weil es die wichtigste Personalie ist und wir damit ja auch wirklich gut lagen, sage ich: Miron Muslic als Cheftrainer zu verpflichten.
Frage: Sie haben vor seiner Verpflichtung sogar einen Sportpsychologen beauftragt, ihn zu bewerten.
Baumann: Wir haben uns zunächst ganz viele Spiele aus den vergangenen Jahren und sehr viele Daten angeschaut. Ich bin der Meinung: Daten sagen bei Trainern noch mehr aus als bei Spielern. Da erkennt man sehr deutlich die Handschrift, den Plan. Im Rahmen des Prozesses haben wir auch einen Sportpsychologen engagiert, der vor allem das Thema Mannschaftsführung recherchiert hat. Andreas Marlovits hat mich schon zu Werder-Zeiten bei der Trainersuche unterstützt und zuletzt auch unsere Kandidaten bewertet.
Frage: Also nicht nur Muslic?
Baumann: Nein, wir hatten zunächst eine sehr lange Liste, die wir nach und nach verkürzten. Andreas hat dann unsere Top-Kandidaten durchleuchtet und für uns ein Ranking erstellt. Das haben wir in verschiedenen Bereichen genauso gemacht.
Frage: Auf welchem Platz landete Muslic?
Baumann: Auf dem ersten.
Frage: Sie mussten 700.000 Ablöse an seinen Ex-Klub Plymouth zahlen, für Schalke viel Geld. War das Ihre riskanteste Entscheidung?
Baumann: Für uns war entscheidend, dass wir für die wichtigste Position im Verein die bestmögliche Lösung finden. Ich habe dem Aufsichtsrat schon vor meiner Unterschrift bei Schalke die Frage gestellt, ob ein Budget für eine Trainer-Ablöse vorhanden ist. Da hat man bei dem einen oder anderen schon gemerkt, dass eine gewisse Skepsis da war, weil man vielleicht nicht immer gute Erfahrungen damit gemacht hat. Das kann ich auch verstehen, aber wenn man überzeugt ist, dann muss man den Weg auch entschlossen gehen.
Frage: Haben Sie es zur Bedingung für Ihr Engagement gemacht?
Baumann: Das nicht, nein. Aber natürlich habe ich als Bedingung gestellt, dass ich die Entscheidungen im sportlichen Bereich treffen muss und wir als Vorstand das vorhandene Budget so ausgeben, wie wir es für richtig halten. Und mir war schnell bewusst, dass wir dieses Geld dann nicht für Spieler-Transfers nutzen können. Das war für mich aber kein Grund, von der Idee abzurücken.
Frage: Ihr bislang emotionalster Moment?
Baumann: Da fallen mir spontan zwei Spiele ein. Zum einen das erste Heimspiel gegen Hertha. An diesem Tag stimmte alles – und der Funke sprang sofort auf unsere Fans über. Zum anderen das Spiel gegen Elversberg, ehrlich gesagt aus persönlichen Gründen. In der Nacht zuvor hatte ich einen Trauerfall in der Familie. Dieser Tag war aus einer ganz anderen Sicht sehr emotional.
Frage: Der aufregendste Transfer?
Baumann: Grundsätzlich gilt: Bei unseren wirtschaftlichen Zwängen müssen wir das Geld zielgerichtet ausgeben, insofern haben wir in allen Verhandlungen um jeden Euro gekämpft. Der Transfer von Hasan Kurucay ist mir aber besonders hängen geblieben.
Frage: Warum?
Baumann: Wir waren schon sehr frühzeitig mit ihm in Kontakt, und er signalisierte uns, dass er sich einen Wechsel zu Schalke gut vorstellen könne. Wir mussten aber warten, bis wir das nötige Budget dafür zur Verfügung hatten – wir hatten zu dem Zeitpunkt schon sehr viele Spieler unter Vertrag. Hasan hatte neben uns noch weitere, interessante Angebote, auch aus der 2. Liga. Er hatte aber die Geduld und hat auf uns gewartet. Er ist für uns da ins Risiko gegangen, es hätte bei uns ja auch nicht funktionieren können. Nach dem Verkauf von Taylan Bulut konnten wir ihn dann verpflichten.
Frage: Das schwierigste Nein?
Baumann: Das war vor allem zu Beginn der Transfer-Periode im Sommer. Wir waren da an dem einen oder anderen interessanten Offensivspieler dran, der ablösefrei gewesen wäre und mit dem wir uns finanziell auch geeinigt hätten. Wir hatten uns aber klar vorgenommen: Wir müssen erst einmal unsere Defensive stabilisieren! Und dafür haben wir unser Budget ausgegeben, das anfangs vorhanden war. Das tat manchmal weh, Nein zu sagen. Aber es war genau richtig, unsere Aufgaben Stück für Stück abzuarbeiten – was man an unserer Defensiv-Leistung ja auch erkennen kann. Das war für uns der wichtigste Ansatzpunkt. Der bisherige Verlauf zeigt, wie wichtig es in dieser Liga ist, gut zu verteidigen.
Frage: Kommen wir zu ein paar Personalien: Ist Loris Karius der Schalke-Torhüter der kommenden Jahre? Sein Vertrag läuft nur noch bis 2027 …
Baumann: Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn wir in den kommenden Jahren keine Baustelle im Tor hätten – sehr gerne! Aber es gehören immer zwei Parteien dazu. Und wir wissen auch, dass Loris hier ohne seine Familie wohnt. Wir werden uns zu gegebener Zeit zusammensetzen und über die Möglichkeiten sprechen. Klar ist für mich aber auch: Loris gehört in die erste Liga.
Frage: Wie laufen die Vertragsverhandlungen mit Talent Mika Wallentowitz, der wie aus dem Nichts zur Stammkraft wurde?
Baumann: Wir sind mit seiner Entwicklung sehr zufrieden – und er ist auch zufrieden. Das sind gute Voraussetzungen. Es geht nun darum, die vertraglichen Dinge zu besprechen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da eine Lösung finden.
Frage: Gehen Sie davon aus, dass Moussa Sylla auch in der Rückrunde für Schalke spielt?
Baumann: Ja, sehr stark sogar.
Frage: Weil es an Angeboten fehlt? Oder weil Sie ihn nicht gehen lassen?
Baumann: Zum einen, weil wir auf die Ablöse im Winter nicht angewiesen sind. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass es von Moussas Seite kein Bestreben gibt, kurzfristig etwas zu verändern. Sein Gefühl ist gerade ein ganz anderes als noch zu Saisonende, was natürlich auch mit unserer sportlichen Entwicklung zu tun hat.
Frage: Aus der Geschäftsstelle hört man, dass Ihre Besonnenheit dem Klub sehr helfe. Und wenn man Sie nach Siegen sieht, verziehen Sie meist keine Miene. Können Sie überhaupt ausrasten?
Baumann: Da muss schon sehr viel passieren, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Das kam in den vergangenen dreißig Jahren sehr selten vor. Was aber nicht heißt, dass ich mich über Siege nicht freue oder nach Niederlagen ärgere. Ich bin während des Spiels und danach eben sehr konzentriert und analytisch eingestellt. Aber eines können Sie mir glauben: Vor allem die Stimmung unserer Fans lässt mich alles andere als kalt.
Frage: Die Mannschaft belohnt sich nach Siegen ab und zu mit Besuchen bei McDonald’s. Wie belohnen Sie sich?
Baumann: Die Mannschaft war dort zuletzt nach dem Spiel in Hannover. Das Lustige daran war: Ich bin per Zufall eine Ausfahrt vorher herausgefahren – um mir dort einen Burger zu kaufen (lacht). Das gehört für mich dazu, Erfolge zu genießen, wenn auch nur kurz. Und da gönne ich mir dann auch mal einen Fast-Food-Besuch oder zwei Bierchen am Abend.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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