Wer dieser Tage vom Flughafen Doha Richtung Innenstadt fährt, kommt an einem Gebäude vorbei, das eigentlich schon lange nicht mehr stehen dürfte. Das 974-Stadion, das für die Fußball-WM 2022 in Katar gebaut wurde – aus 974 recycelten Schiffscontainern –, sollte eigentlich nach dem Turnier abgebaut und in Entwicklungsländer verschifft werden. So hatte es der Veranstalter vollmundig verkündet. Stattdessen fanden dort jetzt vier Gruppenspiele des Arab Cups statt, der am Donnerstag zu Ende ging.

Andere der acht WM-Arenen wurden tatsächlich zum Teil zurückgebaut, sind aber trotzdem für das 3‑Millionen‑Einwohner‑Land völlig überdimensioniert. Da hilft auch nur wenig, dass die Fifa weiterhin fleißig Turniere in das Emirat vergibt – ganz aktuell das Finalissima 2026 zwischen Europameister Spanien und Südamerikameister Argentinien, das im März in Doha gespielt werden soll.

Allein in den vergangenen Monaten fanden in Katar die U17-WM (104 Spiele, davon 103 auf den Trainingsplätzen der Aspire Zone), der Arab Cup und der Intercontinental Cup statt – teilweise mit guten Zuschauerzahlen. Der Besuch der heimischen Liga ist dagegen schwach. Die Spiele finden im regulären Betrieb zumeist nicht in den großen WM-Arenen statt.

Aber nicht nur bei den Stadien gestaltet sich die Realität anders, als Katar bei der Bewerbung um die Ausrichtung versprochen hatte. Eine Analyse.

Frauen-Nationalmannschaft

Die Fifa schreibt die Förderung des Frauenfußballs als Kriterium für Länder vor, die sich um eine WM bewerben. 2009 gründete Katar deshalb eine Nationalmannschaft. Das erste Spiel ging im Oktober 2010 mit 0:17 gegen Bahrain verloren. Im Dezember 2010 erhielt Katar den Zuschlag für die WM 2022.

Danach traten die katarischen Frauen noch zu einigen Partien an, nahmen im April 2014 unter der deutschen Trainerin Monika Staab sogar an der Westasienmeisterschaft teil. Seit dem Turnier wurde aber kein einziges Spiel mehr bestritten. Immerhin: Es besteht eine Frauenliga. Die Spiele werden wegen der Sittenwächter aber nicht im Fernsehen übertragen. Auch Männer sind im Publikum zumeist nicht zugelassen.

Arbeiterfonds: „Beschämend“

Wie viele Bauarbeiter bei der Konstruktion für WM-Bauten ums Leben kamen, ist umstritten. Fifa und Katar sprechen von maximal 40 Toten auf den Baustellen, Menschenrechtsorganisationen von mehreren Tausend im weiteren WM-Kontext. 2024 legten Katar und die Fifa den „Legacy Fund“ auf, der 50 Millionen Dollar umfasst. Das Geld fließt an weltweite Projekte für Bildung und Flüchtlinge.

Korruptions-Expertin Sylvia Schenk sagt dazu: „Zwischen den NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen; Anm. d. Red.) war strittig, ob mit viel Aufwand versucht wird, vor zehn oder mehr Jahren Geschädigte in ihren Heimatländern ausfindig zu machen, oder ob man dafür sorgt, jetzige und künftige Arbeiter besser zu schützen und zu unterstützen.“

Amnesty International kritisiert, dass der Fonds zu spät und mit zu wenig Geld ins Leben gerufen wurde. Außerdem würden betroffene Bauarbeiter oder deren Familien nicht entschädigt. Für die Menschenrechtsorganisation ist das Verhalten der Fifa „beschämend“.

Klima-Neutralität: eindeutiges Urteil

Eines der größten Versprechen von Fifa und Katar war es, die WM vollständig klimaneutral zu veranstalten. Experten und Umweltschutzorganisationen zweifelten schon lange an der Behauptung. Und auch Gerichte in der Schweiz und in Deutschland urteilten mittlerweile, dass die Fifa nicht länger behaupten darf, das Turnier sei vollständig klimaneutral durchgeführt worden.

Im Urteil des Landgerichts Berlin II von Mitte November 2025 heißt es: „Das gesteigerte Aufklärungsbedürfnis an Richtigkeit, Klarheit und Eindeutigkeit der Werbeaussage wurde vorliegend nicht ausreichend erfüllt.“

Was sagt die Politik dazu?

Der Parlamentarische Staatssekretär und ehemalige Sprecher für Menschenrechte Michael Brand (52/CDU) sagt gegenüber „Bild“: „Dieser Lug und Trug überrascht wenige – es geht der Fifa nicht um den Sport, sondern lediglich um Kommerz. Ich erinnere mich noch gut, wie auch der DFB im Vorfeld, bei Anhörungen im Bundestag, bei kritischen Nachfragen schöngeredet hat, nicht sehen wollte.“

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.

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