Als mittlerweile zweifacher Vater ist Linus Straßer (33) in die Saison gestartet und fiebert seinen dritten Olympischen Spielen entgegen. 2022 in Peking gewann er mit der Mannschaft Silber – fast hätte es damals sogar zu Gold gereicht. In der vergangenen Saison blieb der Slalom-Spezialist zwar ohne Podestplatz, feierte aber mit WM-Bronze in Saalbach-Hinterglemm seine erste Einzel-Medaille bei Titelkämpfen.

Frage: Herr Straßer, vor dem Olympia-Winter entschieden Sie sich zu einem drastischen Schritt: Nach neun Jahren wechselten Sie die Ski-Marke – von Rossignol zu Head. Warum?

Linus Straßer: Ich bin im November 33 geworden und dachte mir: Es ist der richtige Zeitpunkt für eine neue Herausforderung. Und wenn ich den Skiwechsel nicht jetzt mache, dann wohl gar nicht mehr. Mental hat sich das schon ausgezahlt: Ich war im Sommer hoch motiviert, und der Fokus hat sich noch einmal verschoben. Raus aus dem üblichen Ablauf. Da wurde ich langsam müde. Manche werden sagen: Wie kann man nur vor einer Olympiasaison? Aber ich sage: Gerade zu diesem Zeitpunkt! Selbst für so eine drastische Entscheidung.

Frage: Wie sieht so eine Umstellung in der Praxis aus?

Straßer: Das alte Material war schon wie ein guter Freund, den ich vor Jahren kennengelernt hatte und auf den ich mich immer verlassen konnte. Jetzt habe ich einen neuen Partner an meiner Seite und kenne ihn noch nicht so hundertprozentig. So geht es mir gerade. Ich muss das Unterbewusstsein neu kalibrieren, mich vom Gewohnten und Vertrauten verabschieden, meinen Kopf neu fordern. Ich freue mich aber total, weil ich weiß, dass es funktionieren wird. Es ist richtig gutes Material. Doch das hundertprozentige Vertrauen kommt erst noch durch besseres Kennenlernen. Etwas Unsicherheit wabert noch mit, aber ich sage klar: Das Gefühl, das ich jetzt habe, ist genau, wonach ich gesucht habe.

Frage: Es ist jetzt wie Speed-Dating auf Schnee, oder?

Straßer: Absolut! Die Jungs von Head haben mir bei den Tests aber schon Ski zur Verfügung gestellt, von denen sie anhand von Daten wussten, dass sie ein Match für meinen Stil sind. Das Team hat mich voll angezündet. Ich spürte gleich, dass es gut funktioniert. Die Charakteristik vom Ski ist ganz anders, aber sehr interessant und sehr reizvoll.

Frage: Auf dem Olympia-Hang in Bormio gab es noch nie einen Slalom. Macht es Ihnen etwas aus, ins Unbekannte zu fahren?

Straßer: Für mich zählt, zu Olympia zu kommen und zu sagen: Scheißegal, was für ein Hang es ist. Scheißegal, wie die Schneeverhältnisse oder das Wetter sind. Mir ist das alles egal! Davon habe ich mich verabschiedet, mir darüber Gedanken zu machen. Mein Ziel ist es, dort mit einer Kaltschnäuzigkeit und einem Ja-und-Gefühl anzutreten, was das Drumherum betrifft. Ich will einfach nur abliefern und performen.

Frage: Ist das ein Stück Freiheit? Waren Sie früher zu verkopft?

Straßer: Ich habe das über die Jahre gelernt. Es ist, als wenn du auf einen Berg steigst. Du stehst oben am Gipfelkreuz, und das ist geil. Aber ich weiß jetzt viel mehr, den Weg hoch zu schätzen: die Erlebnisse, die Eindrücke und die eigene Entwicklung als Persönlichkeit. Der Sieg ist nur die Kirsche obendrauf, die man genießen kann. Doch der ist so vergänglich und verfliegt. Der lange Weg dorthin ist wirklich etwas, das dich formt, und was von der Substanz her bleibt.

Frage: Sie lesen gern Sportlerbiografien. Gibt es eine, aus der Sie viel gezogen haben?

Straßer: „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ von Andrea Petkovic. Das war ein cooles Buch, das ich genau zur richtigen Zeit gelesen habe und das mir auch wirklich geholfen hat, mental mit der Situation umzugehen. Ich habe es in zwei, drei Tagen verschlungen. Im Dezember 2019 hatte ich mir das Kahnbein gebrochen und war danach in Zagreb außerhalb der ersten 30 Startnummern gestartet. Da fuhr ich im ersten Durchgang auf drei vor, wurde am Ende Siebter. Danach schrieb ich Andrea auf Instagram. Aktuell lese ich ihr zweites Buch „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“.

Frage: Das haben Sie aber noch nicht vor, oder?

Straßer: Nein, nein! Ich möchte noch ein bisschen fahren. Und halte mir das total offen. Ich fühle mich zwar noch jung, auch wenn ich für einen Leistungssportler nicht mehr der Jüngste bin. Aber ich genieße die letzten Jahre, die ich noch habe.

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Frage: Sie sind inzwischen zweifacher Vater: Marta ist fast drei, Ihr Sohn kam im Juli zur Welt. Ist Marta schon Ski-Fan?

Straßer: Sie checkt natürlich, was das bedeutet oder dass es Leute wirklich interessiert. Aber für sie bin ich in erster Linie natürlich der Papa. Für sie war das Schlimmste, als ich zum Beispiel beim Saisonfinale 2024 in Saalbach in den Zielbereich fuhr, sie mich sah, aber nicht zu mir durfte. Da war sie nur zehn, 15 Meter Luftlinie von mir entfernt. Wir hatten Augenkontakt, und sie wollte unbedingt von den Armen meiner Frau zu mir. Da war sie sehr sauer, dass sie nicht zu mir durfte. Das Leben mit der Familie ist wunderschön und macht unglaublich viel Spaß. Ich hoffe, dass sie bei Olympia dabei sind.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.

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