Ohne die volle erste Garde qualifiziert sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft für das Final Four der Nations League. Als erstes DFB-Team der Herren könnte die Nagelsmannschaft diesen relativ jungen Wettbewerb gewinnen. Auf dem Weg dorthin tun sich einige Protagonisten vor - andere weniger.

Gewinner:

Julian Nagelsmann. So langsam ist es beängstigend, beinahe langweilig. Egal, was dieser Bundestrainer mit dieser Nationalelf anstellt, es scheint immer zu funktionieren. Und wenn nicht, hat er immer die Größe, sich zu korrigieren. Der Plan im Rückspiel geht (mit Abstrichen) voll auf: Erstmals seit anderthalb Jahren stellt Nagelsmann die Grundformation um, Fünfer- statt Viererkette. Die Änderung funktioniert: Die DFB-Elf erstickt die Squadra Azzurra in der eigenen Hälfte und der zusätzliche Verteidiger (Nico Schlotterbeck, dazu später mehr) räumt jeden Konterversuch schon im Ansatz ab.

In der zweiten Hälfte schießt Nagelsmann jedoch sich ein wenig in den eigenen Fuß. Als die Italiener ihr Harakiri-Comeback starten, wechselt er seine Mittelfeldzentrale aus - und befeuert so die Aufholjagd. Auch in der ersten Hälfte im Hinspiel funktioniert sein Plan nicht. Minutenlang berät er sich Co-Trainer Sandro Wagner an der Seitenlinie - um sich dann zu korrigieren. Die Folge: Nach der Halbzeit sind die Italiener völlig überrumpelt, der Plan geht auf. Auch bei seinen Personalentscheidungen behält Nagelsmann ein richtiges Händchen, mehr dazu aber später mehr.

So schnell wird Nicolò Barella den Namen Nico Schlotterbeck wohl nicht mehr vergessen. Denn die Grätschen des BVB-Innenverteidigers werden das italienische Mittelfeldass wohl noch im Schlaf verfolgen. Seine Physis veränderte schon das Hinspiel, seine Grätschen dann auch das Rückspiel. Gerade das Dortmunder Publikum, das sich nach den vergangenen eher bescheidenen Wochen beim BVB nach Leidenschaft lechzt, ist sehr angetan von ihrem Helden - und feiert jede Aktion. Als drohte, er würde sich alles Erabeitete zunichte machen, spielte der VAR mit. Zu Schlotterbecks Gunsten. Ein fälliger Foulelfmeter, den Schiedsrichter Szymon Marciniak gepfiffen hatte, kassierte er nach Ansicht der Bilder wieder ein.

Erst beim FC Bayern, jetzt auch in der Nationalelf: Plötzlich ist Leon Goretzka wieder da. Der 30-Jährige erteilt Fußballdeutschland eine Lektion, was Durchhaltevermögen angeht und ist für Klub und Nationalelf nach Monaten der Verzichtbarkeit auf einmal wieder wichtig. Viel mehr Kitsch geht nicht: Im Hinspiel erzielt ausgerechnet er das spielentscheidende 2:1. Seine physische Spielweise tat dem DFB-Team gut. Goretzkas Glück: Auf der Sechserposition hatte sich nach dem Abschied von Toni Kroos im vergangenen Sommer noch kein Duo einspielen können. Und andere Kandidaten kommen im Klub nicht auf die ersehnte Spielzeit. Möglicherweise ist auch die Weltmeisterschaft wieder ein Thema für Goretzka.

Tim Kleindienst wurde gebraucht, Tim Kleindienst hat geliefert: So kurz kann man die jüngste DFB-Reise für den 29-Jährigen zusammenfassen. Kleindienst trifft in Hin- und Rückspiel, er ist dankbarer Abnehmer für Flankengott Kimmich. Ähnlich wie Goretzka bescherte er dem Spiel des deutschen Teams eine Physis, die zuvor gefehlt hatte. Und: Der Gladbacher glänzt derzeit auch im Verein mit einer starken Torquote und wird im nächsten Jahr mutmaßlich auch international spielen. Entweder mit der Borussia oder nach einem Vereinswechsel.

Wer hätte gedacht, dass einmal der Name von Oliver Baumann durch das San Siro skandiert würde. Ähnlich unwahrscheinlich schien vor noch zwei Jahren auch, dass die DFB-Elf praktisch keine Spiele mehr verlieren würde. Aber das ist ein anderes Thema. Baumann, die Aushilfs-Nummer-Eins nach der Verletzung von Marc-André ter Stegen, macht seine Sache mehr als unaufgeregt und solide. Nagelmann sagte, das hätte ihn nicht überrascht, schließlich wusste er um Baumanns Klasse. Jetzt wissen deutlich mehr Menschen davon - dafür hat es nur fünf Jahre im Wartestand und ein kurzes Torwart-Vakuum nach der Ära Manuel Neuer gebraucht.

Es geht immer ein bisschen unter, aber einen darf man bei den jüngsten Erfolgen des DFB-Teams nicht vergessen: Joshua Kimmich. Der Kapitän muss als Rechtsverteidiger ran, das kann er zwar ausgezeichnet, es ist aber nicht seine Leib-und-Magen-Position. Trotzdem schafft es Kimmich von dort, was doch ein Stückchen weiter weg vom berühmten letzten Drittel ist, immer wieder entscheidend Einfluss zu nehmen. Der Kapitän geht voran, hat gemeinsam mit Jamal Musiala die Idee zur Schlitzohr-Ecke zum zwischenzeitlichen 2:0 im Rückspiel. Ohnehin: Kimmich ist an jedem DFB-Tor beteiligt, wird defensiv aber auch praktisch nicht gefordert.

Verlierer:

Alexander Nübel kam in beiden Spielen gar nicht zum Einsatz - und doch gehört er zu den Verlierern der zurückliegenden DFB-Reise. Denn von der Bank aus musste er mit ansehen, wie Oliver Baumann eine mehr als solide Leistung ablieferte. Bundestrainer Nagelsmann hatte vor den beiden Spielen noch betont, dass er beide Torhüter auf einem Niveau sehe - es sei eine "Millimeterentscheidung" gewesen. Nübel bekam einst beim FC Bayern nicht die Chance, der Nachfolger von Manuel Neuer zu werden. Er flüchtete, erst nach Monaco, nun glänzt er in Stuttgart. Bei den Bayern hat er eigentlich immer noch einen Vertrag - dort aber gibt es mit Jonas Urbig einen neuen, jungen, aufstrebenden Keeper, der eine Rückkehr zunichte machen könnte. Ähnliches droht im jetzt im Nationalteam.

Die deutsche Fußballwelt (besonders der Bundestrainer) wird nicht müde, es zu betonen: Leroy Sané ist einer besten deutschen Kicker, die es derzeit gibt - was seine Anlagen angeht. Doch oft macht er daraus zu wenig. Im Hinspiel zeigte er sich noch bemüht, aber glücklos. Im Rückspiel wurde es dann auch nicht besser. Die Ansätze sind immer da, doch häufig verdribbelt er sich dann doch.

Dabei wäre es eigentlich die einmalige Chance von Sané gewesen. Serge Gnabry wurde nicht nominiert, Florian Wirtz und Kai Havertz fehlten verletzt. Doch die frei gewordenen Plätze kann der Bayern-Star nicht für sich nutzen. Sein Vertrag bei den Münchnern läuft im Sommer aus. Von der Entscheidung über seine Zukunft hängt auch ab, ob er bei der WM 2026 eine große Rolle spielen wird.

Niclas Füllkrug hat bislang eine Seuchensaison hinter sich. Das Verletzungspech hängt ihm nach: Erst zwickt die Achillessehne, dann der Oberschenkel. Deshalb kann er sich auch bei West Ham United nicht durchsetzen. Beim Abschlusstraining vor dem Hinspiel war er noch als Zuschauer, um seine Kollegen anzufeuern. Er muss aufpassen, dass das nicht zum Dauerzustand wird. Denn dem Publikumsliebling droht das WM-Aus, schließlich müsste er auch noch Kleindienst verdrängen.

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